Gottesdienst am Sonntag Rogate - 1. Mai 2016

Bildrechte beim Autor

St. Johannis

Predigt:
Diakon Günter Neidfhardt

"Tag der Arbeit"

Gnade sei mit euch und Friede, von dem da war, der ist und der sein wird. Hören wir den Predigttext für den heutigen Sonntag, aus Mat. 20, 1-16

------

Wir bitten in der Stille um Gottes Segen für unser Reden und hören.    Amen.

Liebe Gemeinde, liebe Schwestern und Brüder

Die Geschichte von den Arbeitern im Weinberg, die wir da eben gehört haben, ist schon nicht so einfach zu verstehen: Es scheint ja doch ungerecht zu sein, wenn jemand nach zwei Stunden Arbeit denselben Lohn bekommt wie jene, die acht bis zehn Stunden in der Hitze eines Weinbergs geschuftet haben.  Da hat mancher Prediger schon mal gerne darauf hingewiesen, dass da ja steht: „Im Reich Gottes ist es wie…….“ Also, im Himmelreich, nach St. Nimmerleinstag, da mag ja mache Realität anders sein, aber hier: Ich bitte euch, das geht doch nicht, wo kämen wir denn da hin…..?

So einfach sollten wir es uns aber nicht machen. So einfach sollten wir uns auch nicht sagen lassen, dass mit der Bibel eben keine Politik zu machen sei  und wer da Vision habe der solle (so der verstorbene Altkanzler Helmut Schmidt) zu Arzt gehen  und nicht auch noch davon rumerzählen.

Nein, so einfach machen wir es uns nicht. Denn: Die Erzählung von den Arbeitern im Weinberg hat eine spannende Botschaft: Sie erzählt, wie das Reich Gottes als Modell für intakte Arbeitswelt gelten kann, in der alle Arbeit und Einkommen finden.

Schonen wir uns die handelnden Personen bzw. Personengruppen an:

1. Da ist zunächst der Patron, der Weinbergbesitzer. Er will - wie jeder Arbeitgeber - am Ende ein gutes Betriebsergebnis. Es geht darum, den Weinberg zu hacken, die Reben zu schneiden und möglichst viele zu lesen. Jobs eben. Also geht er zur Agentur für Arbeit von damals, nämlich auf den Marktplatz der Stadt, holt sich arbeitswillige Leute, die dort schon darauf warten, dass sie jemand braucht, schließt mit ihnen einen Arbeitsvertrag und vereinbart den üblichen Tageslohn. Dieser Lohn reicht um damit einen Tag gut über die Runden zu kommen (Essen, Familie…….)Soweit so gut.  . Aber plötzlich nimmt diese Geschichte einen unerwarteten

Verlauf: Gleich fünfmal geht dieser Arbeitgeber zum Marktplatz, auch noch am späten Nachmittag. Das ist nicht mehr normal .Kann der nicht planen? Hat er sein ganzes betriebswirtschaftliches Wissen plötzlich vergessen?

Nun ich denke, diesem „Boss“ geht es nicht allein um Leistung und

Produktivität, nicht nur um betriebswirtschaftliche  Kennzahlen. Es geht ihm um mehr: Es geht ihm auch um die Beschäftigten, es geht ihm auch  auch um Beschäftigung der Menschen. Er will, dass möglichst viele über Arbeit ihr Existenzminimum sichern können. Den Tag gut über die Runden kommen, samt Familie. Und deshalb sagt der Gutsbesitzer den entscheidenden Satz: „Geh auch du in meinen Weinberg“.

So haben alle eine Chance, überhaupt mal eine Chance, ihr Notwendiges zum Leben zu verdienen. Und: statt Lohndumping, Leiharbeitsfirmen, Betriebsverlagerung…… schlägt Jesus vor, jedem ein angemessenes Einkommen zu geben, von dem er und sie leben können.

Diese Geschichte konfrontiert Wirtschaft und Politik mit der Anfrage: Was ist euch Vollbeschäftigung (in existenssicherenden Arbeitsverträgen) wirklich wert? Und: Was zählt mehr, Produktivität, Rendite, Aktiengewinne oder die Beschäftigung von Menschen, zu auskömmlichen Löhnen. Und sie konfrontiert auch uns, die Verbraucher und Konsumenten: Sind wir denn bereit für vieles etwas mehr auszugeben, oder ist Geiz einfach zu geil?“

Das Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg vermittelt eindringlich: Vollbeschäftigung und gute Bezahlung ist um der Menschen willen notwendig. Sie sind nur möglich, wenn Politik und Wirtschaft das wollen und wir alle uns daran orientieren: Der Mensch ist schließlich wichtiger als Gewinne und Aktienkapital!

Als Christen sind wir aufgefordert, unseren Finger immer wieder auf diese Wunde zu legen und Wirtschaft und Politik ins Gebet nehmen.

