Gottesdienste zum Michaelisfest mit Pfarrer Jörg Mahler, Sabine und Markus Günzel am Sonntag, 28. September 2014

 
Bildrechte beim Autor
Curanum,  St. Johannis
Predigt:
Pfarrer Jörg Mahler
"Die vier Erzengel"

Liebe Gemeinde!

In unserer St. Johanniskirche finden sich viele Engel. Engelsdarstellungen entsprachen dem Zeitgeschmack in der ausgehenden Renaissance und dem beginnenden Barock, als Johann Casimir unsere Kirche so engelsreich ausstatten ließ. Engel stehen freudig hier über mir auf der Kanzel, Engel führen unsere Orgelempore fort und machen hier oben an der Wand fröhlich Musik. Und v.a. unsere Decke zieren zahlreiche Engelsdarstellungen. Vier dieser Engel sind mit besonderen Attributen gekennzeichnet, die erkennen lassen, um welchen Engel es sich handelt. Bei manch einem von ihnen war schnell klar, wer es sein muss. Bei anderen musste ich länger recherchieren. Und so möchte ich ihnen heute vier Engel von St. Johannis vorstellen, die vier, die der Künstler durch die Attribute erkannt wissen wollte.

Bildrechte beim Autor

Gabriel - der Verkünder

Und ich beginne mit dem wohl bekanntesten Engel: Gabriel. Gabriel, das ist der junge Mann mit dem Lilienstängel in der Hand. Jeder von uns wird ihn aus der Weihnachtsgeschichte kennen: Er spricht zu Maria die berühmten Worte, mit denen unsere Weihnachtsgeschichte beginnt, und die wir beim Evangelisten Lukas nachlesen können:

„Siehe, du wirst schwanger werden und einen Sohn gebären, und du sollst ihm den Namen Jesus geben.

Der wird groß sein und Sohn des Höchsten genannt werden; und Gott der Herr wird ihm den Thron seines Vaters David geben,

und er wird König sein über das Haus Jakob in Ewigkeit, und sein Reich wird kein Ende haben.“.

Da sprach Maria zu dem Engel: „Wie soll das zugehen, da ich doch von keinem Mann weiß?“.

Der Engel antwortete und sprach zu ihr: „Der Heilige Geist wird über dich kommen, und die Kraft des Höchsten wird dich überschatten; darum wird auch das Heilige, das geboren wird, Gottes Sohn genannt werden.“.

Der Lilienstängel in der Hand Gabriels  ist ein Symbol der Unschuld: Maria war Jungfrau, und wird den Gottessohn vom Heiligen Geist empfangen und auf die Welt bringen.

Gabriel kündigt in der Bibel noch eine Geburt an, nämlich die des Täufers Johannes, der sich übrigens auch hier unter mir an der Kanzel befindet mit seinem Kamelhaarmantel.

Gabriel ist also der Verkünder unter den Engeln. Er trägt die Worte Gottes weiter.

Hat Gott auch ein Wort für uns, für dich und mich? Ich bin der Überzeugung, dass er auch zu uns immer wieder in Kontakt tritt oder treten will. Nicht unbedingt so, dass uns ein himmlisches Wesen erscheint wie der Maria oder dem Zacharias, dem Vater des Johannes. Gott tritt mit uns in Kontakt: Durch sein Wort in der Bibel. Durch einen Gedanken oder Traum, den er uns schickt. Durch das, was uns ein anderer Mensch uns sagt. Wenn Menschen Gott nicht hören, liegt es nicht immer daran, dass er nicht spricht, sondern auch oft daran, dass wir selbst zu laut sind, dass wir nicht feinfühlig genug sind, um ihn wahrzunehmen. Gabriel, der Verkündigungsengel mit seinem Lilienstängel ermuntert mich heute Abend, wieder genauer hinzuhören auf das, was Gott mir ganz persönlich sagen will.

Bildrechte beim Autor


Raphael

Raphael ist erkennbar an seinem langen Wanderstab. Er ist der Schutzengel der Pilger und Wanderer. Von ihm erzählt das Buch Tobit:

Rafael wird, ohne dass er als Engel zu erkennen wäre, zum Begleiter des jungen Tobias auf dessen gefahrvollem Weg nach Medien, wo er von seinem Vater hinterlegtes Geld holen soll. Als Tobias am Fluss Tigris von einem Fisch verschlungen zu werden droht, warnt ihn der Engel. Und er zeigt sich kundig in den heilenden Kräften von Herz, Leber und Galle des Fisches. Mit diesen Mitteln kann Tobit von seiner Blindheit geheilt werden. Raphael heilt, mit seiner Hilfe kann das hinterlegte Geld geholt werden, und er macht die Hochzeit  des Tobias mit Sara trotz aller Widerstände möglich. Wenn heute Kinder an Engel denken, dann stellen sie sich meistens einen Schutzengel vor. In Raphael, so könnte man sagen, zeigt sich so ein Schutzengel: In ihm zeigt sich die begleitende, schützende und heilende Macht Gottes. Gott ist der, der heilt und hilft. In dieser Geschichte durch Raphael. Interessant ist, dass Tobias erst ganz am Ende erfährt, dass ein Begleiter Raphael ein Engel ist. Er ist nämlich für menschliche Augen als Engel bei alledem, was er tut, nicht erkennbar. Auch uns begleitet, schützt und heilt Gott. Vielleicht nicht durch Raphael, aber durch andere Menschen, die für uns zu Engeln werden, Ärzte und Pflegerinnen, Freunde, Familienangehörige. DennEngel müssen wie Raphael in der Geschichte nicht immer Männer mit Flügeln sein. Wir können einander zu Engeln werden. Und oft, da wirkt Gott natürlich ganz direkt mit seiner Kraft aus der Höhe. Raphael, der Engel mit dem langen Wanderstab, er schenkt mir neu die Gewissheit: Gott ist mit mir unterwegs auf meinen Lebensweg. Er weidet mich, wie es im 23.Psalm heißt, auf einer grünen Aue, sein Stecken und Stab, mit denen er mich recht leitet, trösten mich.

