Gottesdienst am Sonntag Estomihi am 7. Februar 2016

Bildrechte beim Autor

OWB, St. Johannis

Predigt:
Diakon Günter Neidhardt

"Das Hohe Lied der Liebe"

Predigttext: 1.Kor. 13, 1-13

Das Hohelied der Liebe

1 Wenn ich mit Menschen- und mit Engelzungen redete und hätte die Liebe nicht, so wäre ich ein tönendes Erz oder eine klingende Schelle.

2 Und wenn ich prophetisch reden könnte und wüsste alle Geheimnisse und alle Erkenntnis und hätte allen Glauben, sodass ich Berge versetzen könnte, und hätte die Liebe nicht, so wäre ich nichts.

3 Und wenn ich alle meine Habe den Armen gäbe und ließe meinen Leib verbrennen1 und hätte die Liebe nicht, so wäre mir's nichts nütze.

4 Die Liebe ist langmütig und freundlich, die Liebe eifert nicht, die Liebe treibt nicht Mutwillen, sie bläht sich nicht auf,

5 sie verhält sich nicht ungehörig, sie sucht nicht das Ihre, sie lässt sich nicht erbittern, sie rechnet das Böse nicht zu,

6 sie freut sich nicht über die Ungerechtigkeit, sie freut sich aber an der Wahrheit;

7 sie erträgt alles, sie glaubt alles, sie hofft alles, sie duldet alles.

8 Die Liebe hört niemals auf, wo doch das prophetische Reden aufhören wird und das Zungenreden aufhören wird und die Erkenntnis aufhören wird.

9 Denn unser Wissen ist Stückwerk und unser prophetisches Reden ist Stückwerk.

10 Wenn aber kommen wird das Vollkommene, so wird das Stückwerk aufhören.

11 Als ich ein Kind war, da redete ich wie ein Kind und dachte wie ein Kind und war klug wie ein Kind; als ich aber ein Mann wurde, tat ich ab, was kindlich war.

12 Wir sehen jetzt durch einen Spiegel ein dunkles Bild; dann aber von Angesicht zu Angesicht. Jetzt erkenne ich stückweise; dann aber werde ich erkennen, wie ich erkannt bin.

13 Nun aber bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei; aber die Liebe ist die größte unter ihnen.

Der Herr segne unser Reden und Hören

Ihr Lieben (!)

Der Text scheint ja gut zum Faschingssonntag zu passen. Fasching, die Zeit, in der Menschen sich schon mal näher kommen, ja sich  sogar verlieben. Nun aber bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei; aber die Liebe ist die größte unter ihnen. Das sind vielen von uns vertraute Worte. Und auch wenn ich keine Statistik dazu kenne, sind dieses Worte aus dem Hohen Lied der Liebe, bestimmt in den Top-Fünf der Trausprüche. Ist ja auch ein schöner Text für Verliebte.

Aber (! ) , Paulus hat diesen Text nicht für Verliebte, nicht für  ein Brautpaar geschrieben. Nein, ganz im Gegenteil:

Er schrieb ihn an die Gemeinde in Korinth. In dieser jungen Gemeinde ( wir reden etwa vom Jahr 55 n. Chr) gab es viele Spannungen. ES war ja auch gar nicht so leicht Antworten auf die Frage: Wie lebt ein Christ, was tut ein Christ, was ist Aufgabe der Gemeinde, der Gemeindeleitung. Die Evangelien waren noch nicht geschrieben. Mündliche Überlieferungen und Briefe, das war die Basis der Gemeinden. Und so wie in der Hafenstadt Korinth, gelegen am Schnittpunkt von Orient und Okzident Menschen aller Herren Länder lebten, ihren Traditionen und ihrem Glauben folgten, so war auch die junge christliche Gemeinde ein recht heterogener Haufen.

