Gottesdienst in St. Johannis und im Curanum - 28.08.2016

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Curanum, St. Johannis:

Predigt:
Pfarrer Jörg Mahler

"Friedensgebt 
für die Welt"

 

Predigttext: Micha 4,1-4:
 
In den letzten Tagen aber wird der Berg, darauf des HERRN Haus ist, fest stehen, höher als alle Berge und über die Hügel erhaben. Und die Völker werden herzulaufen, und viele Heiden werden hingehen und sagen: Kommt, lasst uns hinauf zum Berge des HERRN gehen und zum Hause des Gottes Jakobs, dass er uns lehre seine Wege und wir in seinen Pfaden wandeln! Denn von Zion wird Weisung ausgehen und des HERRN Wort von Jerusalem. Er wird unter großen Völkern richten und viele Heiden zurechtweisen in fernen Landen. Sie werden ihre Schwerter zu Pflugscharen und ihre Spieße zu Sicheln machen. Es wird kein Volk wider das andere das Schwert erheben, und sie werden hinfort nicht mehr lernen, Krieg zu führen. Ein jeder wird unter seinem Weinstock und Feigenbaum wohnen, und niemand wird sie schrecken. Denn der Mund des HERRN Zebaoth hat's geredet. 

Predigt: 

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus, und der Friede Gottes, und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit Euch allen. Amen. 

I. Kriege und bewaffnete Konflikte 

Liebe Gemeinde, 

Amokläufe in München, Würzburg und Ansbach durch psychisch labile Täter mit einer mehr oder weniger intensiven Verbindung zum IS – diese Nachrichten haben uns vor einigen Wochen erschüttert und einen Teil der gewalttätigen Konflikte in der Welt auch bei uns sichtbar werden lassen. Fast jede Nachrichtensendung berichtet von neuen Anschlägen oder kriegerischen Auseinandesetzungen in Ländern, die einmal weit weg waren, aber uns durch die Berichterstattungen sehr nahe gekommen sind. Und doch ist das, was uns die Medien präsentieren, nur ein Ausschnitt all der bewaffneten Konflikte und Kriege, die es auf der Welt gibt. Manche Schlachtfelder, auf denen bis heute Menschen sterben, haben wir längst vergessen, von anderen vielleicht noch nie gehört. Diese Liste hier habe ich aus dem Internet von der Informationsplattform Wikipedia. Es ist eine aktuelle Liste mit allen Kriegen und bewaffneten Konflikten, die es jetzt gerade gibt, mit Angaben der absoluten Opferzahlen und denen im vergangenen Jahr. Diese Liste zu lesen ist erschütternd und zeigt, dass es auf 5 von 7 Kontinenten solche bewaffneten Konflikte gibt – außer in Australien und der Antarktis. 2014 sind weltweit 164.000 - 220.000 Menschen direkt an Kampfhandlungen gestorben, so viele wie seit 26 Jahren nicht mehr. 2015 starben in Konfliktgebieten mindestens 167.000 Menschen. Über 5 der 7,3 Mrd. Menschen leben in Staaten in denen es bewaffnete Konflikte gibt. Da können wir wirklich nur sagen: Gott sei Dank, dass wir hier seit 71 Jahren im Frieden leben. 

Mit dem Behindertenclub unserer Gemeinde haben wir im Juli einen Ausflug nach Meeder ins Friedensmuseum gemacht. Im Vorraum saßen wir im Halbkreis beisammen, und an der Wand hing ein großes Plakat mit fett gedruckten Fragen. Diese Fragen haben wir miteinander diskutiert. 

Die erste Frage lautete: Warum gibt es immer wieder Krieg? Gemeinsam trugen wir eine Menge an Antworten zusammen: Auslöser sind oft Streit, Machtstreben und wirtschaftliche Interessen, aber auch Kränkungen, ein Minderwertigkeitsgefühl eines Anführers oder einer Partei, religiöse Streitpunkte oder ein anderes Konzept, wie eine Gesellschaft auszusehen hat. 

Die zweite Frage lautete: Wer profitiert vom Krieg? Unsere Teilnehmer hatten sofort zwei Antworten parat: hauptsächlich nur die Industrie und ein paar einzelne Anführer. 

Dazu die dritte Frage: Wem schadet Krieg? Meist nicht denen, die ihn anzetteln, weil selbst dann, wenn sie verlieren, kommen sie irgendwie davon. Nein, die einfachen Menschen sind es, deren Häuser zerschossen und Lebensgrundlagen vernichtet werden. Die einfachen Menschen, die nicht gefragt werden, ob sie den Krieg überhaupt wollen, die jungen Männer z.B. in der Ukraine, die zur Wehrpflicht an die Front gerufen werden und nicht wissen, ob und wie sie zurückkommen, oder in Afrika, wo sie entführt und erpresst werden, um für ein Söldnerheer zu kämpfen. 

