Kirche am Abend - 6. Sonntag nach Trinitatis am 27. Juli 2014

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St. Johannis

Predigt:

Pfarrer Jörg Mahler

"Frieden"

In der letzten Zeit werden uns in den Nachrichten fast ausschließlich schreckliche Bilder von Krieg, Terror und Vertreibung gezeigt. Es ist gerade so ein Moment, wo die Konflikte auf der Welt zugenommen haben, und kein befriedigendes Ende in Sicht ist. Mich bewegt das Schicksal der Menschen in diesen Gebieten. Was können wir tun?

Immer wieder haben Menschen in solchen Notzeiten auf das Gebet vertraut. Wir wollen uns heute in die Tradition der Friedensgebete stellen. Drei imaginären Betroffenen dieser Konflikte werde ich heute eine Stimme geben und sie erzählen lassen von ihrer Not. Und wir wollen Gott um seine Hilfe bitten, um Frieden.

I.

Seit ein paar Tagen bin ich hier im Lager. Es ging alles so schnell. Nie hätte ich erwartet, einmal das Land meiner Vorfahren verlassen zu müssen. Hier in Mossul, da leben wir Christen schon seit 1800 Jahren, als euer Europa noch weitgehend heidnisch war. Hier wie auch in vielen anderen Städten des Irak konnte man seit Jahrhunderten neben dem Muezzin auch die Kirchenglocken hören. Friedlich haben wir zusammengelebt mit unseren muslimischen Nachbarn. Ich kann mich nicht erinnern, dass wir jemals religiöse Konflikte gehabt hätten. Jeder hat seinen Glauben praktiziert, und im Alltag hat man sich sowieso gebraucht und beieinander eingekauft. Doch dann plötzlich waren sie da: Die Söldner der ISIS. Einen großen islamischen Staat wollen sie errichten, ein Kalifat, das Syrien und den Irak umfasst. Sie haben unsere Kathedrale des Heiligen Ephraim gestürmt. Das Grab des Propheten Jona, auf das wir so stolz sind, haben sie mit Hämmern zerstört, und das Kreuz abgerissen und stattdessen ihre schwarze Flagge gehisst.

Und dann kamen die Flugblätter zu uns Christen: Flieht, stand da drauf, ohne Gepäck, nur mit der Kleidung am Leib. Oder aber ihr konvertiert zum Islam. Oder zahlt eine große Sondersteuer. Wenn ihr das nicht tut, werdet ihr durchs Schwert exekutiert. Am Freitag erschallte das Ultimatum durch die Lautsprecher der Moscheen, am Samstagmittag lief es aus.

Wir waren geschockt. Was sollten wir tun? Wir haben schon von vielen Gräultaten der ISIS-Milizen gehört, von Folter und Massenexekutionen und wussten, die meinen es ernst: Also verließen wir Mossul, scharenweise. Erstmals in der Geschichte des Irak gibt es in Mossul jetzt keine Christen mehr.

Wir sind gelaufen und gelaufen, immer mit der Angst, auf Kämpfer zu treffen. Ich und meine Familie haben es geschafft: Wir sind in Erbil angekommen, im irakischen Kurdistan. Alles aber mussten wir zurücklassen. Ich weiß nicht, wie es weitergehen soll. Wo werden wir unterkommen? Wie kann ich den Lebensunterhalt für mich und meine Familie weiter verdienen? Warum unternimmt keiner was? Warum hilft uns niemand? Ich sehe keine Zukunft.

(Quelle: Iraks letzte Christen müssen Mossul verlassen, Spiegel ONLINE 20.Juli 2014)

Jesus Christus spricht: Selig sind, die Friedfertigen, denn sie werden Gottes Kinder heißen. (Mt 5,9)

Gebet:

Herr Jesus Christus! Wo wir Menschen ohnmächtig sind, da hast Du immer noch die Kraft, Not zu wenden. Du preist die Friedfertigen selig. Wir bitten Dich für die Christen und für alle anderen verfolgten Minderheiten im Irak: Hilf, dass nicht noch mehr Menschen flüchten müssen. Bringe die Kräfte der ISIS zur Besinnung, dass ihnen die Stellen im Koran zu Herzen gehen, die Andersgläubige respektieren und die zur Achtung und Liebe der Mitmenschen aufrufen. Lass sie von ihren Wegen umkehren. Herr, stehe den Christen bei, die auf der Flucht sind und soviel verloren haben: Laß sie einen sicheren Zufluchtsort finden, wenn nötig auch in Europa und in unserem Land. Erinnere uns an dein Gebot, die Fremden aufzunehmen. Gib den Flüchtenden Kraft, und zeige ihnen in der Orientierungslosigkeit einen Weg. Hilf, dass sie selbst für ihren Lebensunterhalt sorgen können. Laß möglichst bald ihre Rückkehr möglich sein. Amen.