Es ging um Fragen wie denn die christliche Freiheit zu verstehen sei, ob da jeder machen könne war er wolle. Ob das Christentum ehr etwas für Intellektuelle, für Denker, für Philosophen sei, oder ob die religiöse Erfahrung wichtiger sei, ganz unabhängig von Bildung und Wissen.. Geht es um Askese / Verzicht oder um religiöse Verzückung die besondere Gaben des Heiligen Geistes hervorbringt, hervorbringen soll (etwa Zungenreden als Gabe des Heiligen Geistes, also ein verzücktes stammeln in einer Sprache die niemand versteht). Aber auch ganz praktische Fragen des Zusammenlebens waren auf der Tagesordnung. Wie ist umzugehen mit der Herausforderung, dass es reiche und bitterarme Gemeindeglieder gab. Alteingesessene und Zugereiste.

Ich denke es fällt uns gar nicht so schwer, uns selbst da wiederzufinden. Situationen in denen wir uns, in der Vergangenheit aber auch heute immer wieder stellen müssen, angesichts der Vielfallt religiöser Strömungen, Gemeindekonzepten, …….

Und Paulus selbst, der ja die Gemeinde in Korinth gegründet hatte, geriet in die Kritik. Als geistlicher Führer müsse er doch mehr bieten können: Reden wie mit Engelszungen etwa, die prophetische Rede beherrschen, Begeistern muss er können, mitreisen, ganze Stadien mit seiner Evangelisation zum Toben bringen, Heilungen auf offener Bühne, dazu tragfähige Strukturen schaffen, das Geld zusammenhalten, Seelsorger sein, Kirchen bauen   ………

Hört sich fast wie eine Stellenausschreibung für Pfarrer / Diakone im kirchlichen Amtsblatt an.

Also Paulus: Sag was.

Nun, er sagt was, bzw. schreibt was. Er antwortet indem er fragt, was denn eigentlich menschliches Handeln in der christlichen Gemeinde ausmacht.

Was muss sein, was ermöglicht aufbauendes, zusammenführendes, ja letztlich wirksames Handeln, um eine Gemeinschaft zu ermöglichen. Eine Gemeinde die das auch ausstrahlt und dadurch auch für außenstehende attraktiv ist,  wächst. Denn das ist das Ziel: Das geistige aber auch das zahlenmäßige Wachstum der Gemeinde.

Und der Schlüssel, der Masterplan, das Kriterium nach dem wir uns richten, so schreibt Paulus: Das ist die LIEBE. Punkt.

 „Wenn ihr großartig redet, wenn ihr es schafft, Menschen zu  überzeugen für eure Sache, wenn ihr großartig lallend so dasteht, als ob die himmlischen Mächte durch euch sprechen und eine große Anhängerschar auf euch zieht, aber ihr habt die Liebe nicht, was seid ihr dann mehr als ein tönendes Erz und eine klingende Schelle. Was seid ihr dann mehr als ein Tonscherben, der gehört wird, aber dann im Nichts verklingt. Ein Scheppern, ein kurzer Klang,  der vergeht und nicht mehr weiter wahrgenommen wird, im Lärm der Welt.

Wenn ihr prophetisch reden könnt, wenn ihr Vorhersagen trefft, ihr warnt und mahnt, was alles kommen könnte, ohne Liebe ist das nichts. Und das gilt auch für die Weisheit, die Erkenntnis, ja wenn die Welt wie ein offenes Buch vor euch läge und ihr hättet die Liebe nicht, ihr wäret nichts. Und selbst wenn ein Glaube da wäre, der Berge versetzten könnte, bei fehlender Liebe wäre auch dieser Glaube nichts. Ganz im Gegenteil, solch ein Glaube würde Angst machen.

Und natürlich können wir das weiterführen, auch für uns: Wenn ihr euch sozial engagiert, alles Geld den Armen gäbt,  ja euch sogar für andere aufopfert, wenn ihr das Geld der Gemeinde professionell verwaltet und vermehrt, wenn ihr Kirchen baut, ja selbst wenn ihr keinen Gottesdienst versäumt und tätet all das ohne Liebe, ohne Liebe zu Gott und ohne Liebe zu den Menschen: Es wäre nichts!

