Gottesdienst im Curanum und in St. Johannis am 26. Februar 2017

Bildrechte beim Autor

Curanum, St. Johannis

Jubiläumspredigt:
Lektor Roland Dier

"Die Kanzel -
Johannes der Täufer"

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Predigtreihe 500 Jahre Kirche St. Johannis

Predigttext: 1. Petrus 2,21b-25:
Denn dazu seid ihr berufen, da auch Christus gelitten hat für euch und euch ein Vorbild hinterlassen, dass ihr sollt nachfolgen seinen Fußtapfen; er, der keine Sünde getan hat und in dessen Mund sich kein Betrug fand, der nicht widerschmähte als er geschmäht wurde, nicht drohte als er litt, er stellte es aber dem anheim, der gerecht richtet, der unsere Sünde selbst hinaufgetragen hat an seinem Leibe auf das Holz, damit wir, der Sünde abgestorben, der Gerechtigkeit leben; durch seine Wunden seid ihr heil geworden. Denn ihr wart wie die irrenden Schafe; aber ihr seid nun bekehrt zu dem Hirten und Bischof eurer Seelen. 

Liebe Gemeinde!

Seine Speise würden wir nicht gerade als Delikatesse bezeichnen: Heuschrecken und wilder Honig, mit so spärlicher Kost kämen wir wohl nicht weit. Seine Kleidung hingegen, ein Gewand aus Kamelhaaren, könnte noch heute als modisch durchgehen. Johannes der Vetter Jesus, Johannes der von sich selbst gesagt haben soll es werde einer nach ihm kommen, der stärker sei als er. War er also nur ein Wegbereiter?

Bei der Vorbereitung auf diesen Gottesdienst fand ich einen Text mit dem Titel „Die Rätselhafte Tragödie von Johannes dem Täufer“. Er beginnt mit den Sätzen:

„Der asketische Bußprediger war nicht einfach der Wegbereiter Jesu. Die beiden standen in einer spannungsreichen Beziehung zueinander. Für ihre unterschiedlichen Überzeugungen mussten beide sterben.“

Doch beginnen wir von vorne. Am Anfang steht eine Idylle. Die Idylle wird im Advent beschrieben und steht im Lukas-Evangelium. Noch bevor dort Maria die Geburt Jesu angekündigt wird, erfahren wir schon von einer anderen Geburtsvorbereitung. Ein Engel sagt dem Tempelpriester Zacharias, dass dessen hochbetagte Frau Elisabeth, bis dahin unfruchtbar, ein Kind gebären werde. Es solle Johannes heißen und werde „viele vom Volk Israel zu ihrem Gott bekehren“. Zacharias zweifelte, bat um ein Zeichen und wurde vom Engel mit Stummheit geschlagen. Tatsächlich wird Elisabeth schwanger.

Als sie im sechsten Monat ist, bekommt Elisabeth Besuch von der ebenfalls schwangeren Maria. „Und es begab sich, als Elisabeth den Gruß Marias hörte, hüpfte das Kind in ihrem Leibe.“ Elisabeth spürt: Der ungeborene Johannes hat gerade den ungeborenen Jesus erkannt. Maria blieb bei ihr bis zur Geburt des Johannes. Nach der Geburt über die Namensgebung befragt, erinnerte sich Elisabeth an ihrer Eingebung, dass der Knabe entgegen der Familientradition Johannes heißen sollte; gleichzeitig schrieb Zacharias den Namen auf eine Wachstafel und erhielt nun seine Sprache zurück.

Dann wird es erst einmal still um Johannes. Erst als Erwachsener taucht er wieder auf, als Prediger in der Wüste. Zuvor aber tritt Johannes in einer Schlüsselszene des Neuen Testaments auf. Der erwachsene Jesus, noch ehe er zu predigen und zu heilen beginnt, geht zu einer Stelle am Jordan, die nicht weit von Jerusalem entfernt ist. Dort am Fluss hält Johannes Bußpredigten, kündigt das Kommen eines Heilands an und tauft die Menschen. Auch Jesus lässt sich von ihm taufen - und es tut sich der Himmel auf.

Eine Stimme ertönt: „Du bist mein lieber Sohn, an dir habe ich Wohlgefallen“. So wird unterstrichen, dass Jesus derjenige sei, den Johannes angekündigt hat. Da aber beginnt das Rätsel: Warum schließt sich Johannes, wo er doch Jesus erwartungsvoll angekündigt hat, nicht diesem Jesus an? Es gibt keinen Hinweis, dass der Täufer zu Jesu Jünger wurde. Vielmehr deutet alles darauf hin, dass Jesus und Johannes nach dieser Szene getrennte Wege gehen und dass Johannes eigene Jünger hat. Dies erfährt man, als bei Markus vom schrecklichen Ende des Johannes berichtet wird. Sterben muss Johannes, weil er es wagt, seinen Landesherrn Herodes Antipas zu kritisieren. Herodes heiratet seine eigene Schwägerin - Herodias -, und als Johannes dies anprangert, nimmt der König Johannes gefangen. Eines Tages, während Johannes im Kerker sitzt, gibt Herodes ein Festmahl: „Da trat herein die Tochter der Herodias und tanzte und gefiel Herodes“. Der Unhold war begeistert von seiner Stieftochter, um es einmal harmlos zu formulieren. „Da sprach der König zu dem Mädchen: Bitte von mir, was du willst, ich will dir’s geben.“

Die Tänzerin, in außerbiblischen Quellen heißt sie Salome, fragt ihre Mutter Herodias, was sie vom König verlangen soll. „Das Haupt Johannes des Täufers“, antwortet die Mutter. Salome tut wie ihr geheißen, „und sogleich schickte der König den Henker hin und befahl, das Haupt des Johannes herzubringen. Der ging hin und enthauptete ihn im Gefängnis und trug sein Haupt herbei auf einer Schale und gab’s dem Mädchen und das Mädchen gab’s seiner Mutter.“ Dann aber folgt dieser Satz: „Und als das seine Jünger hörten, kamen sie und nahmen seinen Leichnam und legten ihn in ein Grab.“ Johannes hatte also Jünger.

