Gottesdienst am Ostersonntag - 10:00 Uhr

 


Predigt:

Pfarrer Jörg Mahler

"Auferstehung. Neues Leben"

Predigttext: Exodus 14, 8-14.19-23.28-30a; 15, 20-21 

Predigt

Gnade sei mit Euch und Friede von dem, der da ist, der da war und der da kommt, Christus, unserem Herrn. Amen.

Liebe Festgemeinde,

wir feiern Ostern, und unsere jüdischen Glaubensgeschwister feiern in diesen Tagen das Pessachfest. Alle paar Jahre kommt es vor, dass diese Termine auf das gleiche Datum fallen. Und das ist mehr als ein schönes Symbol für das Miteinander von Christen und Juden. Denn Passah und Ostern hängen eng zusammen. Das wird schon allein am Namen deutlich: Denn in etlichen Sprachen ist das Wort für Ostern mit Pessach bzw. Passah verwandt, z.B. im Russischen, wo Ostern Pascha heißt.

Woher die Verbindung? Ganz einfach: Jesus kam mit seinem Gefolge zum Passahfest nach Jerusalem. Er feierte das Passahmahl mit den Seinen, als er Brot und Wein eine neue Bedeutung verlieh und unser Abendmahl stiftete. Es war während des 8-tägigen Passahfests, als er gekreuzigt wurde und auferstand. Passah – das Fest der Befreiung des Volkes Israel aus der ägyptischen Sklaverei. Ostern – das Fest der Befreiung vom Tod. Beides Feste neuen Lebens. Von daher verwundert es nicht, dass unserem Osterfest als alttestamentlicher Predigttext für dieses Jahr ein Auszug aus der Passaherzählung zugeordnet wurde. Wir werden staunen, welche gemeinsamen Grund- und Glaubenserfahrungen diese jahrtausendalte Geschichte mit Ostern, aber auch mit uns heute verbindet. Vier solcher Verbindungslinien möchte ich ziehen. So hört nun den ersten Teil des Predigttextes für das Osterfest aus dem 2.Buch Mose:

1 . In großer Bedrängnis: „Sie fürchteten sich sehr und schrien zu dem HERRN“

8 Und der HERR verstockte das Herz des Pharao, des Königs von Ägypten, dass er den Israeliten nachjagte. Aber die Israeliten waren unter der Macht einer starken Hand ausgezogen. 9 Und die Ägypter jagten ihnen nach mit Rossen, Wagen und ihren Männern und mit dem ganzen Heer des Pharao und holten sie ein, als sie sich gelagert hatten am Meer bei Pi-Hahirot vor Baal-Zefon.
10 Und als der Pharao nahe herankam, hoben die Israeliten ihre Augen auf, und siehe, die Ägypter zogen hinter ihnen her. Und sie fürchteten sich sehr und schrien zu dem HERRN 11 und sprachen zu Mose: Waren nicht Gräber in Ägypten, dass du uns wegführen musstest, damit wir in der Wüste sterben? Warum hast du uns das angetan, dass du uns aus Ägypten geführt hast? 12 Haben wir's dir nicht schon in Ägypten gesagt: Lass uns in Ruhe, wir wollen den Ägyptern dienen? Es wäre besser für uns, den Ägyptern zu dienen, als in der Wüste zu sterben. 

Der Pharao jagt den Israeliten nach, will sie zurückholen nach Ägypten. Diese machen gerade Pause nach dem ersten langen Fußmarsch. Und plötzlich sind sie ganz nah: Rosse, Wagen, Männer, ein ganzes Heer. Von einem Moment auf den anderen große Angst: Sie fürchteten sich sehr und schrien zu dem HERRN. Todesangst, bedrängt von den Feinden.

Schrie nicht auch Jesus in seiner Not zu Gott? Dort am Kreuz? Die Feinde hatten es geschafft, ihn in Gewahrsam genommen, zum Tode verurteilen lassen. Am Kreuz hängend wird er verspottet. Verlassen von den Menschen. Verlassen von Gott.

In großer Bedrängnis und Not – auch wir kennen dieses Gefühl ab und an. Und bei manchem, da geht’s wie damals bei den Israeliten und bei Jesus um Tod und Leben.

