Gottesdienst am Sonntag Laetare - 06. März 2016

 

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St. Johannis

Predigt:
Pfarrer Jörg Mahler

"Ein Gott des Trostes"

Predigttext 2. Korinther 1,3-7

Gelobt sei Gott, der Vater unseres Herrn Jesus Christus, der Vater der Barmherzigkeit und Gott allen Trostes, 4 der uns tröstet in aller unserer Trübsal, damit wir auch trösten können, die in allerlei Trübsal sind, mit dem Trost, mit dem wir selber getröstet werden von Gott. 5 Denn wie die Leiden Christi reichlich über uns kommen, so werden wir auch reichlich getröstet durch Christus. 6 Haben wir aber Trübsal, so geschieht es euch zu Trost und Heil. Haben wir Trost, so geschieht es zu eurem Trost, der sich wirksam erweist, wenn ihr mit Geduld dieselben Leiden ertragt, die auch wir leiden. 7 Und unsre Hoffnung steht fest für euch, weil wir wissen: wie ihr an den Leiden teilhabt, so werdet ihr auch am Trost teilhaben.

Predigt:

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus, und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen. Amen.

Liebe Schwestern und Brüder!

Gelobt sei Gott! So beginnt Paulus den 2. Korintherbrief. Gelobt sei Gott. Das ist ein fröhlicher Beginn eines Predigttextes – gerade in der Passionszeit, in der wir das Leiden und Sterben Jesu bedenken.

Paulus lobt Gott, weil Gott gerade angesichts dieses Leidens tröstet, weil Gott im Leiden Kraft und Halt gibt, weil Gott ein Gott „des Trostes“ ist.

I.

Paulus denkt da an sein eigenes Leben. Er selbst hat Gott so erlebt, als Gott des Trostes. Im 2.Korintherbrief erzählt Paulus von vielen Dingen, unter denen er zu leiden hatte: Schläge und Haft (6,5), Verleumdung (6,8), Krankheit (12,7ff) und nicht zuletzt Ereignisse in Asien (1,8ff), wo er – vermutlich durch Verfolgung – in Todesnot geriet und am Leben verzweifelte. Doch trotz all den Nöten hat er die Erfahrung gemacht: Gott hat mich getröstet in aller Trübsal!

Und auch in der Gemeinde in Korinth hat er Probleme: Dort gibt es andere Apostel, die gegen Paulus kämpfen. Sie behaupten, dass Christus seine Boten mit besonderer Glaubensstärke und Ausstrahlungskraft ausstattet. Boten Gottes müssten Wunder tun, und man müsste ihnen ansehen, dass sie vom Heiligen Geist erfüllt sind. Paulus dagegen wirkt in seinem persönlichen Auftreten schwächlich. Er ist nicht begabt, Reden zu halten. Er ist oft krank. Diese anderen Apostel sagen nun: So jemand wie Paulus, der kann kein wirklicher Bote Gottes sein.

Paulus muss gegen diese Apostel um seine Anerkennung kämpfen. Er leidet darunter, dass sie ihn nicht als Boten Gottes ernstnehmen und die Gemeinde gegen ihn beeinflussen. Paulus verzweifelt aber nicht Er entgegnet ihnen:

»Wenn ich mich denn rühmen soll, will ich mich meiner Schwachheit rühmen« (11,30). Ich rühme mich nicht dessen, dass ich Wunder tun könnte oder charismatisch predigen würde.

Ich rühme mich, dass ich schwach bin, aber dass Gott trotzdem durch mich wirkt und sein Evangelium ausbreitet.

Als Mann Gottes muss man nicht stark sein und alles können. Vielmehr sagt ja Gott selbst: „Meine Kraft ist in den Schwachen mächtig.“.

Obwohl Paulus angegriffen wird und leidet, besitzt er eine Kraftquelle: Gott. Gott tröstet ihn im Leid. Ja mehr noch: Gott macht aus dem, ›der nichts hat‹ (6,10), der schwächlich ist, jemanden, der andere zu trösten vermag (1,4). Da bleibt mir nichts anderes übrig als mit Paulus zu sagen: Gelobt sei Gott dafür!

II.