Als Kirche haben wir die Aufgabe, einander im Leben und Glauben zu stärken. Gleichzeitig dürfen wir aber auch die Augen vor diesen Nöten in der Welt nicht verschließen. Denn die Bibel bietet zu Kriegen und bewaffneten Konflikten nicht nur ein Kontrastprogramm. Vielmehr sind wir als Christinnen und Christen auch aufgefordert, für dieses Kontrastprogramm einzutreten. 

II. Ein Kontrastprogramm 

Ja, auch die Bibel kennt im Alten Testament Krieg und Tod. Ich erinnere nur an den König David, der mit militärischer Gewalt sein Herrschaftsgebiet ausgedehnt hat. Aber entscheidend ist, wie die Gewalt von Jesus Christus her bewertet wird. Jesus benutzt sehr oft ein Wort, das wie ein Leitwort das ganze Alte und neue Testament durchzieht: SCHALOM, FRIEDE. Friede kommt in verschiedenen Wortformen in der Bibel insgesamt 266 mal vor. 

III. Friede in uns 

Jesus spricht diesen Frieden sehr oft den Menschen zu, die mit ihm zu tun haben: „Schalom! Friede sei mit Dir!“. Jesu Worte haben Kraft, so wie es auch bei uns ab und an vorkommt, dass uns Worte durch und durchgehen, die uns jemand zuspricht, ein Lob, einen Dank, ein Kompliment. Worte, die eine Energie in sich tragen. Ich kann mir gut vorstellen, dass die Menschen damals gespürt haben, dass sie durch Jesu Friedensgruß in einen Friedensraum hineingestellt worden sind: Schalom! Friede sei mit Dir! 

Eine große Krankheit unserer Zeit ist der Unfriede, den Menschen in sich tragen: Unzufriedenheit, Enttäuschung, Mehr- oder Anderes wollen, Probleme, die auf die Psyche schlagen. Ist es dieser innere Unfriede, der in Wahrheit hinter so vielen Konflikten und Kriegen steht? Jesu Anliegen war es, den Menschen diesen inneren Frieden zu schenken, Frieden mit sich selbst und Gott. Ein innerer Friede, der Demütigungen ertragen kann, der sich in Demut und Geduld zeigt. Wer diesen inneren Frieden hat, der beginnt keinen Krieg. Schalom, Friede sei mit Dir! Der Friede in uns Menschen ist die Voraussetzung für den großen Frieden in der Welt. Jesus führt uns zu diesem inneren Frieden. Wer diesen inneren Frieden hat, der lebt ihn dann auch - in den Beziehungen, in denen er steht, und den Menschen gegenüber, mit denen er zu tun hat. 

IV. Frieden stiften 

Jesus geht noch einen Schritt weiter. Er preist diejenigen glücklich, die sich aktiv für Frieden einsetzen: „Selig sind, die Frieden stiften, denn sie werden Gottes Kinder heißen“ 

(Matthäus 5). Gott sei Dank gibt es diese Menschen immer wieder. Menschen, die sich dafür starkmachen, dass aus Schwertern Pflugscharen werden. Dieses Bild, das der Prophet Micha verwendet, dessen Worte wir vorhin in der Lesung gehört haben, wurde zum Leitbild der Friedensbewegung: Schwerter zu Pflugscharen. Statt die Kraft und das Leben im Krieg zu vergeuden den Acker bebauen und bewahren, in Frieden auf seiner Scholle leben. Auch CantiCo wird uns dann noch davon singen mit dem Lied „Schmiedet die Schwerter“. 

Das Friedensmuseum in Meeder geht zurück auf die großen Friedensfeste, die Herzog Friedrich Wilhelm II ab 1650 jährlich feiern ließ, um an den Westfälischen Frieden am Ende des 30-jährigen Kriegs zu erinnern. 

Immer wieder ist es in der Vergangenheit gelungen, Frieden zu stiften, immer wieder bemühen sich die Vereinten Nationen, der Papst, die kleinen Beamten der großen und mächtigen Staaten um Lösungen, die möglichst allen gerecht werden. Neben vielen Mißerfolgen haben sie aber auch immer wieder Erfolg. 

Die vierte Frage an der Wand im Friedensmuseum in Meeder lautet: Wie entsteht Frieden? Wir haben herausgefunden, dass es wichtig ist, sich auch in die jeweils andere Konfliktpartei hineinzuversetzen, mit den betroffenen Menschen auf beiden Seiten mitzufühlen, und statt einen maximalen Gewinn anzustreben bereit für einen Kompromiss zu werden. Das gilt auch für unsere kleinen Konflikte in der Familie, im Beruf oder im Freundeskreis. Wir Menschen machen einen endscheidenden Fortschritt, wenn wir den Blick von außen nach innen zur existentiellen Betroffenheit lenken. Auf dieser Spur beginnen wir, ein Stück der Probleme von uns selbst und der Welt zu lösen. Diesen Schritt zu gehen wünschen wir vor allem denen, die auf der ein oder anderen Seite eines bewaffneten Konflikts beteiligt sind. Und wir beten dafür. 

