Gottesdienst am 2. Sonntag nach Trinitatis (Jubelkonfirmationen) - 05.06.2016

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OWB, St. Johannis

Predigt:
Pfarrer Jörg Mahler

"Der heilige Tempel" oder
"Die Wohnung Gottes"

 

Predigttext: Epheserbrief 2,17-22

Und er ist gekommen und hat im Evangelium Frieden verkündigt euch, die ihr fern wart, und Frieden denen, die nahe waren. Denn durch ihn haben wir alle beide in "einem" Geist den Zugang zum Vater. So seid ihr nun nicht mehr Gäste und Fremdlinge, sondern Mitbürger der Heiligen und Gottes Hausgenossen, erbaut auf den Grund der Apostel und Propheten, da Jesus Christus der Eckstein ist, auf welchem der ganze Bau ineinander gefügt wächst zu einem heiligen Tempel in dem Herrn. Durch ihn werdet auch ihr mit erbaut zu einer Wohnung Gottes im Geist. 

Predigt: 

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus, und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen. Amen. 

Lasst uns in der Stille um den Segen Gottes für die Predigt bitten. 

Herr, schenke uns ein Herz für dein Wort und ein Wort für unser Herz. Amen. 

Liebe Schwestern und Brüder! 

Jeder von uns wohnt in einer Wohnung oder vielleicht sogar in einem eigenen Haus. Vier Wände um uns herum und ein Dach 

über dem Kopf sind wichtig: Sie schützen uns vor Sturm und Regen, vor Kälte und der Sommersonne. In unserer Wohnung kochen und essen wir, wir schlafen und erholen uns – dadurch sorgen wir für unseren Körper. Und auch für unser Herz tun wir viel in unseren 4 Wänden: Wir richten uns gemütlich ein, verbringen hier Zeit mit Menschen, die uns wichtig sind, wir informieren uns beim Zeitungslesen oder entspannen uns bei einem guten Buchs oder vor dem Fernseher. 

Im Epheserbrief haben wir heute von einem anderen Haus gehört, das auch unserem Körper, der Seele und dem Herzen guttut, und zwar vom Haus Gottes. Erinnern Sie sich, was der Apostel schreibt?: So seid ihr nun nicht mehr Gäste und Fremdlinge, sondern Mitbürger der Heiligen und Gottes Hausgenossen. 

Bei „Gottes Hausgenossen“ musste ich an die Kinder einer Familie denken, die nicht weit von unserer Kirche wohnen. Morgens hören sie unser Glockenläuten, und sie haben zu ihren Eltern gesagt: „Der Pfarrer Mahler ist jetzt auch schon wach!“. Sie dachten, ich wohne hier in der Kirche und läute jeden Morgen die Glocken. Für ein Kind eine logische Vorstellung: Der Pfarrer wohnt im Haus Gottes, ist Gottes Hausgenosse. Im Epheserbrief meint „Haus Gottes“ allerdings kein Gebäude aus Steinen wie unsere St. Johanniskirche, sondern, wie es der Apostel nennt: „eine Wohnung Gottes im Geist“. Gottes Hausgenossen – das sind also Menschen, die nicht nur in ihren eigenen Wohnungen und Häusern zu Hause sind, sondern die zugleich bei Gott beheimatet sind, bildlich gesprochen: die in seinem Haus wohnen. 

Dieses unsichtbare geistliche Haus Gottes möchte ich heute in der Predigt mit ihnen gemeinsam näher anschauen. Und dazu habe ich mir drei Fragen überlegt: 

1. Wer wohnt denn in diesem Haus Gottes? Wer ist so ein Hausgenosse Gottes? 

2. Wo finden wir die Türe, bzw. wie kommt jemand hinein ins Haus Gottes? 

3. Welche Zimmer gibt es dort? Wie sieht es dortdrin aus? Wie ist es, dort zu wohnen? 

Zuerst also: Wer ist denn alles so ein Hausgenosse Gottes? Der Apostel spricht zwei Gruppen von Menschen an: diejenigen, die nahe waren, und diejenigen, die fern waren. Diejenigen, die nahe bei Gott waren, das sind die Christen, die zuvor Juden waren. Das Judentum ist das erwählte Volk Gottes, sie waren schon immer Gott nahe. Und diejenigen, die fern waren, das waren die Menschen aus anderen Völker, die an die griechischen und römischen Götter geglaubt hatten. 