Da ist ein junges Paar: Sie bekommen ihr erstes Kind. Doch dann kommt es plötzlich zu früh auf die Welt. Sie kämpfen zwei Monate um das Leben der winzigen Tochter, dann stirbt sie. Monate lang schließen sie sich in ihre Traurigkeit ein wie in eine dunklen Zelle, aus der es kein Entrinnen gibt. Schlimm.

Bedrängt von Todesangst – das sind nicht nur ältere Menschen. Bei den meisten Jugendlichen gibt es eine Phase, in der ihnen ihre Sterblichkeit ganz existentiell bewußt wird. Todesangst lässt sie nicht einschlafen, immer wieder aus dem Bett hochschrecken: Bin ich dann einfach nicht mehr da? Ist dann alles aus?

In Bedrängnis ist auch jener Familienvater, der seit Jahren keine richtige Arbeit mehr findet und sich nur von einem Minijob zum nächsten hangelt. Für die Miete und das tägliche Brot reicht es. Aber wie gerne möchte er wieder einmal auf ein Konzert, oder auf einen Wochenendtrip. Und v.a. die Kinder haben ihre Wünsche und Ansprüche, wollen mithalten mit Freundinnen und Freunden, und immer wieder muss er ihnen sagen: Es reicht nicht, es ist nicht möglich. Wie gerne möchte er ihnen ein Leben ermöglichen, wie es die anderen haben. Er hat ein schlechtes Gewissen ihnen gegenüber, fühlt sich schlecht, bedrängt von seiner Hilf- und Mittellosigkeit, vom abschätzenden Blick der anderen. Sein Selbstwertgefühl ist am Boden. Und wie schnell kann es sein, dass es mehr Leute werden, denen es wie ihm geht: Etliche verdienen gerade kaum etwas, da ihre Branche still steht. Andere bangen um ihren Job: Wird mein Unternehmen die Krise überleben? Bedrängnis.

2. „Der HERR wird für euch streiten“

13 Da sprach Mose zum Volk: Fürchtet euch nicht, steht fest und seht zu, was für ein Heil der HERR heute an euch tun wird. Denn wie ihr die Ägypter heute seht, werdet ihr sie niemals wiedersehen. 14 Der HERR wird für euch streiten, und ihr werdet stille sein.

Der Erzähler weiß: Israel ist aufgebrochen „unter der Macht einer starken Hand“. Mose erinnert die Menschen daran und macht ihnen Mut.

Und ist nicht auch Jesus als Gottessohn seinen Weg ans Kreuz gegangen, und damit unter der Macht einer starken Hand? Selbst im Sterben vertraut er sich dieser starken Hand an, wie es Lukas zu berichten weiß: „Vater, in deine Hände befehle ich meinen Geist“. Ob er sich an die Worte des Mose erinnert hat: „Seht zu, was für ein Heil der HERR heute an euch tun wird.“?

Auch wir brauchen in unseren Bedrängnissen so ein Wort: „Der HERR wird für Dich streiten“, und: „Fürchte dich nicht“, „steh fest“. Und tatsächlich gehen ja auch wir unseren Weg unter der Macht einer starken Hand!

Früher war der Ostersonntag der wichtigste Tauftermin im Kirchenjahr: Erwachsene und Kinder haben sich verbunden mit der Kraft des lebendigen Gottes. Gott mit euch auf eurer Lebensreise, und ihr mit Gott. Diese Zusage haben wir in der Taufe bekommen, wir gehen unseren Weg nicht allein. Und darum gilt für jeden von uns dieses: „Fürchte dich nicht, stehe fest“. Gott sagt es immer wieder, dieses „Fürchte dich nicht“: den Hirten auf dem Feld an Weihnachten genauso wie der trauernden Maria und den verängstigten Jüngern am Ostermorgen. Und heute sagt er es jedem von euch hinein in die Dinge, die euch belasten und bedrängen: Fürchte dich nicht! Stehe fest! Ich will für dich streiten!

