Neujahrsgottesdienst in St. Johannis

 

Bildrechte beim Autor
Bildrechte beim Autor





St. Johannis
Dialogpredigt:
Pfarrer Jörg Mahler
Prädikant Frank Müller
"Ich will euch trösten, wie
einen seine Mutter tröstet"

 

Jahreslosung 2016

Bildrechte beim Autor

Frank: 
Grüß‘ Sie Gott, Herr Pfarrer.

Jörg:
Guten Tag. Schön, dass wir uns wiedermal über den Weg laufen. Ein gesegnetes neues Jahr 2016 wünsche Ihnen noch.

Frank:
Na Gott sei Dank ist des alte Jahr rum, Herr Pfarrer. War kein schönes Jahr. Hoff mer doch, dass es im Neuen Jahr besser wird. Sie wissen ja, dass meine Frau letztes Jahr gestorben ist. Sie ham sie ja beerdigt.

Jörg:
Ja, das war Anfang letzten Jahres. Bestimmt vermissen sie sie sehr. Wie geht’s Ihnen jetzt?

Frank:
Des is fei nix gscheits, plötzlich so allein zu sein. Die Kinder sind weiter fort und kommen auch sehr selten. Mer hat gar niemanden, und dann is dou ah noch der Schmerz, der nett weggeht. 

Jörg:
Das ist ja schade, dass die Kinder so selten kommen. Aber sie haben doch einen großen Bekanntenkreis, wenn ich mich recht erinnere, auch über den Verein. Das ersetzt zwar nicht die Familie, aber zumindest haben sie Kontakte.

Frank:
Die Freunde haben zuerst auch viel geholfen, immer gefracht, wie‘s mir geht, und ob ich noch oft an Helga denke. Hat mir gutgetan, zu wissen, dass Menschen da sind. Da ham mir die Leut auch zukhört, aber jetzt nach einem dreiviertel Joahr, da muss des mit der Trauer bei die Leut vorbei gsei. Aber des isses net.

Jörg:
Ja, das ist schwierig. Jeder hat eben sein eigenes Leben und seine eigenen Sorgen. Und viele wollen es auch nicht ansprechen oder drüber reden, weil sie selbst hilflos sind und nicht wissen, wie sie Ihnen helfen können.

Frank:
Und jetzt hab ich von jemandem die Koarten da mit der neuen Jahreslosung bekommen, wus hässt: „Ich will euch trösten, wie einen seine Mutter tröstet“. Des klingt ja ölles ganz gut, aber wenn ich des auf meine Situation übertrach, dann hülft des nett. Trösten? Wenn mer jemanden hat, dann is des einfach zu verstehn. Ouer wenn kenner dou is, dou sieht des doch ganz annerschter aus.

Jörg:
Ja, da haben sie Recht. Aber trotzdem glaube ich, dass auch der Glaube Kraft geben kann. Selbst wenn wir ganz alleine sind und niemanden mehr haben, dann ist immer noch Gott da. Er will uns das Gefühl geben: Du bist nicht allein. Genau darum geht es in der Jahreslosung.

Frank:
(Tiefer Seufzer) Des klingt scho schööh! Aber trotzdem bin ich so allein!

Jörg:
Erinnern sie sich noch, wie ihre Mutter sie getröstet hat?

Frank:
Ja, das war ein dolles Gefühl! Zu wissen, an sie kann ich mich hinwenden, wenn man Sorgen hat. Sie hat einen dann in den Arm genumma, auch wie ich schon erwachsen war und dann war schon wieder alles viel besser!

Jörg:
Gott will uns auch so trösten! Ich finde es schön, dass Gott hier einmal mit einer Mutter verglichen wird. Sonst heißt es ja immer Vater unser im Himmel. Aber Gott hat auch mütterliche Züge. Er ist zwar weder Mann noch Frau. Und auch wenn manch einer vielleicht keine Bilderbucheltern hatte: Jeder kann sich vorstellen, wie eine gute Mutter und ein guter Vater tröstet.

Frank:
Wenn ich da zurückdenke, wird mir scho warm ums Herz: Ja, meine Mutter war für mich da…

Jörg:
Genauso ist auch Gott da: Sie dürfen das Vertrauen haben, dass sie in seiner Hand sind. Seine Zusage, dass er bei uns ist, alle Tage, die gilt.

Frank:
Aber ich seh ihn doch nett: Meine Mutter, die konnte ich anfassen, spüren… Ich würde ja auch gerne so Gottes Nähe spürn, aber wie?

Jörg:
Für mich ist es das Gebet, das unheimlich hilft: Vor Gott kann ich alles aussprechen, was mir auf dem Herzen liegt. Ich kann alles so sagen, wie es sich anfühlt, ohne dass Gefühl zu haben: der, dem ich es erzähle, macht sich vielleicht lustig darüber oder erzählt es weiter. Nein, bei ihm ist alles in guten und sicheren Händen. Und allein dadurch, dass ich ihm das erzähle, was mir auf dem Herzen liegt, werde ich schon ruhiger. Geteiltes Leid ist halbes Leid, sagt man ja auch.

Frank:
Ja, des kenn ich. Wenn ich Abends kurz bete, dann schlaf ich scho viel ruhiger ein.

Jörg:
Und dann natürlich muss ich auch versuchen, Gottes Spuren im Leben wahrzunehmen. So unsichtbar ist er nämlich gar nicht, wie die meisten meinen. Ich muss nur genau hinschauen, dann merke ich schon: Er ist da! Wenn etwas unverhofft gelingt, das Lächeln oder gute Wort eines Mitmenschen, eine dankbare Erinnerung…. – darin überall kann ich Gottes Nähe sehen. Oder im Gottesdienst: Da höre ich wunderbare Musik und singe mit, da ist der Kirchenraum mit seiner Bildsprache, den ich genieße, und ich bekomme auch den ein oder anderen Impuls.