Menschen aus beiden Gruppen haben sich ansprechen lassen vom Evangelium. Menschen aus beiden Gruppen haben Jesus als den Messias erkannt und sich taufen lassen. Ihnen sagt der Apostel: Ihr seid Gottes Hausgenossen. 

Wie steht es da mit uns? Sind wir auch solche Hausgenossen Gottes? 

Die meisten von uns wurden als Kinder getauft. Die Taufe macht deutlich: Du gehört zu Gott. Gott steht auf deiner Seite. Durch die Taufe wird ein Mensch zum Hausgenossen Gottes. In der Konfirmation sagen wir, die ja als Kinder nicht gefragt wurden, dazu dann Ja: Ja, Gott, ich will mit dir leben, will dein Hausgenosse sein. Im Laufe des Lebens dann ist es genauso, wie mit unseren irdischen Hausgenossen: Man kann mit ihnen viel Kontakt haben, oder aber überhaupt nicht. 

In der Blüte des Lebens gibt’s viel zu tun: sich eine Existenz aufbauen, die Arbeit, eine Familie gründen, vielleicht ein Haus bauen. Für manche ein Grund, Gott für all das zu danken, was er schenkt und was gelingt. Bei anderen bleibt da mitten in aller Aktivität keine Zeit für Gott. Im Leben gibt’s nicht nur gute Zeiten: Manch einer unter uns, der großes Leid erlebt hat, der hat es nur durchgestanden, weil Gott ihm die Kraft gegeben hat und ihn weitergetragen hat. Andere wiederum hat ein schlimmes Schicksal an Gott zweifeln lassen. Die einen unter uns hatten Zeit ihres Lebens engen Kontakt mit ihrem Hausgenossen Gott, die anderen hatten Zeiten, in denen sie eng bei Gott waren und Zeiten, in denen er kaum eine Rolle gespielt hat, wieder andere haben ihn sehr schnell nach der Konfirmation einen „guten Mann“ sein lassen, und sind vielleicht sogar aus dem Haus Gottes wieder ausgezogen, aus der Kirche ausgetreten. Die Lebens- oder besser gesagt Glaubensgeschichten sind sehr verschieden. 

Dabei ist es doch eigentlich etwas Wundervolles, Gottes Hausgenosse zu sein, etwas, das nicht zu allen Zeiten so möglich war. Dieser Zugang zu Gott war für die Menschen lange Zeit verschlossen. Das kommt auch in der Architektur des Jerusalemer Tempels zum Ausdruck: Es gab im Tempel einen Bereich, den man das „Allerheiligste“ nannte. Dort ruhte die Bundeslade mit den Geboten, durch einen Vorhang abgetrennt vom Rest des Tempels. Man glaubte, dass dort Gott ganz besonders gegenwärtig sei. Dorthin durfte nur der Hohepriester, und das auch nur einmal im Jahr. Das zeigt, dass die Menschen ein Gespür dafür hatten, dass sie als Sünder nicht in die Gegenwart des Heiligen Gottes treten können. Ähnlich ist es auch in den orthodoxen Kirchen: Da gibt es die Ikonostase. Sie trennt den Bereich des Himmels vom Bereich der Menschen. Nur der Priester darf die Türe durchschreiten 

und zwischen beiden Welten vermittelt. Der Apostel aber erinnert uns: Durch Jesus Christus haben wir [alle beide in "einem" Geist] den Zugang zum Vater. Jesus ist also so etwas wie die Haustüre zu Gott. Sein Tod und seine Auferstehung zeigen uns die Liebe Gottes und seine Vergebung. Gott bleibt der Heilige, und wir bleiben Sünder, aber wir dürfen trotzdem die Trennwand durchschreiten, er kommt zu uns und wir dürfen zu ihm kommen. Deshalb zerriss in der Todesstunde Jesu der Vorhang im Tempel. Und deshalb haben wir in unseren lutherischen Kirchen auch keine Trennwand zwischen Altar und der Gemeinde: Jeder darf zum Altar kommen. Und das werden wir heute auch praktizieren: Sie sind heute eingeladen, am Altar ganz persönlich den Segen Gottes zu empfangen, und ihm dann in Brot und Wein zu begegnen. 