3. Die Rettung: Sie „gingen trocken mitten durchs Meer“
19 Da erhob sich der Engel Gottes, der vor dem Heer Israels herzog, und stellte sich hinter sie. Und die Wolkensäule vor ihnen erhob sich und trat hinter sie 20 und kam zwischen das Heer der Ägypter und das Heer Israels. Und dort war die Wolke finster und hier erleuchtete sie die Nacht, und so kamen die Heere die ganze Nacht einander nicht näher. 

21 Als nun Mose seine Hand über das Meer reckte, ließ es der HERR zurückweichen durch einen starken Ostwind die ganze Nacht und machte das Meer trocken und die Wasser teilten sich. 22 Und die Israeliten gingen hinein mitten ins Meer auf dem Trockenen, und das Wasser war ihnen eine Mauer zur Rechten und zur Linken. 23 Und die Ägypter folgten und zogen hinein ihnen nach, alle Rosse des Pharao, seine Wagen und Männer, mitten ins Meer. 28 Und das Wasser kam wieder und bedeckte Wagen und Männer, das ganze Heer des Pharao, das ihnen nachgefolgt war ins Meer, sodass nicht einer von ihnen übrig blieb. 29 Aber die Israeliten gingen trocken mitten durchs Meer, und das Wasser war ihnen eine Mauer zur Rechten und zur Linken. 30 So errettete der HERR an jenem Tage Israel aus der Ägypter Hand.

Das ist eine Ostererfahrung, die das Volk Israel längst vor Ostern gemacht hat: Der Engel Gottes und eine Wolkensäule treten hinter die Israeliten und schirmen sie vor den Feinden ab. Im Licht Gottes gehen sie ihren Weg, während die Feinde vom Dunkel umhüllt sind. Und dann geschieht das nächste Wunder: Das Meer weicht auseinander, trockenen Fußes gehen die Israeliten hindurch. Als die Feinde folgen, brechen die Wassermassen über ihnen zusammen und vernichten sie. Grausam waren die Zeiten früher, aber für Israel bedeutete das: Rettung! Freiheit! Ein neues Leben für das ganze Volk!

An Ostern ist auch ein Feind untergegangen, der „letzte Feind“, wie ihn Paulus nennt: der Tod. Jesus hat sie gespürt, diese Macht der starken Hand Gottes. Gott hat ihn nicht im Tod gelassen, sondern auferweckt. Das Grab war leer. Und, das alleine längst noch kein Beweis für seine Auferstehung: Er ist seinen Jüngerinnen und Jüngern erschienen. Sie sind ihm wieder begegnet, haben Erfahrungen mit ihm gemacht, die ihnen die Gewissheit geschenkt haben: Der Herr ist wahrhaftig auferstanden. Diese Überzeugung, die ist historisch nachweisbar. Und auch wir selbst machen unsere Erfahrungen mit dem lebendigen Gott.

Auch wir erleben das: Mitten auf dem Meer und umgeben von Fluten bahnt Gott einen trockenen Weg zu neuem Leben. Ich erinnere an die Menschen in Bedrängnis und Not, von denen ich vorhin erzählt habe. Irgendwann sind sie doch aufgebrochen aus ihrer Gefangenschaft. „Keiner hat das ganz alleine geschafft. Es gab immer Menschen, wie diesen Mose, die ihnen einen Schubs gaben, die sie bei der Hand nahmen, die ihnen voran oder zur Seite gingen. In all diesen Geschichten gab es bei den ersten Schritten in die Freiheit auch die mühevollen Zeiten. Das Erschrecken und die Furcht vor der eigenen Courage. Den Wunsch, lieber wieder umzukehren in die alte Zeit. Es gab die dunklen Kräfte (>Streitwagen des Pharao), die ihnen folgten, die drohten, sie wieder zu erfassen. Irgendwie, manchmal auch unbemerkt und wenig spektakulär, kam der Durchzug durch das Meer der Tränen und der Traurigkeit. Die Erfahrung, dass man die Fesseln fallen lassen kann, dass neues Leben beginnt.“[1]

Das Paar, das das Baby verloren hatte, hat kurze Zeit später einen Sohn bekommen: Ihre verstorbene Tochter bleibt ein Teil von ihnen, sie trage sie im Herzen. Aber doch haben sie sich dem Leben wieder zugewendet. Und ich bin mir sicher: einmal werden sie mit ihrem Mädchen wieder vereint, das ihnen vorausgegangen ist in die neue Welt Gottes.