Die Liebe ist die Mitte in all unserm Tun.  Ohne Liebe ist all unser Tun nichts.

Mir fallen durchaus Menschen ein, großartige Redner, Macher, charismatische Führer denen die Massen zujubeln / zujubelten und die sich ohne Liebe als egoistische Diktatoren entpuppen.

Fallt darauf nicht rein, auf die Propagandaredner sagt Paulus. Legt den Maßstab der Liebe an.

Aber es fallen mir auch andere Menschen ein:  Menschen, wie Martin Luther King oder Dietrich Bonhoeffer. Die hatten eine große Ausstrahlung, haben großes bewegt und da darf ich Mahatma Gandhi und Nelson Mandela anfügen. Sie haben großes bewegt weil sie ihr persönliches Ansehen hinten anstellten.  Sie waren durchdrungen von dem Ziel, die Wahrheit Gottes im konkreten Handeln umzusetzen. Und das Leitbild war die Liebe zu allen Menschen, ja auch zu ihren Widersachern.

Dazu bedarf es einer Grundhaltung, die man sich nicht einfach so aneignen kann. Sie kommt  von außen auf uns zu.

Es ist die Liebe, die Liebe Gottes, die Menschen ergreift, packt.  Eine Liebe, die dazu führt, dass im alltäglichen Leben etwas sichtbar wird von der ganz anderen Wirklichkeit Gottes.

Dabei bleibt Paulus nicht im Abstrakten stehen. Den Korinthern und uns gibt er so etwas wie einen Kriterienkatalog, ja eine Handlungsanweisung mit, wenn er beschreibt was die Liebe ist. Woran sie zu erkennen ist:

Ich zitiere einfach noch mal aus dem Predigttext, diesmal in der neueren Übersetzung der Guten Nachricht

4 Die Liebe ist geduldig und gütig. Die Liebe eifert nicht für den eigenen Standpunkt, sie prahlt nicht und spielt sich nicht auf.

5 Die Liebe nimmt sich keine Freiheiten heraus, sie sucht nicht den eigenen Vorteil. Sie lässt sich nicht zum Zorn reizen und trägt das Böse nicht nach.

6 Sie ist nicht schadenfroh, wenn anderen Unrecht geschieht, sondern freut sich mit, wenn jemand das Rechte tut.

7 Die Liebe gibt nie jemand auf, in jeder Lage vertraut und hofft sie für andere; alles erträgt sie mit großer Geduld.

Wir können diese Kriterien als Maßstab nehmen. Für uns selbst, für unsere Partnerschaften, für die Gemeinde. Und Ja ! auch für die Politik, auch für das Zusammenleben in diesem Land und für das Zusammenleben in dieser Welt.  

Wir können uns daran orientieren, weil es Gott ist, der mit seiner Liebe uns zuerst anspricht.

Gottes Liebe, die keine Grenzen kennt. Langmütig ist sie, geduldig. Gottes Liebe sucht nicht Bestätigung und Ruhm, sie sucht Beziehung. Sie rechnet das Böse nicht zu, sondern schenkt, ermöglicht Vergebung und Neuanfang.

„Also hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab, auf dass alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben.“

So drückt das der Evangelist Johannes aus.

Und so wird es spürbar wenn wir miteinander das Abendmahl feiern.

Das Hohelied der Liebe aus dem 1. Korintherbrief ist tatsächlich kein Bibeltext der für verliebte Paare reserviert ist. Er ist viel mehr. Eine Handlungsanleitung für uns alle.  Sie funktioniert, funktioniert nur, und ! weil, über der menschlichen Liebe die Liebe Gottes steht. Sie gibt unserem Leben die Fülle und schenkt uns die wichtigste Perspektive für unser Leben. „Nun aber bleiben Glaube, Liebe, Hoffnung, diese drei. Die Liebe aber ist die Größte unter ihnen.

Nehmen wir sie an und geben wir sie weiter. Amen

nach oben