Ich bewundere Paulus. Trotz aller Schwierigkeiten, die er in seinem Leben, in Korinth und auch darüber hinaus hat, ist er ganz ruhig. Er verzweifelt nicht, sondern ist voller Vertrauen, dass Gott ihm zur Seite steht. Und er erlebt das auch immer wieder. Wie kommt er zu diesem Vertrauen? Wie kommt er zu der Hoffnung, dass uns allen in aller unserer Trübsal Gott immer wieder trösten wird?

Paulus bekommt diese Hoffnung von Jesus Christus. Er schreibt: Vers 5.

Paulus zeichnet also sein eigenes Leben und das der Gemeinde in den Weg Jesu Christi ein. Seine Leiden und die Leiden jedes Christen vergleicht er mit den Leiden Jesu: Wir haben Anteil an Jesu Leiden. Und er zieht die Schlussfolgerung: Genauso werden wir auch Anteil an seinem Trost haben: Denn Christus ist auferstanden. Er hat das Leiden überwunden. Es gibt also im Leben Christi eine Bewegung vom Leiden hin zu neuem Leben. Und diese Bewegung gibt es auch in unserem Leben: Auch wir gehen diesen Weg: Durch das Leid hin zu neuem Leben. Denn wir gehören zur Christus. Sein Weg ist unser Weg.

Und so kann Paulus sagen: „Ich habe teil am Leiden der Welt; aber – und das macht mich in all meiner Schwachheit stark – ich habe auch teil an Gottes umfassendem Leiden und Trost in Jesus Christus. Und dies gilt auch für euch!

III.

Liebe Gemeinde!

In unserem Leben gibt es beide Realitäten: Leid, aber auch Trost. Und das gefällt mir, dass hier die Bibel und Paulus ganz realistisch sind, und das Dunkle nicht verdrängen. Im Gegensatz zu unserer Gesellschaft:

Von den Werbeplakaten lachen uns meist junge hübsche Gesichter entgegen. Ein Mädchen wirbt für eine neue Creme, die andere für einen neuen billigen Telefontarif. Es ist eine Glanzwelt, die uns dort begegnet: Spaß haben, schöne Dinge kaufen. Daran denkt man gerne. Ich habe oft den Eindruck, unsere moderne Welt will uns den Eindruck vermitteln, als wäre es möglich, immer jung zu bleiben.

Aber über die Armen, die nicht genug zum Essen haben, redet man nicht.

Die Großmutter liegt im Bett zu Haus und braucht Pflege. Das erzählt die Familie keinem.

Zerbrechende Ehen und Partnerschaften, Arbeitslosigkeit und Heimatlosigkeit, Probleme mit Alkohol und Drogen. Schwere Krankheit. Sorge um die Zukunft der Kinder. Auch das gibt es.

Viele verdrängen das. Sie wollen keine trüben Gedanken haben. Manchmal aber leiden sie auch darunter, weil sie sich niemandem mitteilen können, weil keiner mit ihnen über die Sorgen und Nöte reden will.

Paulus spricht ganz klar von „unserer Trübsal“. Er ist Realist, und weiß, dass es diese Trübsal immer wieder gibt. Und wir befinden uns mitten in der Passionszeit: einer Zeit, in der wir an das Leiden und Sterben Jesu Christi denken. Die Passionszeit öffnet unsere Augen auch für diese dunklen Seiten. Es wichtig, sie nicht zu verdrängen, sondern beim Namen zu nennen. Denn sie gehören genauso zum Leben wie das Schöne. Wir sind eingeladen, an den dunklen Seiten des Lebens nicht vorbeizuschauen, sondern sie als Teil des Lebens wahrzunehmen.

Aber zugleich feiern wir heute den Sonntag Lätare, Freuet euch! In diese Trübsal scheint ein Licht, das Licht von Ostern. Paulus meint das gleiche, wenn er von dem Trost spricht, den wir mitten in der Trübsal finden.

Wir als Christen sind also im doppelten Sinn Realisten:

a)    Wir können ohne Verdrängung die Welt so sehen, wie sie noch ist. Wir können die verschiedenen Gesichter des Leidens ansehen und dürfen dabei schwach werden.

b)    Und wir können mit Realitätssinn die Welt so sehen, wie sie schon ist: »Nun aber ist Christus auferstanden von den Toten«. Wir sehen bereits das neue Leben. Gelobt sei Gott.

