Für St. Johannis
und St. Marien
Andacht:
Pfarrer Jörg Mahler
"Migration und
gelungene Integration"
Ein herzlicher Gruß Ihnen allen, die Sie diese Andacht lesen.
Wir feiern den 3.Sonntag nach Epiphanias.
Der biblische Spruch für die beginnende Woche führt uns hinein in das Leitmotiv dieses Sonntags: Lk 13,29: Es werden kommen von Osten und von Westen, von Norden und von Süden, die zu Tisch sitzen werden im Reich Gottes.
Menschen von überall her, aus allen Nationen finden zu Gott, gehören dazu zu seiner Kirche. Eine große weltumspannende und starke Gemeinschaft. Auch eine der bekanntesten Frauen aus dem Alten Testament hat zum lebendigen Gott gefunden: Ruth. Von ihr hören wir im heutigen Predigttext.
Treten Sie nun ganz bewusst ein in die Gegenwart Gottes: des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.
Psalmgebet
Psalm 86,1-2.5-11
HERR, neige deine Ohren und erhöre mich; denn ich bin elend und arm.
Bewahre meine Seele, denn ich bin dir treu. Hilf du, mein Gott, deinem Knechte, der sich verlässt auf dich.
Denn du, Herr, bist gut und gnädig, von großer Güte allen, die dich anrufen.
Vernimm, HERR, mein Gebet und merke auf die Stimme meines Flehens!
In der Not rufe ich dich an; du wollest mich erhören!
Herr, es ist dir keiner gleich unter den Göttern, und niemand kann tun, was du tust.
Alle Völker, die du gemacht hast, werden kommen und vor dir anbeten, Herr, und deinen Namen ehren,
dass du so groß bist und Wunder tust und du allein Gott bist.
Weise mir, HERR, deinen Weg, dass ich wandle in deiner Wahrheit; erhalte mein Herz bei dem einen, dass ich deinen Namen fürchte.
Amen.
Predigttext: Ruth 1,1-19a
Zu der Zeit, als die Richter richteten, entstand eine Hungersnot im Lande. Und ein Mann von Bethlehem in Juda zog aus ins Land der Moabiter, um dort als Fremdling zu wohnen, mit seiner Frau und seinen beiden Söhnen. Der hieß Elimelech und seine Frau Noomi und seine beiden Söhne Machlon und Kiljon; die waren Efratiter aus Bethlehem in Juda. Und als sie ins Land der Moabiter gekommen waren, blieben sie dort. Und Elimelech, Noomis Mann, starb und sie blieb übrig mit ihren beiden Söhnen. Die nahmen moabitische Frauen; die eine hieß Orpa, die andere Ruth. Und als sie ungefähr zehn Jahre dort gewohnt hatten, starben auch die beiden, Machlon und Kiljon, sodass die Frau beide Söhne und ihren Mann überlebte. Da machte sie sich auf mit ihren beiden Schwiegertöchtern und zog aus dem Land der Moabiter wieder zurück; denn sie hatte erfahren im Moabiterland, dass der HERR sich seines Volkes angenommen und ihnen Brot gegeben hatte. Und sie ging aus von dem Ort, wo sie gewesen war, und ihre beiden Schwiegertöchter mit ihr. Und als sie unterwegs waren, um ins Land Juda zurückzukehren, sprach sie zu ihren beiden Schwiegertöchtern: Geht hin und kehrt um, eine jede ins Haus ihrer Mutter! Der HERR tue an euch Barmherzigkeit, wie ihr an den Toten und an mir getan habt. Der HERR gebe euch, dass ihr Ruhe findet, eine jede in ihres Mannes Hause! Und sie küsste sie. Da erhoben sie ihre Stimme und weinten 1und sprachen zu ihr: Wir wollen mit dir zu deinem Volk gehen. Aber Noomi sprach: Kehrt um, meine Töchter! Warum wollt ihr mit mir gehen? Wie kann ich noch einmal Kinder in meinem Schoße haben, die eure Männer werden könnten? Kehrt um, meine Töchter, und geht hin; denn ich bin nun zu alt, um wieder einen Mann zu nehmen. Und wenn ich dächte: Ich habe noch Hoffnung!, und diese Nacht einen Mann nehmen und Söhne gebären würde, wolltet ihr warten, bis sie groß würden? Wolltet ihr euch so lange einschließen und keinen Mann nehmen? Nicht doch, meine Töchter! Mein Los ist zu bitter für euch, denn des HERRN Hand ist gegen mich gewesen. Da erhoben sie ihre Stimme und weinten noch mehr. Und Orpa küsste ihre Schwiegermutter, Ruth aber blieb bei ihr. Sie aber sprach: Siehe, deine Schwägerin ist umgekehrt zu ihrem Volk und zu ihrem Gott; kehre auch du um, deiner Schwägerin nach. Ruth antwortete: Rede mir nicht ein, dass ich dich verlassen und von dir umkehren sollte. Wo du hingehst, da will ich auch hingehen; wo du bleibst, da bleibe ich auch. Dein Volk ist mein Volk, und dein Gott ist mein Gott. Wo du stirbst, da sterbe ich auch, da will ich auch begraben werden. Der HERR tue mir dies und das, nur der Tod wird mich und dich scheiden. Als sie nun sah, dass sie festen Sinnes war, mit ihr zu gehen, ließ sie ab, ihr zuzureden. So gingen die beiden miteinander, bis sie nach Bethlehem kamen.