II.

Meine Schwester ist tot. Sie wollte doch nur Urlaub in Bali machen. Zusammen mit ihrem Freund. Geschwärmt hat sie von den Stränden, und mir die Bilder im Reiseführer gezeigt. Es sollte eine ganz große Reise werden. Und jetzt? Ihr Leichnam wurde wahrscheinlich in diesen Zug mit Kühlwägen geworfen und nach Charkow gebracht. Sie kehrt zurück nach Holland, aber tot. Und ihre Sachen liegen auf irgendeinem Feld, wenn sie nicht schon längst einer der Rebellen mit nach Hause genommen hat. Ich habe ja die Bilder gesehen, wie die Rebellen Koffer durchwühlen und plündern. Pietätlos ist das. Ich will mir gar nicht genau vorstellen, wie das gewesen sein muss: Da sitzen sie fröhlich im Flugzeug, wissen gar nicht, wo sie gerade genau fliegen. Und plötzlich trifft eine Rakete den Flug MH17.

Ich bin so wütend auf Putin. Ja, wir im Westen haben auch Fehler gemacht, sind mit der Nato viel zu nah an den Osten herangerückt und wollten auch noch die Ukraine mit der EU assoziieren. Aber das rechtfertigt niemals, was Putin getan hat. Wer hat illegal die Krim besetzt? Wer unterstützt die Separatisten im Osten mit Waffen und Kämpfern? Auch diesen Buk-Raketenwerfer soll er ja den Rebellen zur Verfügung gestellt haben, mit dem die dann das Flugzeug abgeschossen haben sollen. Ja, er sei für eine Aufklärung, sagt er. Und doch wandern weiter die Waffen über die Grenze, und doch wird alles nur behindert.

Man muss das doch stoppen. Bislang hatte ich das alles in den Nachrichten nur aus der Ferne beobachtet, doch jetzt bin ich mitten drin. Hunderte Sterben, Soldaten, Zivilisten, Rebellen, und das nur, weil einer dem nicht Einhalt gebietet. Warum ergreift man nicht endlich harte Sanktionen? Wobei, vielleicht fühlt sich Putin dann wie ein gekränktes Kind, und macht aus Trotz alles noch schlimmer. Es ist für die Weltgemeinschaft nicht einfach, den richten Ton mit ihm zu finden. Dabei wollen doch alle Menschen nur in Ruhe leben, ihr Obst und Gemüse anbauen, Geld verdienen, Familienbande und Freundschaften pflegen. Meiner Schwester bleibt so ein einfaches und ruhiges Leben nun für immer versagt.

Christen führen gegeneinander Krieg. Wissen die, dass sie sich einmal vor Gott verantworten müssen? Ich höre auch nicht, dass die Kirchen vor Ort dagegen lautstark protestieren. Ukraine, Rußland: Wo sind eure kraftvollen Prediger? Predigt doch die Botschaft vom Frieden, und Gottes Geist wird sie ins Herz der Menschen dringen lassen! Sprecht in kraftvollen Worten von Umkehr und Versöhnung. Ich sehe nicht, wie anders Frieden werden kann, als so, dass sich die Menschen die Botschaft Gottes zu Herzen nehmen, und daraus die Konsequenzen ziehen. Und liebe Konfliktparteien: Fangt endlich an, miteinander zu reden, einen Plan zu entwickeln, der allen Interessen gerecht wird.

Der Prophet Jesaja analysiert und kritisiert:

Ihre Füße laufen zum Bösen, und sie sind schnell dabei, unschuldig Blut zu vergießen. Ihre Gedanken sind Unheilsgedanken, auf ihren Wegen wohnt Verderben und Schaden.

8 Sie kennen den Weg des Friedens nicht, und Unrecht ist auf ihren Pfaden. Sie gehen auf krummen Wegen; wer auf ihnen geht, der hat keinen Frieden.

9 Darum ist das Recht ferne von uns, und die Gerechtigkeit kommt nicht zu uns. Jes 59,7-9a

Der Prophet Micha dagegen malt uns eine gute Zukunft im Sinne Gottes vor Augen:

Sie werden ihre Schwerter zu Pflugscharen und ihre Spieße zu Sicheln machen. Es wird kein Volk wider das andere das Schwert erheben, und sie werden hinfort nicht mehr lernen, Krieg zu führen.