Waren also Jesus und Johannes beziehungsweise ihre Anhängerschaften Konkurrenten?

Johannes, der Bußprediger aus der Wüste, der am Jordan taufte, nahm eine klare Gegenposition zu jenen Kompromissen ein, die die Jerusalemer Tempelaristokratie mit den Römern geschlossen hat. Seine Gegenposition demonstrierte Johannes schon im Äußeren: Er „trug ein Gewand aus Kamelhaaren und einen ledernen Gürtel um seine Lenden und aß Heuschrecken und wilden Honig“. Eine Gestalt wie der Prophet Elia, Symbol für die alte Verheißung, dass das Heil des Volkes Israel sich in der Wüste verwirklichen sollte. Mit dieser radikalen Position, die sich gegen die in Jerusalem herrschenden Verhältnisse richtete, stand Johannes in der Zeit der Besatzung nicht allein, aber mit seinen Bußpredigten scheint er besonders viele Menschen angezogen zu haben. Auch Jesus scheint von ihm angezogen zu sein. Direkt nach der Taufepisode heißt es bei Markus über Jesus: „Alsbald trieb ihn der Geist in die Wüste; und er war in der Wüste vierzig Tage und wurde versucht von dem Satan und war bei den wilden Tieren, und die Engel dienten ihm“. Hat es Jesus dem Wüsteneremiten Johannes gleich getan, wie ein Schüler einem Lehrer? Wir wissen es nicht.

Erkennbar jedenfalls ist, dass es später Differenzen zwischen den beiden gab. Dies wird bei Lukas und Matthäus von Jesus selbst thematisiert. Jesus sagt über Johannes: Er „aß nicht und trank nicht“. Über sich selbst aber sagt Jesus: „Der Menschensohn isst und trinkt.“ Anders als der Asket Johannes setzt Jesus auf Gemeinschaft, zusammensitzen miteinander essen, mit einander feiern. Daraus soll eine ganz neue Verbundenheit mit Gott entstehen.

Auch der Grund für die Verhaftung des Johannes lässt Unterschiede erkennen: Einen Machthaber wie Herodes wegen dessen Lebenswandels zu kritisieren, wäre Jesus nie in den Sinn gekommen. Herrscherkritik im Stile der alten Propheten interessierte ihn nicht. Entsprechend lassen zwei Evangelisten Jesus sagen, dass der Moralist Johannes gegen die Herrschaft nicht ankommt. Jesus sagt, dass prophetische Prediger wie Johannes Klagelieder sängen, dass aber die Leute nicht weinen würden. Soll heißen, sie waren nicht betroffen. Und ohne Betroffenheit gibt es auch keinen Anlass etwas zu ändern. Johannes, der Rufer in der Wüste, der nicht gehört wird - es gibt sie auch heute noch.

Johannes bemerkt diese Kluft zwischen ihm und Jesus und beginnt anscheinend seinerseits an Jesus zu zweifeln. Er schickt zwei Jünger zu Jesus mit der Frage, ob Jesus wirklich der ist, „der da kommen soll“, oder ob man „auf einen anderen warten“ müsse.

Doch Jesus spricht auch voll Hochachtung von Johannes. „Unter allen, die von einer Frau geboren sind“, sagt Jesus, „ist keiner aufgetreten, der größer ist als Johannes der Täufer“. Das zentrale Ritual des Johannes, die Taufe, gibt Jesus an seine eigenen Jünger weiter. Und wenn Jesus den Jüngern die Füße wäscht, verweist das auf einen der einprägsamsten Sätze des Johannes, der über den erhofften Heiland sagt: „Ich bin nicht wert, dass ich mich vor ihm bücke und die Riemen seiner Schuhe löse“.

Jesus und Johannes, für ihre Überzeugungen haben beide sterben müssen.

Johannes dabei auf die Rolle des hinweisenden Vorläufers zu reduzieren ist zu wenig. Geeint hat sie, dass beide einen Neuanfang suchten, sie wollten etwas ändern. Getrennt hat sie die Art und Weise wie sie es taten. Der eine, Johannes, der hart mit seinen Mitmenschen ins Gericht ging : "Ihr Schlangenbrut, wer hat euch gesagt, dass ihr dem bevorstehenden Gericht Gottes entgeht? Zeigt durch eure Taten, dass ihr euch ändern wollt! Die Axt ist schon angelegt. Jeder Baum, der keine guten Früchte bringt, wird umgehauen und ins Feuer geworfen.“ Und der sie so zur Umkehr bewegen wollte.

Der Andere, Jesus, der den Menschen zugewandt war, wie dem Zöllner Zachäus zu dem er gegen alle Regeln seiner Zeit sagte: „Zachäus, komm schnell herunter! Denn ich muss heute Gast in deinem Haus sein.“ Jesus der von Liebe und von Vergebung sprach. Der sagte habt keine Angst, ihr seid nicht alleine, ich bin bei euch bis ans Ende aller Tage.

Und wir? Ich denke wir brauchen beide. Den der den Finger in offene Wunden legt, der Missstände anprangert und uns mit deutlichen Worten wachrüttelt, damit wir uns aufmachen. Und wir brauchen die Zusage Jesus, dass wir dabei nicht alleine sind und wir auch keine Angst vor dem Scheitern haben müssen.

Amen

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