Frank:
Herr Pfarrer, sie ham gsacht, des mit den Spuren Gottes, die ich nur richtig lesen muss. Manchmal getts mir scho so, da hab ich plötzlich eine neue Idee, oder mir fällt plötzlich die Lösung für ein Problem ein. Ist des vielleicht auch so was, wu der Himmel mitspielt?

Jörg:
Ich glaube daran, dass es so ist! Da vertraue ich auch voll auf Gott und Jesus unser Licht der Welt! Wollen Sie nicht heute Abend in den Neujahrsgottesdienst kommen?

Frank:
Ich weiß noch nett! Des überlege ich mir noch!

Jörg:
Da geht es nämlich um die Jahreslosung, und um die Karte, die sie da haben. Ich finde diese Karte sehr schön, denn sie macht die neue Jahreslosung in einem Bild anschaulich.

Sehen Sie hier das große rote Herz? Das steht für unsere Gefühle und unsere Liebe zu den Menschen, die uns wichtig sind. Aber es steht auch für Jesus Christus, in dem ja die Liebe Gottes Mensch geworden ist.
Was ich originell finde, das ist das Pflaster auf dem Herz. So ein Pflaster zeigt einmal, dass es da eine Verletzung gibt. Gleichzeitig hilft ein Pflaster zum Heilen.

Es kommt in unseren Herzen zu Verletzungen, das bleibt nicht aus. Aber dann gibt’s auch Pflaster, die unsere Verletzungen wieder Stück für Stück heilen: Erfahrungen, Menschen, Gottes Wirken.

Und haben Sie es gemerkt? Das Pflaster ist da auf dem Herz in Kreuzform geklebt: Mit dem Kreuz ist das genauso wie mit dem Pflaster. Das Kreuz weist uns auch auf eine Verletzung hin, aufs Leiden: Jesus hatte damals auch einen sehr schmerzhaften Weg zu gehen. Was aber heißt, dass er auch unser Leiden, unsere Verletzungen kennt, weil er sie am eigenen Leib erfahren hat.

Und gleichzeitig ist das Kreuz nicht nur ein Zeichen für Verletzungen, sondern auch ein Zeichen der Hoffnung. Denn Jesus ist für uns gestorben, er will unsere Wunden heilen. Und Jesus hat das Leid überwunden, er ist von Gott auferweckt worden. Er macht auf unser verletztes Herz mit dem Kreuz sein Pflaster drauf. Ich will euch trösten wie einen seine Mutter tröstet – Solche Zusagen hat Gott uns immer wieder gegeben, weil er uns Menschen liebt. Und Gott steht zu seinen Zusagen. Auch für Sie ganz persönlich gilt diese Jahrslosung 2016: Ich will dich trösten, wie einen seine Mutter tröstet.

Frank:
Des hab ich so noch gar nicht gsehen! Mein Herz is scho sehr verletzt. Die Trauer und der Schmerz fressen mich manchmal fast auf! Herr Pfarrer, ich hoffe, dass des Pflaster aah auf mei Herz kommt.

Jörg:
Das wünsche ich Ihnen auch und werde für Sie beten!  - -Ich möchte nochmal auf ihre Familie zurückkommen, ihre Kinder und Enkel sind mir ja noch von der Beerdigung vor einem Jahr in Erinnerung. Wie oft kommen denn die Kinder eigentlich?

Frank:
Der eine Sohn zweimal im Jahr, der wohnt ja auch in Kiel. Die Tochter kommt so alle zwei Monate mal für ein verlängertes Wochenende, und bringt die Enkel mit. Da ist immer was los. Des is schön. Und mei Tochter, die ruft jeden zweiten Touch aah und fräicht, wie es mir geht.

Jörg:
Da haben sie ja doch regelmäßiger Kontakt. Das kommt ihnen natürlich wenig vor, weil sie den ganzen Tag allein zu Hause sind. Aber dass ihre Tochter jeden 2.Tag anruft finde ich toll. Gehen sie noch groß raus und pflegen ihre anderen Kontakte?

Frank:
Wenn ich… Im Verein war ich schon lang nimmer, des letzte mal zum Sommerfest.

Jörg:
Gemeinschaft mit anderen Menschen tut Ihnen gut, das haben sie vorher selbst so ähnlich gesagt. Das ist einer der Wege, durch die Gott tröstet: durch Menschen, die er uns schickt. Damals hat Ihnen ihre Familie gutgetan, und die Freunde und Bekannten. Gehen sie doch mal wieder in den Verein. Und sie sind ja jetzt Rentner: Wenn sie sich zu Hause so allein fühlen, dann kommen sie doch einfach mal öfter bei uns im Gemeindezentrum vorbei. Dienstags und Donnerstags am Vormittag, da haben wir unser Cafe „Verschnaufpause“ und zweimal monatlich ist die Suppenküche. Da kommen lauter nette Leute, von denen es manchen ähnlich geht: Ihnen tut einfach das Zusammensein mit anderen gut. Traun sie sich!

Frank:
Des Gspräch mit Ihna hott mer wärklich gud gedahn., Herr Pfarrer! So, jetzt muss ich aber weiter, muss noch wos erledich! Ich glaub, ich komm heut zum Gottesdienst! Auf Wiedersehn, Herr Pfarrer!

Jörg:
Machen Sie es gut!

nach oben