Gottesdienst am Pfingstsonntag - 15.05.2016

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AWO, St. Johannis

Predigt:
Diakon Günter Neidhardt

"Das Pfingstwunder"

Gnade sei mit euch, von unserem Gott der da war, der da ist und der da kommt.

Predigttext: Apostelgeschichte 2,1-18

Das Pfingstwunder (1-13)

Und als der Pfingsttag gekommen war, waren sie alle an "einem" Ort beieinander. Und es geschah plötzlich ein Brausen vom Himmel wie von einem gewaltigen Wind und erfüllte das ganze Haus, in dem sie saßen. Und es erschienen ihnen Zungen, zerteilt wie von Feuer; und er setzte sich auf einen jeden von ihnen, und sie wurden alle erfüllt von dem Heiligen Geist und fingen an zu predigen in andern Sprachen,1 wie der Geist ihnen gab auszusprechen. Es wohnten aber in Jerusalem Juden, die waren gottesfürchtige Männer aus allen Völkern unter dem Himmel. Als nun dieses Brausen geschah, kam die Menge zusammen und wurde bestürzt; denn ein jeder hörte sie in seiner eigenen Sprache reden. Sie entsetzten sich aber, verwunderten sich und sprachen: Siehe, sind nicht diese alle, die da reden, aus Galiläa? Wie hören wir denn jeder seine eigene Muttersprache? Parther und Meder und Elamiter und die wir wohnen in Mesopotamien und Judäa, Kappadozien, Pontus und der Provinz Asien, Phrygien und Pamphylien, Ägypten und der Gegend von Kyrene in Libyen und Einwanderer aus Rom, Juden und Judengenossen, Kreter und Araber: wir hören sie in unsern Sprachen von den großen Taten Gottes reden. Sie entsetzten sich aber alle und wurden ratlos und sprachen einer zu dem andern: Was will das werden? Andere aber hatten ihren Spott und sprachen: Sie sind voll von süßem Wein.

Die Pfingstpredigt des Petrus (14-18)

Da trat Petrus auf mit den Elf, erhob seine Stimme und redete zu ihnen: Ihr Juden, liebe Männer, und alle, die ihr in Jerusalem wohnt, das sei euch kundgetan, und lasst meine Worte zu euren Ohren eingehen! Denn diese sind nicht betrunken, wie ihr meint, ist es doch erst die dritte Stunde am Tage; sondern das ist's, was durch den Propheten Joel gesagt worden ist (Joel 3,1-5): »Und es soll geschehen in den letzten Tagen, spricht Gott, da will ich ausgießen von meinem Geist auf alles Fleisch; und eure Söhne und eure Töchter sollen weissagen, und eure Jünglinge sollen Gesichte sehen, und eure Alten sollen Träume haben; und auf meine Knechte und auf meine Mägde will ich in jenen Tagen von meinem Geist ausgießen, und sie sollen weissagen.

Wir beten in der Stille um Gottes Segen für unser Reden und Hören. AMEN

Liebe Schwestern, liebe Brüder,

50 Tage nach dem jüdischen Passahfest strömen die gläubigen Juden wieder nach Jerusalem. 50 Tage nach Passah, feiern sie Shawuot, das Wochenfest, das Fest der Freude an der Thora, der Freude an Gottes Wegweisung zu einem guten Leben.

Auch die Anhängerschar des gekreuzigten und auferstanden Christus versammelt sich. „…. war einem Ort beieinander…“

Und, 50 Tage nach Ostern versammeln wir uns an diesem Sonntag, wie an jedem Sonntag, zum Gottesdienst, als Gemeinde, hier in unserer Kirche, wir sind „an einem Ort beieinander“.

Die meisten unter uns kennen sich, haben hier ihren mehr oder weniger angestammten (Stamm)platz. Man kennt sich. Und viele treffen sich ja nicht nur zum Gottesdienst, wir sehen uns auch unter der Woche. Im Seniorenkreis oder beim Frühstück in unserem Cafe „Verschnaufpause“. Konfirmanden kommen zum Konfiunterricht. Manche sind „ziemlich beste Freunde“, man bleibt unter sich.

Türe zu! Der Gottesdienst beginnt.