V. Die Kraft des Gebets 

Damit stehen wir in der Tradition der Friedensgebete. 

Der Kritiker in uns mag nun laut oder leise fragen: Frieden aktiv stiften: Ja, das bringt was. Aber das Gebet für den Frieden? 

Ich antworte diesem Kritiker in uns mit zwei Bibelstellen und einem Beispiel: Die Beter des 46.Psalms hatten ihre eigenen Erlebnisse mit Gott und bekennen: „Gott ist unsre Zuversicht und Stärke, eine Hilfe in den großen Nöten, die uns getroffen haben. Darum fürchten wir uns nicht, wenngleich die Welt unterginge. (Ps 46, 2-3a, Spruch zum Friedensgottesdienst) 

Hier bezeugen Menschen, dass Gott Zuversicht schenkt und Kraft gibt, und dass es nie vergeblich ist, sich an ihn zu wenden, gerade auch in der größten Not. 

Und Jesus erzählt einmal das Gleichnis vom bittenden Freund, der mitten in der Nacht bei seinem Freund anklopft, weil er für seine Gäste noch etwas Brot braucht: Wenn sein Bitten schon nicht deswegen erhört wird, weil er ein guter Freund ist, dann deswegen, weil er mitten in der Nacht unaufhörlich an die Türe klopft. 

Wenn wir für Frieden beten, wenn wir das immer wieder tun, und nicht nur wir, sondern viele, unzählige, dann ist das genau so wie jenes nächtliche Dauerklopfen, dem Jesus Erfolg verspricht. Gerade in der größten Not bittet Jesus seine Jünger zu wachen und zu beten. 

Und tatsächlich hat das ja schon nicht nur einmal geklappt. „Beim Rückblick auf die Ereignisse der Wende 1989 in der ehemaligen DDR fällt auf, dass die politische Führung am allerwenigsten mit Lichtern (und Friedensgebeten) in Kirchen und auf öffentlichen Plätzen gerechnet hatte. Lichterreihen stecken an, verbreiten eine Atmosphäre des friedlichen Widerstands, der Solidarität und der Hoffnung. Was ist das schon, eine brennende Kerze in der Hand zu tragen? (Und ein Gebet?) Lächerlich könnte man meinen. Aber als es tausend, zehntausend und mehr wurden, geriet das Regime ins Wanken.“2. 

VI. Die Verheißung des Friedensreichs 

1989 standen den Menschen Tränen in den Augen. 1989 haben wir ein bisschen was von dem erlebt, was einmal unserer ganzen Welt verheißen ist. 

Die Bibel malt uns in verschiedenen Bildern immer wieder Gottes Friedensreich vor Augen. Und ab und an wird ein Teil dieser Vision schon verwirklicht. 

Auch in der Bibel gibt es Gewalt. Die Bibel aber spannt einen großen Bogen: Das Paradies, die Einheit von Mensch und Natur, steht am Anfang im 1.Buch Mose, die Heilige Stadt ohne Leid und Tränen am Ende in der Offenbarung des Johannes. Dazwischen gibt es den Sündenfall und Menschen, die den guten Weg verlassen. Dazwischen gibt es aber auch die Mahner und heiligen Männer und Frauen, die uns wieder zurechtbringen wollen. Dazwischen wird uns auch immer wieder einmal ein Blick aufgetan auf das, was uns erwartet. 

Wie bei Micha. Der davon erzählt, dass jeder einmal unter seinem Weinstock und unter seinem Feigenbaum in Ruhe wohnen wird. Auch Jesaja zum Beispiel lässt uns einen kurzen Blick auf das kommende Friedensreich werfen. Er beschreibt es in einem wunderbaren Text so: 

6 Da werden die Wölfe bei den Lämmern wohnen und die Panther bei den Böcken lagern. Ein kleiner Knabe wird Kälber und junge Löwen und Mastvieh miteinander treiben. 

7 Kühe und Bären werden zusammen weiden, dass ihre Jungen beieinander liegen, und Löwen werden Stroh fressen wie die Rinder. 

8 Und ein Säugling wird spielen am Loch der Otter, und ein entwöhntes Kind wird seine Hand stecken in die Höhle der Natter. 

9 Man wird nirgends Sünde tun noch freveln auf meinem ganzen heiligen Berge; denn das Land wird voll Erkenntnis des HERRN sein, wie Wasser das Meer bedeckt. 

(Jesaja 11) 

Dieses Kommende vor Augen und im Herzen animiert nicht nur, sich selbst in der Kraft von Gottes Geist für Frieden einzusetzen. Es ist zugleich Trost, und schenkt Zuversicht, weil wir die Gewissheit haben, dass es letztlich unser Gott ist, der Frieden schenkt – unserer Welt, unserem Zusammenleben, uns selbst, der ganzen Schöpfung. Einmal vollkommen, aber auch jetzt schon immer wieder. Amen. 

Und der Friede Gottes, der höher ist als unser menschliches begreifen, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.

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