Eine zweite Gruppe tritt im Gleichnis in Erscheinung: es sind die Arbeitsuchenden selbst. Jene, - die um zu überleben - nur ihre Haut zu Markte tragen können. Die haben keine Rücklagen die mal helfen können. Schon gar nicht haben sie Briefkastenfirmen in Panama oder sonst wo, um sicher der Steuerpflicht, dem Allgemeinwohl entziehen zu können. Die Arbeiter.  Man trifft sie auf dem Marktplatz. Das bedeutet, sie bewegen sich, sie bleiben aktiv und initiativ. Nein Stubenhocker sind das nicht. Jeden Tag sind sie da. Frauen und Männer. Warten auf ein Jobangebot. Und 100 Bewerbungen sind auch schon geschrieben

Sie zeigen sich. Noch! Denn es gibt ja auch die, die schon lange resigniert haben. Die durch Arbeitslosigkeit so kaputt und krank geworden sind, dass sie nur noch in Resignation versinken und sich oft nicht zu erkennen geben.

Mich, meine Fähigkeiten, meine Arbeit braucht keiner. Viele zweifeln an sich selbst. Oft ist ein Rückzug die Folge, gerade wenn das Vorurteil immer noch herumgeistert: Wer arbeiten will, der findet auch Arbeit. Aber beteiligen sich diejenigen, die solches behaupten nicht an einem großangelegten gesellschaftlichen Ausgrenzungsprozess, in dem eine ganze Gruppe von Menschen, nämlich Menschen ohne Erwerbsarbeit diskriminiert werden?

Laut Agentur für Arbeit standen im März 2016 im Coburger Land 2503 Arbeitssuchenden 724 offene Stellen gegenüber. In der Stadt Coburg gibt es 1891 Arbeitssuchende und 617 offene Stellen. Es gibt nicht genug Arbeit. Es stimmt also nicht, dass Menschen, denen der Arbeitsplatz genommen wurde, nicht arbeiten wollen! Dabei haben viele Menschen prekäre Arbeitsverhältnisse und sind auf Hartz IV-Zuzahlungen angewiesen.

Wenn das Reich Gottes eine besondere Qualität des Zusammenlebens der Menschen bedeutet, die allen ihren Anteil gibt, in der alle Arbeit und Auskommen und auch Zeit für sich und ihre Mitmenschen haben,

*          dann steht es uns als Christen gut an, der Ausgrenzung von Menschen ohne Erwerbsarbeit entgegenzutreten, mit ihnen das Gespräch zu suchen, statt über sie zu reden.

*          dann steht es uns gut an, uns - wo immer wir können - dafür einzusetzen, dass Arbeit fair geteilt wird.

*          Vielleicht können wir Betroffenen Mut machen, dass sie ihr Selbstbewusstsein zurück kommt und damit neue Mut und neue Kraft.

Eine dritte Gruppe ist zu erwähnen und es scheint, sie sind die wirklichen Verlierer. Leistung lohnt sich also nicht?! Aber nur auf den ersten Blick. Die dritte Gruppe, das  sind die Vollzeit-Jobber. Sie müssen allerdings eine Demütigung am Abend erleben, nämlich dass "Minderleister" denselben Lohn erhalten wie sie. Das kann doch nicht sein, dass unterschiedliche Arbeitsleistung denselben Lohn erwirkt. Was können wir diesen fleißigen Leuten sagen, ohne dass sich verarscht vorkommen? Das ist nicht leicht! Wir brauche sie doch auch, die fleißigen, die was schaffen, anpacken…

Vielleicht so: Die erste Antwort lautet. Lohn ist immer Existenzsicherung. Die Lebenshaltung ist für alle gleich teuer. Und das will diese Erzählung zum Ausdruck bringen: jeder Lohn muss das Existenzminimum abdecken. Unser Lohngefüge orientiert sich allzu oft an fragwürdigen Leistungskriterien. Wie ist zu begreifen, dass Arbeit und Arbeit sich mitunter zweihundertfünfzigfach unterscheidet, geht man vom Verdienst eines Spitzenmanagers und einer Reinemachefrau aus. Und warum bekommen vielerorts Frauen für die gleiche Arbeit immer noch weniger Lohn als ihre männlichen Kollegen?

Die zweite Botschaft ist noch viel wichtiger und gilt speziell denen die sich selbst für unverzichtbar halten(nicht den Ausgegrenzten) . : Es lohnt sich nicht, sich kaputt zu arbeiten. Es lohnt sich nicht, nur noch den Job und dann den Job und dann den Job im Blick zu haben. Dabei gehen Familien kaputt, soziale Kontakte versiegen, die eigene Gesundheit bleibt auf der Strecke. Wofür fragt unser Text? ,  Wofür, das. müssen die Weinberg-Arbeiter am Abend schmerzlich erfahren.