4 Ein jeder wird unter seinem Weinstock und Feigenbaum wohnen, und niemand wird sie schrecken. Micha 4,3b.4a

Gebet:

Lieber Vater im Himmel! Du siehst, wie die Fronten in der Ostukraine verhärtet sind. Laß die Sehnsucht nach einem ruhigen und guten Leben das Herz aller Parteien erfüllen, so dass sie danach suchen, was dem Leben dient. Lehre alle, dass Nachgeben zum Segen werden kann, dass das große Ziel des Friedens nicht mit Waffen zu erreichen ist, sondern nur dann, wenn sie zu Pflugscharen werden. Nimm dich der vielen Toten an, und stärke du die Hinterbliebenen. Herr, mache deine Verheißung wahr: Schenke diesem Land wieder solch eine Zeit, die du durch Micha verheißt, dass jeder unter seinem Weinstock sicher wohnen kann, und niemand sich schrecken muss. Amen.

III.

Heute erklangen schon dreimal die Sirenen, und dreimal musste unsere Familie in den Luftschutzraum. Wir in Israel haben ein gutes Raketenabwehrsystem. Aber wenn die Hamas soviele Raketen auf einmal schießt, da ist unsere Technik überlastet. Und so schlägt eben doch die ein oder andere Rakete aus dem Gazastreifen bei uns ein. Gott sei Dank bislang fast ohne Opfer.

Anders als dort, bei den Palästinensern. Unsere Armee hat angegriffen, will die Raketenabschussrampen vernichten. Ja, ich unterstütze den Einsatz: Wir müssen uns verteidigen.

Aber ich bin geschockt über die vielen zivilen Opfer: Öffentliche Gebäude und Wohnviertel hat unsere Armee in Gaza bombadiert, und sogar Schulen, weil sich dort angeblich die Terroristen aufhalten. Ärzte ohne Grenzen hat seine Krankentransporte gestoppt, weil es zu gefährlich ist. Viele Hunderte sind auf der Flucht, doch wohin? Der Gazastreifen ist zu klein, die Grenzen sind alle dicht.

Lässt sich unsere Verteidigung nicht zielgerichteter steuern? Ich weiß es nicht. Aber auch unsere Regierung hat Fehler gemacht: Vor ein paar Jahren, da lag das Friedensabkommen mit den Palästinensern unterschriftsreif auf dem Tisch. Eine Zweistaatenlösung. Doch unser Präsident hat nicht unterschrieben. Und dann haben unsere radikalen Siedler weiter gesiedelt, bis weit hinein ins palästinensische Territorium. Ich verstehe, dass das deren Zorn erregt. Und trotzdem muss man die Hamas stoppen. Denn die haben nichts zu verlieren.

Wer kann uns helfen, eine ordentliche Lösung für unsere beiden Völker im heiligen Land zu finden, eine Lösung, die für alle zukunftsfähig ist? Das kann doch nicht so schwer sein. Da kommen ja sogar mir schon viele Ideen, wie man das politisch gestalten könnte…

Ich weiß, dass es viele Menschen guten Willens gibt. Ich weiß aber auch, dass wir noch einen höheren haben: Gott hat uns seinen Schalom versprochen, seinen großen Frieden. Und er hat die Kraft, ihn aufzurichten. Darum bete ich täglich zu meinem Gott: Herr schenke unserem Land, dem Heiligen Land, Frieden.

Paulus fordert uns auf: „Laßt uns dem nachstreben, was zum Frieden dient!“. Römer 14,9

Und Gott verheißt seinem Land durch den Propheten Jesaja:

19 Ich will fröhlich sein über Jerusalem und mich freuen über mein Volk. Man soll in ihm nicht mehr hören die Stimme des Weinens noch die Stimme des Klagens.

20 Es sollen keine Kinder mehr da sein, die nur einige Tage leben, oder Alte, die ihre Jahre nicht erfüllen.

21 Sie werden Häuser bauen und bewohnen, sie werden Weinberge pflanzen und ihre Früchte essen.

25 Wolf und Schaf sollen beieinander weiden; der Löwe wird Stroh fressen wie das Rind, aber die Schlange muss Erde fressen. Sie werden weder Bosheit noch Schaden tun auf meinem ganzen heiligen Berge, spricht der HERR. Jes 65,19-21.25

Gebet:

Gott, Heilger Geist, erfülle die Herzen aller, die in der Hamas und in Israel Verantwortung tragen, mit der Sehnsucht nach Frieden. Hilf, dass die gerade ausgerufene Waffenruhe hält.  Laß alle die Waffen niederlegen und im Gespräch eine politische Lösung finden. Laß sie den Frieden leben, den du dem Heiligen Land verheißen hast. Erbarme dich aller, die Angst leiden, die flüchten mussten. Steh ihnen bei, hilf, dass sie möglichst bald wieder in ein geregeltes Leben zurückkehren können, oder sich ein solches neu aufbauen können. Herr, richte dein Friedensreich auf der ganzen Erde auf. Amen.

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