Bei Gott sein zu dürfen war nicht immer selbstverständlich und ist etwas großartiges. Jesus Christus hat uns die Türe aufgetan. Ich muss da an das Haus in Simferopol auf der Krim denken, wo ich vier Jahre gewohnt habe. Dieser Plattenbau hat eine ganz alte Haustüre, die in der Mitte ein großes Loch hat, und die so alt ist, dass man sie gar nicht mehr zusperren kann. Jeder, der will, konnte in dieses Haus kommen. Ich denke, dass das mit dem Haus Gottes genauso ist: Die Tür steht immer offen. Jeder kann kommen und jeder ist bei Gott willkommen. Egal, ob er schon als junger Mensch zum Glauben gefunden hat, oder ob er sich erst auf dem Totenbett bekehrt. Vor Gott sind wir alle gleichgestellt, sind alle gleichwertige „Mitbürger der Heiligen“. Wer aber erst spät zum Glauben gefunden hat, der konnte viel zu lange nicht die positiven Erfahrungen machen, die das Wohnen im Haus Gottes schenkt. Der konnte nicht den Halt erfahren, den wir an der Hand Gottes finden. Der konnte nicht die Geborgenheit erleben, die das Gottvertrauen schenkt. 

Da sind wir bei meiner dritten Frage: Wie ist das denn, im Haus Gottes zu wohnen? 

Ich bleibe beim Bild des Hauses und stelle mir vor, dass es auch im Haus Gottes verschiedene Zimmer gibt. Zu ihnen schreibt der Apostel nichts, aber ich lasse meine Fantasie spielen: 

Im Haus Gottes wird es eine Küche geben: Die Küche ist in unseren Wohnungen der Raum, wo für die ganze Familie gekocht wird. Essen gibt Kraft. Der Prophet Jesaja sagt einmal: „Dein Wort ward meine Speise, sooft ich's empfing, und dein Wort ist meines Herzens Freude und Trost.“. Gottes Wort eröffnet uns neue Blickwinkel auf unser Leben und unseren Glauben, es korrigiert uns und macht Mut. Unser 

Apostel nennt das Wort Gottes, die Botschaft und die Erfahrungen der Apostel und Propheten, sogar das „Fundament“ des Hauses Gottes. Und noch eine Speise gibt es in der Küche Gottes: Brot und Wein, Jesu heilsame Gegenwart, die er uns heute wieder schenken wird. Verlassen wir die Küche und gehen eine Türe weiter. 

Wir kommen ins Wohnzimmer. Dort trifft man sich, feiert man, ist man lustig. Im Haus Gottes sind wir nicht alleine, wir sind Mitbürger wie es der Apostel nennt. Das Wohnzimmer kann die Gemeinschaft sein, die wir als Gemeinde miteinander haben: in den Gruppen und Kreisen oder bei privaten Begegnungen. Gemeinschaft tut gut. Wir brauchen Gemeinschaft, um unseren Glauben zu leben, um uns gegenseitig zu stärken und Mut zu machen, oder auch um einfach nur Gott und das Leben zu feiern. 

In jeder Wohnung gibt es noch etwas Wichtiges: einen kleinen Putzschrank, in dem wir Wischer und Lappen finden. Es ist wichtig, dass jemand die Arbeiten in der Wohnung sieht und sauber macht. Auch in der Gemeinde ist es wichtig, dass Menschen sehen, was zu tun ist, wer Hilfe braucht, und dass sie anpacken und einander helfen. Zum Glück haben wir so viele Menschen, die sich in St. Johannis engagieren, zum Wohl der anderen – egal, ob sie sich beim Besuchsdienst Zeit für andere nehmen oder tatkräftig mit anpacken, wenn es gilt, beim Gemeindefest Tische aufzustellen. Beim Putzschrank denke ich aber auch an die Beichte, wo wir unsere Schuld loswerden, wo das, was auf uns lastet, abgewaschen wird. 