Die Botschaft weist uns darauf hin, dass es noch etwas Wichtigeres gibt als den Job und die Orientierung an Leistung? Dass auch hier teilen eine Option ist.

Für Jesus hatte es offenbar Priorität, dass Menschen Arbeit und ein die Existenz sicherndes Einkommen haben

Wir, als Christen Christen sind gefordert, in seinem Sinne in der Gesellschaft zu wirken.

So sollen wir dafür eintreten:

-           Arbeit so zu verteilen, dass möglichst alle Anteil haben, Frauen und Männer, Junge und Alte, Deutsche und Ausländer,

-           dass es besser ist, ein Existenzminimum über Erwerbsarbeit zu sichern als über Hartz IV

-           Und: Es darf nicht sein, dass Menschen so wenig Lohn erhalten, dass sie trotz Arbeit arm sind

Wir sollen dafür eintreten:

-           dass diejenigen, die unter übermäßigem Druck der Arbeit leiden, wieder die Lebensqualität gewinnen, Zeit für sich         selbst, ihre Familie und für andere zu finden.

-           dass Erwerbstätigkeit - dergestalt organisiert werden kann, dass Arbeit und Familienarbeit für Männer und Frauen,„unter einen Hut“ gebracht werden kann.

-           dass ältere und gesundheitlich angeschlagene Menschen nicht unter die Räder kommen

-           dass Menschen sozial gesicherte Arbeit erhalten und nicht in Minijobs und Leiharbeitsverhältnisse abgedrängt werden,          dass sie in die Lage versetzt werden, für sich und ihre Familie langfristig planen zu können.

In unnachahmlicher Weise hat Jesus es verstanden, gerade auch den einfachen Leuten in Gleichnissen das Reich Gottes zu erschließen. Darum geht es hier, um das Reich Gottes, jene neue Qualität des Zusammenlebens zwischen den Menschen, verbunden mit einer politischen Ordnung, in der es human und gerecht zugeht. Das Reich Gottes beginnt hier und heute.!!!!!!! ES ist an uns, jetzt schon vieles davon sichtbar werden zu lassen.

Reich Gottes bedeutet, dass die  Sehnsucht der Menschen in Erfüllung geht, gerade die nach sinnvollem Tätig sein und ausreichendem Einkommen. Solange aber die einen Menschen in Arbeit zerbrechen, jedoch anderen Menschen Arbeit vorenthalten wird , Arbeitslosigkeit sie entwürdigt und demütigt, werden sie eine der wichtigsten Dimensionen des Reiches Gottes gar nicht erfahren können.

Jetzt bin ich eigentlich  an das Ende meiner Predigt gekommen, möchte aber gerne, und Bitte um euer Verständnis noch einen aktuell wichtigen kurzen Einschub machen.

Im vergangen Jahr wurden in Deutschland über 1 Mio. Flüchtlinge registriert. Politiker in unserem Land versuchen  immer wieder, die Not der Menschen die hier leben gegen die Not derer, die da kommen (ich bin sicher das werden wieder mehr) auszuspielen.

„Es kann doch nicht sein, dass ein unbegleiteter minderjähre Flüchtling mehr Geld „kostet“ als ein (deutscher) Obdachloser

ES kann doch nicht sein, dass die Rente des kleinen Mannes (der kleinen Frau) kaum höher ist als das Geld das ein Flüchtling monatlich kostet. Ich will das gar nicht weiter ausführen,

ABER! Lasst euch Bitte nicht irre machen. Wenn der Obdachlose so wenig Unterstützung bekommt, dass muss die Unterstützung verbessert werden und das geht nicht, indem man einem andern Schutz und Hilfebedürftigen etwas wegnimmt.  Und wenn die Rente nach langen Arbeitsjahren so niedrig ist, dass man nur durch ergänzende Leistungen überleben kann: Dann muss man die Rente erhöhen und das Geld nicht den anderen armen Schluckern neiden.

Ich höre schon wieder auf mit diesem kleine Einschub, möchte aber unbedingt noch einmal klar machen: Wenn wir von sozialer Gerechtigkeit, von Teilhabe, auch wenn wir von Reich Gottes sprechen, dann läuft die Trennlinie nicht! Zwischen arm und noch ärmer, die Frage der Gerechtigkeit stellt sich zwischen arm und reich.

Ihr Lieben,

das Reich Gottes,  das wie ein Weinberg ist, mit einem Weinbergsbesitzer…..

das ist alles natürlich nicht so leicht und wohl auch nicht von heute auf morgen zu verwirklichen und wird wohl auch erst tatsächlich im Himmel so umfassende  verwirklicht werden.

Als Orientierung, als Ansporn soll es uns aber dienen.

Und dazu wir brauchen den, der uns dazu ermutigt und den wir in diesem Gottesdienst ansprechen, Jesus Christus.

AMEN

nach oben