Ansprache:
„Migration und gelungene Integration“. So könnte die Überschrift für den ersten Teil der Geschichte von Elimelech und Noomi lauten.
Beide stammen aus Bethlehem. „Ausgerechnet in der Stadt Bethlehem, deren Name übersetzt „Haus des Brotes“ heißt, gibt es nichts zu Essen. Um der Hungersnot zu entgehen, macht sich der Familienvater Elimelech mit seiner Frau und seinen beiden Söhnen auf den beschwerlichen Weg in das Land Moab.“
Um der Hungersnot, der Kriegsnot, dem Elend zu entgehen machen sich bis heute Menschen auf den Weg dorthin, wo ihrer Meinung nach die Chancen zum Überleben und Leben besser sind.
„Sie blieben dort“, heißt es. Wurden nicht abgeschoben, durften sich ansiedeln, bekamen eine Chance. Doch dann stirbt der Elimelech. Aber die Geschichte seiner Familie geht weiter: Die beiden Söhne heiraten moabitische Frauen. Die Familie findet in der Fremde eine neue Heimat; es folgen 10 glückliche Jahre.
Migration und gelungene Integration. Die Geschichte einer Familie. Und doch auch die Geschichte Gottes mit dieser Familie, der sie führt und leitet, und es gut werden lässt. So wie er auch dich führt und leitet, und es mit dir gut macht.
Aber dann sterben plötzlich – kurz aufeinander – auch die beiden jungen Männer und lassen ihre beiden Frauen und ihre Mutter mittellos zurück. Kinderlose Witwen hatten es im Alten Orient besonders schwer; für sie gab es keine soziale Absicherung.
Ähnlich harte Lebenssituationen gibt es bis heute.
Doch Gott, verkleidet im Gewand des Schicksals, beschert eine erneute Wende zum Guten, denn Noomi hatte gute Nachrichten aus ihrer Heimat gehört: Endlich hatte in Bethlehem der ersehnte Regen eingesetzt, war das Korn gewachsen und die Speicher wieder voll. Und Noomi trifft einen mutigen Entschluss. Nach über zehn Jahren in der Fremde, in der sie ihren Mann und ihre beiden Söhne hatte beerdigen müssen, entschließt sie sich in ihr Heimatland zurückzukehren.
Ja, die Heimat bleibt vielen tief im Herzen verwurzelt, egal wo das Leben sie hinverschlägt. Heimat ist Heimat. Zurück zu den Wurzeln. Für die Migrantin Noomi ist der Weg zurück möglich geworden.
Die jungen Schwiegertöchter und Witwen Orpa und Ruth wollen die alte Noomi nicht ihrem Schicksal überlassen, sondern für sie Verantwortung übernehmen. Noomi drängt die beiden jungen Frauen zur Umkehr, sie kann nicht für beide sorgen. Orpa lenkt endlich ein und folgt dem Ratschlag Noomis. Schweren Herzen tritt sie ihre Heimreise an und lässt Noomi und Ruth allein zurück. Es ist nur verständlich, dass sie nach dem Verlust ihres Mannes wieder die Obhut des Elternhauses sucht.