Paulus sagt: Das ist unser Trost. Es gibt Licht mitten im Dunkel. Dieser Trost zeigt sich darin, wenn ihr „mit Geduld die Leiden tragt“ (V6).

Es ist also im Glauben nicht so, dass Gott alle Not plötzlich wegnimmt. Nein, Paulus leidet weiterhin unter den falschen Aposteln, unter seiner Krankheit, darunter, dass er kein gutes Redetalent hat. Aber zugleich fühlt er sich stark, weil er Gott bei sich weiß. Er fühlt sich getröstet, weil er um das neue Leben weiß.

Der Wirklichkeit des Lebens wird bei Paulus realistisch ins Auge gesehen. Leiden gehört zu diesem Leben reichlich dazu. Im Glauben wissen wir darum, dass Gottes Trost genauso reichlich ist – anders gesagt: dass Gott uns nie fallen lassen will.

Ähnlich sagt das ja auch unsere Jahreslosung für 2016: „Ich will euch trösten, wie einen seine Mutter tröstet“. Hier wird der Trost in das Bild einer tröstenden Mutter gefasst: Ein Kind weiß, dass die Mutter da ist und alles für einen tut. Ein Kind spürt die Geborgenheit bei der Mutter.

Der Trost Gottes – das ist genau diese Geborgenheit. Ich weiß mich bei ihm aufgehoben in Freud und Leid. Und ich darf ihn auch immer wieder im Gebet hineinrufen in mein Leben, etwa mit den Worten: „Lieber Vater! Mich drückt mein leid schwer. Ich weiß, dass du mein Leid kennst, weil du unser menschliches leiden geteilt hast, als dein Sohn verhaftet, geschlagen und getötet wurde. Ich weiß aber auch, dass du ihn auferweckt hast von den Toten, dass du neues Lebens schenkst nach dem Dunkel. Darum bitte ich dich: lass mich auch an Jesu neuem Leben teilhaben, wende meine Not, wenn es möglich ist, schenke mir Zuversicht und Geborgenheit bei dir.“. So können wir beten.

Schwachheit und Stärke liegen in der Trostbotschaft des Apostels eng zusammen. Es gehört zum Leben dazu, dass uns die Spannung zwischen Leid und Freude, zwischen Hell und Dunkel, zwischen Tod und Leben zugemutet und zugetraut wird – von Gott. Es gibt also so etwas wie eine „Freude mitten im Leid“, wie eine „Trost mitten in der Trübsal“.

IV.

Nicht jeder, der heute diesen Briefabschnitt liest oder diese Predigt hört, hat solche Sorgen und Nöte. Sicher sind für manche von Ihnen Leid, Trauer und Schmerz zur Zeit nicht so bedrängend; sie fühlen Lebensfreude und Zuversicht. Und das ist auch gut so. Aber auch für Sie hat Paulus ein Wort: Gelobt sei Gott, der uns tröstet in aller unserer Trübsal, damit wir auch trösten können, die in allerlei Trübsal sind, mit dem Trost, mit dem wir selber getröstet werden von Gott (Vers 4).

Wer den Trost Gottes erlebt hat, der kann ihn weitergeben. Das geschieht, wenn wir unsere Herzen und Sinne für die Bedrückten öffnen, wenn wir wahrnehmen, wem es nicht gut geht. Eine Sensibilität für Menschen, die der Nähe, der Begleitung bedürfen oder aber auch in Ruhe gelassen werden möchten; die im Moment vielleicht keinen Sinn haben für ausgelassene Fröhlichkeit und rauschende Feste.

Wenn wir versuchen, andere zu trösten, dann tun wir das, indem wir ihnen unsere Nähe, unsere Zeit und einfühlsame Worte schenken. Aber bitte auch, in dem wir ihnen den Trost weitergeben, mit dem auch wir getröstet wurden. Dieser Trost ist Jesus Christus, der den Weg vom Leiden zum neuen Leben gegangen ist.

Lätare –  beides kommt zusammen: das Dunkel der Passion und des Leidens – und die Helligkeit von Ostern. Gebe Gott, dass wir immer wieder in unserer Trübsal diesen Trost spüren, und andere damit trösten können.

Gelobt sei Gott, der Vater unseres Herrn Jesus Christus, der Vater der Barmherzigkeit und Gott allen Trostes (Vers 3).

Amen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus.

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