Und schließlich gibt es das Schlafzimmer, der Ort, wo sich unser Körper entspannt und zur Ruhe kommt. Das Schlafzimmer im Haus Gottes ist vielleicht das Gebet: Im Gebet bringen wir Gott all das Gute und all das, was uns Sorgen macht. Wir legen es vor ihm ab, und so kann uns leichter ums Herz werden und wir können entspannen. 

So ähnlich hat das vor einiger Zeit eine Frau bestätigt, die erzählt hat: „Als ich vom Arzt erfuhr, dass ich Krebs habe und operiert werden muss, da war ich richtig geschockt. Da bin ich in die Krankenhauskapelle rausgegangen und habe das alles Gott gesagt. Das hat mir irgendwie die Angst genommen.“. Und die Frau meinte noch: „Herr Pfarrer, wie können die Menschen nur eine solche Mitteilung ohne Gott aushalten?“. Ja, glücklich der, der bei Gott zu Hause ist, den es in allen Situationen treibt Gott aufzusuchen, seine Nähe zu suchen, sich in seine Hände zu bergen. Martin Luther sagt: „Wenn ich an Christus glaube, bin ich daheim in meinem Vaterhaus.“. Das gilt bis in unsere letzte Stunde hinein: Wenn wir einmal unsere irdischen Häuser und Wohnungen verlassen, alle unsere Zelte hier abbrechen müssen, dann warten auf uns die himmlischen Wohnungen, die Christus den Seinen verheißen hat.  

Ein letztes Zimmer erwähne ich noch: Das Kinderzimmer. Da lebt der Nachwuchs drin. Es ist wichtig, dass wir unseren Kindern, Enkeln und Urenkeln auch den Glauben mitgeben, dass sie lernen, diese Kraft aus der Höhe anzuzapfen. Denn dann lebt es sich ruhiger, wenn man weiß, dass man beim himmlischen Vater immer geborgen ist. Unsere Gemeinde bemüht sich darum in den Kindergärten und dann später im Konfi-Unterricht. Aber wir alle tragen mit Verantwortung, dass unsere Jungen das Haus Gottes kennen- und lieben lernen. 

Am Ende des Predigttextes spricht der Apostels nun uns an: Durch Jesus Christus werdet auch ihr mit erbaut zu einer Wohnung Gottes im Geist. 

Es geht um uns! Der Apostel sagt: Du bist oder wirst ein lebendiger Stein von Gottes Haus. Du bist wichtig, ohne Menschen wie dich gäbe es das Haus Gottes nicht, gäbe es nicht die Gemeinde, in der Menschen zusammenhalten, gestärkt werden und zu neuen Wegen in ihrem Leben finden. Du bist, ihr seid, wir sind das Haus Gottes, wir alle, die zu unserem Gott gehören. 

Die Tür ist offen, jederzeit können wir reingehen. Jesus lädt uns ein und spricht: „kommt her zu mir alle, ich will euch erquicken!“. Wer hinein möchte, der braucht nur die Hände zu falten und zu seinem Herrn zu sagen: „Gott, ich war lange nicht bei dir. Ich weiß aber, wie wichtig das ist, bei dir zu sein. Jetzt bin ich da, und ich will bei dir bleiben.“. Und wer von uns drin ist, der kann heute sagen: „Gott ich danke dir, dass ich bei dir zu Hause sein darf. Ich bin gerne da.“. 

Gott schenke uns, dass wir alle gerne in seinem Haus leben, dass wir selbst gerne ein Teil von seinem Haus sind. 

Ich schließe mit einem Lied über dieses Haus Gottes von Manfred Siebald: 

In deinem Haus bin ich gern, Vater, wo du mein Denken füllst; da kann ich dich hören, Vater, sehn, was du willst. In deinem haus will ich bleiben, Vater; du weist mich nicht hinaus, und nichts soll mich vertreiben, Vater, aus deinem Haus. 

Ich gebe dir mein Leben, die Sorgen und das Glück; willst du mir's wiedergeben, behalt, was dir an mir missfällt, zurück. 

In deinem Haus bin ich gern, Vater, weil du die Sonne 

bist und nicht nur ein Stern, Vater, der mich vergisst. In deinem Haus will ich bleiben, Vater; füll du mich völlig aus, und nichts soll mich vertreiben, Vater, aus deinem Haus. 

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen

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