Ruth aber geht mit ihr mit. Und Ruth teilt ihrer Schwiegermutter diesen Entschluss mit jenen bekannten Worten mit, die so häufig von Brautpaaren als Trauspruch gewählt werden: „Wo du hingehst, da will ich auch hingehen; wo du bleibst, da bleibe ich auch. Dein Volk ist mein Volk, und dein Gott ist mein Gott. 17 Wo du stirbst, da sterbe ich auch, da will ich auch begraben werden. Der HERR tue mir dies und das, nur der Tod wird mich und dich scheiden.“
„Dein Gott ist mein Gott“, sagt Ruth. Ruth stammt aus Moab. Über die Familie ihres Mannes hat sie den Gott Israels kennengelernt. Und sie muss mit ihm gute Erfahrungen gemacht haben, erkannt haben, dass er die Seinen durchs Leben segensreich begleitet – sonst würde sie sich hier nicht zu ihm bekennen.
Durch wen hast Du Gott kennengelernt? Wer war es, der ihn dir nahe gebracht hat? Die Eltern? Die Großeltern? Die Paten? Ein Pfarrer? Ein Religionslehrer? Ein Freund? Dankbar kannst Du für diesen Menschen sein.
Und hast auch die bisher gute Erfahrungen mit ihm gemacht? Welche Segensgaben hat er dir geschenkt? Wo hat er Dich durch Schweres getragen? Wann hast Du ihn das letzte mal so richtig an deiner Seite gespürt?
Ruth geht den Weg in die Fremde im Vertrauen auf diesen Gott. Auch Du kannst ihm vertrauen, und in diesem Vertrauen deinen Weg weitergehen. Er wird dich in allen Herausforderungen behüten und bewahren, dich stärken und dir Frieden schenken.
Ruth hat einen Menschen an ihrer Seite, auf den sie sich verlassen kann, Noomi. Auf wen kannst Du Dich verlassen? Möge Gott dir einen Menschen schenken, der auch dir so nahe steht.
„Im Vertrauen auf Gott und mit einem lieben Menschen an der Seite in die Zukunft gehen“ – das wäre für mich die Überschrift für diesen zweiten Teil der Geschichte.
Menschen finden zu Gott. Menschen gehen mit ihm durch ihr Leben. Menschen vertrauen ihre Zukunft einander und ihm an. Beispiele dafür sind Noomi und Ruth.
Ruth bekennt sich zu ihm, und auch ich will mich heute zu ihm bekennen:
Ich glaube an Gott, den Ursprung von allem, was geschaffen ist, die Quelle des Lebens, aus der alles fließt, das Ziel der Schöpfung, die auf Erlösung hofft.
Ich glaube an Jesus Christus, den Gesandten der Liebe Gottes, von Maria geboren; ein Mensch, der Kinder segnete, Frauen und Männer bewegte, Leben heilte und Grenzen überwand; er wurde gekreuzigt; in seinem Tod hat Gott die Macht des Bösen gebrochen und uns zur Liebe befreit; er ist in unserer Mitte und ruft uns auf seinen Weg.
Ich glaube an Gottes Geist, Weisheit von Gott, die wirkt, wo sie will; sie gibt Kraft zur Versöhnung und schenkt Hoffnung, die auch der Tod nicht zerstört; in der Gemeinschaft der Glaubenden werden wir zu Schwestern und Brüdern, die nach Gerechtigkeit suchen.
Ich erwarte Gottes Reich.
Amen.
Gebet:
Gott und Vater aller Menschen. Auch jene hast du zur Gemeinschaft mit dir berufen, für die du einst fremd warst. Gib, dass das Evangelium allen Menschen gepredigt wird und alle Völker dir danken und dienen.
Du hast uns angesehen, Gott, und dich unser angenommen. Deine Liebe ist uns in Christus begegnet. Deine Fürsorge weckt in uns Verlangen nach einem Leben in dir. Öffne uns die Augen für alle, die mit uns auf dem Wege sind.
Wir bitten um Treue im Glauben, um einsatzbereite Liebe, um gelebte Zuversicht. Gewähre Christen überall die Freiheit zum Zeugnis. Gib jeder und jedem im Dienst der Kirche das Verlangen nach Einheit und den Sinn für Versöhnung.
Wir bitten um Frieden in der Welt, um Vertrauen zwischen den Völkern und Gruppen, um Geltung von Vernunft in der Politik, um Bereitschaft zum Verhandeln, um Achtung und Anerkennung der Verschiedenheit unter den Menschen.
Wir bitten um erfahrbare Barmherzigkeit, um Wohlwollen auch Fremden gegenüber, um Hilfsbereitschaft und Einfühlungsvermögen, um Einsicht in verborgene Not, um Verständnis für Schuldiggewordene.
Wir bitten für Not, die uns besonders bewegt; für Menschen, mit denen wir vor allem verbunden sind. Wir bitten im Vertrauen auf deinen Willen, Gott, der alle Welt zum Heil führt. Amen.