Abendgottesdienst - Kirche am Abend - 20. Sonntag nach Trinitatis

 

St. Johannis 
Kirche am Abend

Predigt:
Diakon Günter Neidhardt

"Im Labyrinth des Lebens"

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Liebe Gemeinde,

Vor einer Woche sind wir, also meine Frau und ich, aus unserem Sommerurlaub zurückgekommen. Wir waren, wie schon mehrmals davor, für 2 Wochen auf der Insel Kreta. Kreta wirbt für sich, wie natürlich viele andere Mittelmeerorte mit der Schönheit der Natur, das warme Wetter, mit historischen Stätten (Knossos). Die Insel ist bekannt und berühmt für die hohe Qualität des kretischen Olivenöls. Und da ist dann noch was, was kretisch ist, ein Alleinstellungsmerkmal sozusagen. Die Mythologie erzählt, dass eben dieses spezielle Labyrinth auf Kreta entstand. Auch heute noch legen Menschen dieses Labyrinth neu, meist aus Steinen und oft richtig groß und begehbar. (Bild)

Irgendwann fand dieses Labyrinth den Weg nach Mitteleuropa und wurde zu einem Sinnbild für unseren Lebensweg, auch unseren Lebensweg mit und zu Gott.

Sie kennen vielleicht das Labyrinth von Chartres, das im Original den Fußboden der Kathedrale von Chartres ziert. Die Pilger, die in dieses Labyrinth eintraten, mussten einen Weg von mehr als 200 Metern zurücklegen, um zum Zielpunkt in der Mitte zu gelangen.

Labyrinthe können Sinnbilder auch für unseren Lebensweg sein. Unser Leben, das oft so unübersichtlich ist. Orientierung die verloren geht. Das was gerade noch wie ein sicherer Weg aussieht kann bei der nächsten Wegbiegung in Orientierungslosigkeit umschlagen.   Wer sich ins Lebenslabyrinth hineinbegibt, wird Fragen stellen: Wo befinde ich mich jetzt? Auf welches Ziel will ich hinaus? Warum habe ich mich auf diesen Weg eingelassen? Wo sind die anderen Menschen im Labyrinth? Woher nehme ich die Kraft für den nächsten Schritt?

Labyrinthe machen uns manchmal Angst. Angst, sich auf dem Lebensweg zu verlaufen. Plötzlich scheinbar nur noch Sackgassen. Das gilt auch für das berühmte kretische Labyrinth und für das von Chartres.

Wir hören jetzt wieder Orgelmusik und ich lade sie ein, dabei in das kretische Labyrinth einzutreten. Gehen sie diesen Weg mit dem Finger, nehmen sie alle Kurven und Wendungen mit bis zu Ziel in der Mitte.

Liebe Schwestern und Brüder,

es ist euch sicher aufgefallen. In diesem Labyrinth kann man sich gar nicht verlaufen. Es gibt nur einen Weg, der zugegeben viele Wendungen nimmt. Mal ganz nahe an der Mitte und dann mit der nächsten Kurve wieder fast zurück zum Anfang. Ja, so kann immer wieder auch unser Leben beschrieben werden. Diese plötzlichen Wendungen. Und gilt ja auch für unseren Glauben und für unseren Kontakt zu Gott. Mal fühlen wir uns ihm so nah und dann ist er plötzlich der ferne Gott.

Und dann ist da noch was.

Beim kretischen Labyrinth ist es wichtig, zwischen der Binnenperspektive des Pilgers, also unserer Sicht im Labyrinth und der Vogelperspektive, also der Sicht von außen auf den ganzen Weg zu unterscheiden. Der Wanderer im Labyrinth kann nicht mehr tun, als einen Schritt vor den nächsten zu setzen. Sein Blick reicht nicht weiter als bis zur nächsten Biegung. Er sieht nicht das Ganze, nicht das Ziel. Sein Weg ist Einübung ins Vertrauen.

Wir dagegen, die wir das Labyrinth von oben sehen, machen eine ganz andere Erfahrung. Der Blick des Betrachters fällt sofort auf das Ziel, die Mitte. Wir behalten es immer im Auge, auch wenn wir versuchen, den Weg dorthin in Gedanken, oder mit dem Finger, abzuschreiten.

Genauso verhält es sich mit dem Weg meines Lebens und Gottes „Blick“ darauf. Ich bin der Pilger im Labyrinth. Einen Schritt setze ich vor den anderen, nicht wissend, was kommen wird. Das Ziel ist fern, ich sehe es nicht. Bei Gott aber ist das anders. Er sieht mich, den Wanderer im Labyrinth, gleichsam von oben. Er kennt meinen Standort, meinen Weg, mein Ziel. Er behält das Ganze meines Lebens im Blick und verliert mich nicht aus den Augen.

Das kretische Labyrinth ist hierin eine Ermutigung im Glauben. Mein Lebensweg mag reich sein an Kurven und Beschwernissen. Kraft und Mut mögen mich manches Mal verlassen. Das Ziel meines Weges aber ist gewiss, und ich kann es nicht verfehlen, es gibt keinen Irrweg der in den Abgrund führt.  Es ist Gott selbst. Er kommt uns entgegen mit ausgebreiteten Armen wie der gütige Vater im Gleichnis vom verlorenen Sohn.

 Lasten, die wir zu tragen haben, werden dadurch nicht von uns genommen. Auch Corana nicht. Aber die Schritte durch das Labyrinth des Lebens werden leichter, fester, gewinnen von Mal zu Mal an Zuversicht. Es geht weiter. Bis zum Ziel, bis zur Mitte. Verlaufen ausgeschlossen.

AMEN

Segen