Ihr Lieben, natürlich ist es gut, dass der Glaube einen Ort hat. Unser Glaube braucht Orte der Gemeinschaft, an er geteilt wird, beglaubigt und gefeiert. Aber heißt das dann tatsächlich: Tür zu, Gottesdienst !?. Und kann man das Schild mit der Aufschrift „Gottesdienst, Kirche geschlossen“, das sich in manchen, besonders von Touristen besuchten Gotteshäusern hängt, nicht auch missverstehen? Nein, es ist nicht gut, wenn der Glaube allein bleibt, unter uns im stillen Kirchenkämmerlein.

Der Funke soll doch überspringen.

Und genau das geschieht, damals 50 Tage nach Ostern. Da kommt zur Gemeinde hinter den verschlossenen Türen plötzlich ein rauschen, ein wehen, ein brausen, ein stürmen, wie von einem starken Wind. Das ganze Haus wird davon erfüllt. Es ist der „wind of change“ (wie es in einem Lied der Scorpions heißt). Der Wind der Veränderung.

Und dieser Wind, dieser Sturm erfasst alle, verändert alle, treibt sie an, hält sie nicht mehr auf den Stühlen.  Ja es kommt ihnen vor, wie wenn Flammenzungen über ihnen zucken und sie werden „Feuer und Flamme“. Ängstliche bekommen Mut, Zögernde geraten in Bewegung, Unsichere bezeugen die Auferstehung Christi.

Türe auf! Der Gottesdienst beginnt. Raus hier!

Und diese BeGEISTerung zieht Menschen an. Menschen aus aller Herren Länder, aus allen damals bekannten Ländern, aus der ganzen Welt:

9 Parther und Meder und Elamiter und die wir wohnen in Mesopotamien und Judäa, Kappadozien, Pontus und der Provinz Asien,

10 Phrygien und Pamphylien, Ägypten und der Gegend von Kyrene in Libyen und Einwanderer aus Rom,

11 Juden und Judengenossen, Kreter und Araber:

Sie alle, Menschen verschiedenster Nationen, unterschiedlichster kultureller Prägung, Vorlieben, Traditionen, Gewohnheiten, Frömmigkeitsstilen natürlich unterschiedlichster Sprachen. Sie alle strömen zusammen. Sie alle hören die Christinnen und Christen in ihrer Muttersprache von den großen Taten Gottes reden. Und sie geraten außer sich vor Staunen: Jeder hört seine eigene Sprache und versteht. Jeder ist angesprochen!

Gottes Geist kennt keine Sprachbarrieren! Ganz im Gegenteil! Die Frohe Botschaft und alles was Gott für die Welt und für uns getan hat und noch tut, wird von Anfang an vielsprachig und vielstimmig weitergegeben. Es gibt keine Einheitssprache des Glaubens. Und die Menschen der vielen Völker, eigentlich aller bekannten Völker der damaligen Welt, die sich damals in Jerusalem versammelten mussten nicht erst auf Einheits-Glaubens-Sprache getrimmt werden, damit Gottes Botschaft ankommen konnte.

Sie blieben was sie waren, mit ihren unterschiedlichen Prägungen, Traditionen, Frömmigkeitsstilen. Meder und Perser und Araber und Europäer, ein vielfältiger bunter Haufen.

Sobald mehrere Menschen zusammen kommen, ist Vielfalt – auch bei uns, unter uns, heute und hier. Und wir werden hellhörig, wenn jemand die Sprache findet, die wir verstehen, die uns anspricht, die uns trifft.

Welch ein Reichtum ist diese bunte Verschiedenheit, diese bunte Vielfalt an Ausdrucksmöglichkeiten des Glaubens,  die uns in unserer Gemeinde, in unserer Kirche, ja in der ganzen weltweiten Kirche begegnet. Welch Reichtum ist es, dass wir unterschiedliche Glaubenserfahrungen teilen können und welche Bereicherung ist es, einander zuzuhören.

Diese Vielfallt den Glauben auszudrücken ist ein großer Schatz. Die einen sind empfänglich für die Sprache des Wortes. Dabei müssen Und wir müssen uns aber fragen lassen, wo der Ausdruck unseres Glaubens, wo die Worte  nur noch formelhaft wahrgenommen werden.  Es gibt ja tatsächlich so eine Art „Kirchensprache“ die sich nur noch im formelhaften ergeht. Es bleibt Anspruch, „dem Volk aufs Maul zu schauen“, wie es Luther formulierte, oder eben nach Paulus: Den Juden ein Jude sein, den Griechen ein Grieche und den Schwachen ein Schwacher“ (1.Kor.9)

Aber das Evangelium wird ja nicht nur durch reden weitergegeben. Manche erreicht das Evangelium deutlicher in der Sprache der Nächstenliebe. Durch kleine oder große Zeichen der Zuwendung, der Aufmerksamkeit, der Hilfe.