Bildrechte beim Autor


Uriel

Als dritter Engel befindet sich Uriel an unserer Kirchendecke, erkennbar an seinem Schwert. Die 66 kanonischen Bücher der Bibel berichten nicht von ihm, dafür aber einige biblische Apokryphen und andere jüdische und frühchristliche Schriften. Uriel ist der, der nach damaligen Vorstellungen die verstorbenen Seelen zum Jüngsten Gericht führt, das dann stattfindet, wenn Jesus Christus zum Gericht wieder erscheint. Und Uriel soll das Paradiestor bewachen. Deshalb trägt er wohl das Schwert als Attribut, ein Zeichen des Gerichts und des Wächters. Uriel erinnert uns daran, dass wir alle uns einmal vor Gott verantworten müssen, dass es eben nicht egal ist, wie wir hier leben. Wenn uns das bewusst wird, führt uns das dazu, dass wir unser eigenes Leben anschauen und erkennen, was zwischen uns und anderen steht und auch zwischen uns und Gott. Und dass wir um Verzeihung bitten und unsere Schuld auch bei Gott ablegen.

Sein Name, Uriel, läßt sich übersetzen mit „Gott ist mein Licht“. Ein Leben im Licht, das ist der Wunsch von vielen von uns. Ein Leben, in dem wir gerecht behandelt und wertgeschätzt werden. Ein Leben, in dem uns niemand einengt. Was ich mir für mich wünsche, das kann ich auch selbst für andere leben. Gottes Gebote wollen so ein Leben ermöglichen. Wo Menschen sich an ihnen orientieren, da entsteht eine Atmosphäre des Lichts, weil Liebe der Maßstab ist, mit dem miteinander umgegangen wird. Uriel, Gott ist mein Licht. Ich will mich immer wieder neu an dem Licht Gottes ausrichten. Die Liebe soll der Maßstab für all mein Tun sein.

Bildrechte beim Autor


Michael

Ein Engel ist uns noch übriggeblieben. Es ist der mit dem goldenen Zepter in der Hand. Lange habe ich überlegt: Wer könnte er wohl sein? Im Internet stieß ich auf ein altes byzantinisches Bleisiegel[1] aus dem 12.Jhd., und das brachte mich auf die Spur: Dort ist auch ein Engel mit Zepter zu sehen, und es hieß: Das sei Michael. Aber warum trägt er ein Zepter? Normalerweise wird er entweder mit einer Lanze dargestellt, weil er nach der Offenbarung des Johannes das Engelheer im apokalyptischen Endkampf gegen den Drachen zum Sieg führt. Oder man stellt ihn mit einer großen Waage dar. Nach dem mittelalterlichen Volksglauben verfügt Michael über ein Verzeichnis der Taten jedes Menschen und wiegt die Seelen im Gericht wiegt.

Eine Waage ja, eine Lanze ja, aber ein goldenes Zepter? Schließlich schlug ich meine Bibel auf, und wurde im Buch Daniel im Alten Testament fündig (Dan 10,13). Dort erzählt ein unbekannter Engel, dass er durch Michael Hilfe erfahren habe, den er als „einen unter den ersten Fürsten / Engelfürsten“ tituliert. Michael ist also ein Fürst, und nun ist es klar: Das Goldene Zepter ist das Zeichen der großen Macht dieses Engelsfürsten. Michael ist der im Danielbuch, der für das Gottesvolk kämpft, der sich für das Volk einsetzt. Deswegen wurde er vielleicht im Mittelalter auch der Schutzheilige Deutschlands, und nicht nur viele Kirchen wurden nach ihm benannt, sondern auch der 29.September als Gedenktag für die Engel, Michaelis.

Michael, der, der für das Volk Gottes eintritt und kämpft. Lasse ich Gott für mich kämpfen? Vertraue ich in den Herausforderungen, die mich treffen, auf meine eigene Macht, oder vertraue ich mich Gott an? Traue ich ihm zu, dass er mich durch die Not führt? Waage ich es zu sprechen: „Herr, ich kann nicht mehr! Die Last drückt mich nieder, auch mit dir habe ich schon gehadert. Aber ich weiß, dass Du stärker bist als die Mächte der Finsternis. Herr, kämpfe du für mich! Laß das Leben und das Gute siegen, auch bei mir! Dir vertraue ich mich an!“. Michael führt mich heute dazu, wieder so zu beten, mich mit meinen Herausforderungen Gott anzuvertrauen.

Liebe Gemeinde,

ich komme zum Ende. Vier Engel haben wir näher kennengelernt: Gabriel, den Verkünder, Uriel, der die Menschen zum Gericht Gottes geleitet, Raphael, den Begleiter auf allen Wegen und zuletzt Michael, den Kämpfer für das Volk Gottes. Diese vier sind der Tradition nach die sogenannten Erzengel, die obersten unter den Engeln.[2] Alle vier sehen jeden Sonntag beim Gottesdienst auf uns herab. Wenn wir ab und an auch einmal zu ihnen nach oben sehen, dann kann es passieren, dass sie mit ihren Symbolen plötzlich anfangen zu uns zu sprechen, uns eine Botschaft, ein Gotteswort, einen Impuls für unser Leben mitzugeben. Und wenn das geschieht, dann haben die Engel ihren Zweck erfüllt, denn das Wort Engel heißt übersetzt nichts anderes als „Bote Gottes“. Amen.