Ich wünsche auch den Menschen, die eine tiefe Angst vor dem Tod in sich tragen ähnliche Erfahrungen: dass sich die Gewissheit in ihren Herzen immer tiefer verwurzelt, dass sie unter der starken Hand Gottes durchs Leben gehen, dass sie nichts und niemand von Gott trennen kann, und dass der Tod auch für sie besiegt ist, dass Gott es durch den Tod hindurch auch mit ihnen gut mache wird. Die Angst wird hie und da noch aufblitzen, aber das Vertrauen auf Gott und die Auferstehung, die er auch uns schenkt, wird stärker und stärker. Ab und an darf ich es miterleben, wie jemand erfüllt von diesem Vertrauen ganz bewusst auf seinen letzten weg aufbricht – hin zu Gott.

Und jener Familienvater, knapp bei Kasse und ohne richtige Arbeit, hat es geschafft, seine innere Einstellung zu den Dingen zu verändern. Er sagt: „Es ist nicht alles ok, aber auch nicht alles ganz schlecht. Ich tu mein Bestes, dass meine Kinder ihren Weg gehen, tue alles für eine gute Ausbildung, und der Große studiert sogar. Ihnen wird’s mal besser gehen als mir, und ich gönne es ihnen von Herzen. Ich weiß nicht was die Zukunft bringen wird. Aber wir werden dabei sein und dabei sein.“. Und, liebe Gemeinde, zum Glück gibt es auch Menschen, die ab und an etwas für bedürftige Familien unterstützen, so dass die ein- oder andere besondere Freude möglich wird.

Auferstehung. Neues Leben. Mitten in der Bedrängnis. Mitten im Tod. Sich aufmachen auf diesen Weg.

4. Das Gotteslob

15, 20 Da nahm Mirjam, die Prophetin, Aarons Schwester, eine Pauke in ihre Hand und alle Frauen folgten ihr nach mit Pauken im Reigen. 21 Und Mirjam sang ihnen vor: Lasst uns dem HERRN singen, denn er hat eine herrliche Tat getan; Ross und Mann hat er ins Meer gestürzt.

Mirijam kann nicht anders: Sie singt Gott ihr Loblied für die Rettung, und die anderen Frauen singen mit, und sie schlagen die Pauke dazu.

Leider, leider dürfen wir heute nicht lauthals mitjubeln und wie sonst voller Inbrunst das „Christ ist erstanden, Halleluja“ mitsingen. Zumindest nicht im Gottesdienst. Aber zu Hause, da dürfen wir. Schlagen Sie doch zu Hause ihr Gesangbuch auf, singen sie alleine oder miteinander die Osterlieder. Denn ohne Jubel geht es nicht: Christ ist erstanden! Die Nacht ist vorbei! Der Tod ist besiegt! Halleluja! (EG 556) Was Gott an Ostern getan hat, das erfüllt uns mit Haut und Haar.

Und das will unsere ganze Haltung im Leben prägen, der Osterjubel will eine Grundstimmung in unser Leben hineinlegen. In der Osternacht und am frühen Ostermorgen symbolisiert das ein alter und schöner Brauch: Gläubige waschen ihre Augen mit dem Wasser aus dem Taufstein, in der Zuversicht, durch die „Osterbrille“ das Leben neu sehen zu können. So, wie die Israeliten ihre Vergangenheit und Zukunft nach dem Durchzug durch das Schilfmeer neu entdecken konnten. Und auch wir lernen Dinge anders sehen, manches verliert sein Gewicht, mache Bedrängnisse müssen uns nicht bis ins Tiefste erschüttern. Zuversicht ist es, die das Leben prägt, egal was kommen mag.

Also: Fürchtet euch nicht, steht fest und seht zu, was für ein Heil der HERR an euch tun wird.

Amen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als all unsere Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.

[1] Annette Mehlhorn. Quelle: file:///C:/Users/Pfarrer/Desktop/Entfesselt%20(5.4.2015).pdf