Das kann der Besuch bei der kranken Nachbarin sein, die Zeit für den einsamen Nächsten, das Engagement in der Flüchtlingsarbeit, der Kuchen der für den Gemeidetreff gebacken wird. Vielfältig sind die Beispiele, so vielfältig wie wir Christenmenschen eben sind.

Wieder anderen gehen Ohren und Herzen auf beim singen und musizieren. Auch hier sind die Musiksprachen besonders vielfältig. Von Bach bis Beatles (und ein bisschen weiter). Von der Kantate bis zum Anbetungslied und Gospel, mit Orgel oder Gitarre….. Freuen wir uns an der musikalischen Vielfalt, auch wenn nicht jedem alles gefallen muss.

Wieder andere wollen die großen Taten Gottes handgreiflich erfahren, etwa im Engagement für Frieden, für Gerechtigkeit und für die Bewahrung der Schöpfung.

Ihr Lieben, für den Glauben und spätesten seit Pfingsten wissen wir: Gottes Geist kennt keine Sprachbarrieren! Und wir werden hellhörig, wenn jemand die Sprache findet, die uns anspricht, die uns trifft.

Und eben so wenig wie es eine  Einheitssprache für den Glaubens gibt, gibt es Einheitsmenschen oder gar Einheitschristen. Die Lebensentwürfe der Menschen sind unterschiedlich, so unterschiedlich wie die Milieus aus denen sie kommen.

Welche Sprache jemand versteht, der gerne den traditionellen Gottesdienst besucht, scheint nicht so schwer zu sein. Welche Sprache finden wir aber für Emma, die jede freie Minute in der Kletterhalle verbringt. Wie sprechen wir mit Garo, der aus Syrien stammt und in unseren Kindergarten geht? Welche Sprache spricht Peter der in der Computerbranche arbeitet und welche Claudia, die an der Kasse im Supermarkt sitzt? Schwierig. Kennen wir sie überhaupt? Nehmen wir uns die Zeit für die Sorgen der alleinerziehenden Claudia, trinken wir mal ein Tasse Tee mit Emma, die sich bei Greenpeace engagiert.

Der ehemalige Ratsvorsitzende der Evang. Kirche in Deutschland, Wolfgang Huber diagnostizierte Berührungsängste seitens der Kirche zu Menschen mit anderen Lebensentwürfen, Menschen aus anderen Milieus, ich könnt auch sagen Menschen die sich nur noch ihrem Umfeld unter ihresgleichen bewegen. Und er folgert weiter: „Die Befreiung der Menschen aus der Milieugesellschaft  ist für die Reform der Kirche zentral.“

Wir feiern heute Pfingsten, den Geburtstag der Kirche. Lukas berichtet in der Apostelgeschichte vom feurigen und stürmischen Anfang der Kirche in Jerusalem.

Ängstliche bekommen Mut, Zögernde geraten in Bewegung, Unsicheren geht der Mund auf. Begeistert  reden sie von dem was ihr Herz erfüllt.

Die Türen werden aufgestoßen, Die Menschen die Gottesdienst feiern, bleiben nicht mehr unter sich. Begeistert sprechen sie von Gott, in einer Sprache die die Menschen verstehen.

Das war der Anfang, der Mut gemacht hat, die Initialzündung zur Verbreitung der christlichen Botschaft. Die führt dann Paulus bis zu den Menschen in Griechenland und Rom. Petrus traut sich zu dem römischen Hauptmann Kornelius. Philippus tauft den Kämmerer aus Äthiopien. Und letztlich kam das Evangelium bis zu uns und inzwischen bis an alle Enden der Welt.

Das darf uns Mut machen. Und der Geist Gottes ist es, der uns Mut macht.

Der die Türen aufmacht. „Türen auf, Gottesdienst“ Der uns auch mal aus vertrauten Räumen herausführt.

Ganz am Anfang wird aber immer unsere Bitte stehen: Gott schenk uns deinen Heiligen Geist, damit wir, beGEISTert die großen Taten Gottes mit allen (!) teilen.

AMEN

Der Friede Gottes der höher ist als unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen

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