Altjahresabend in St. Hedwig am 31.12.2016

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St. Hedwig

Predigt:
Pfarrer Jörg Mahler

"Jesus soll die Losung sein"

Predigt zu EG 66

Gnade sei mit Euch und Friede von dem, der da ist, der da war und der da kommt, Christus Jesus, unserem Herrn. Amen.

  1. Jesus soll die Losung sein,
    da ein neues Jahr erschienen,
    Jesu Name soll allein
    denen heut zum Zeichen dienen,
    die in seinem Bunde stehen
    und auf seinen Wegen gehen.

    2. Jesu Name, Jesu Wort
    soll bei uns in Zion schallen;
    und so oft wir an den Ort,
    der nach Ihm genannt ist, wallen,
    mache seines Namens Ruhm
    unser Herz zum Heiligtum.

 „Jesus soll die Losung sein“ – die ersten beiden Strophen des gleichnamigen Liedes haben wir gerade eben gesungen. Dieses Lied möchte ich heute Abend mit Ihnen in der Predigt näher betrachten.

Jesus soll die Losung sein.

Ich bleibe gleich beim Wort „Losung“ stehen: Was genau ist denn eine Losung, zu was braucht man sie?

Ali Baba, der bekannte Held aus 1001-Nacht, findet eine Losung heraus, mit der sich der Berg der Räuberbande auftut und mit er er die Geheimnisse der Höhle erkunden kann: „Sesam öffne dich“.

Und wie war das in jenem anderen Märchen mit dem Kind der Königin? Sie hat drei Tage Zeit, den Namen jenes kleinen Knoms rauszufinden. Ansonsten muss sie ihr Kind hergeben. Und der freut sich derweil und tanzt um sein Feuer und singt: „Ach wie gut, dass niemand weiß, dass ich Rumpelstilzchen heiß“. Rumpeltilzchen, dieser Name ist die richtige Parole, mit der das Kind schließlich gerettet wird.

Und es gibt auch ganz persönliche Losungen, Lebensmottos, wie das des Turnvaters Jahn: „frisch, fromm, fröhlich frei“. Ein Motto, dem jemand sein Leben unterordnet, und das ihm guttut. Ich habe im Internet eine ganze Seite gefunden, auf der man sich solche Lebensmottos für sich selbst aussuchen kann. Ein Beispiel: Du kannst den Wind nicht ändern, aber Du kannst die Segel anders setzen.

Unser heutiges Lied kennt auch so eine Parole, ein Lebensmotto: „Jesus soll die Losung sein“.

Benjamin Schmolck, der das Lied 1725 geschrieben hat, sagt gleich in der ersten Strophe, wer diese Parole „Jesus“ verwenden soll und wann:  

Zuerst: Wann?

Jesus soll die Losung sein,
da ein neues Jahr erschienen,

Das Wörtlein „Jesus“ soll die Parole fürs neue Jahr sein, soll der Schlüssel und das Motto für 2017 werden. Nicht zufällig betont Benjamin Schmolck zum Jahreswechsel den Namen „Jesus“, denn schließlich ist der 1.Januar der Festtag der Beschneidung und Namensgebung Jesu. Am achten Tag nach seiner Geburt gaben die Eltern dem kleinen Jungen, der in Bethlehem geboren wurde, im Tempel den Namen Jesu. Mit einem Jesustag beginnt Morgen das Jahr. Und Jesus, das soll die Parole für dieses neue Jahr sein.

Aber für wen?

Jesu Name soll allein
denen heut zum Zeichen dienen,
die in seinem Bunde stehen

In seinem Bunde da stehen wir alle: In den Bund, den Gott immer wieder mit den Menschen geschlossen hat, mit Abraham, mit Noah und durch Jesus Christus mit aller Welt, in diesen Bund sind wir durch unsere Taufe aufgenommen. Wir gehören zu Gott. Aber die Taufe allein reicht nicht, um Christ zu sein, eines muss noch dazukommen:

die in seinem Bunde stehen
und auf seinen Wegen gehen.

Getauft sein und mit Gott leben. Wer eine echte Beziehung zu Gott hat, für den ist das Lied gedacht. Dem empfiehlt es: Jesus soll die Losung für dein neues Jahr sein.

Ein Christ trägt den Namen Jesu ja sowieso schon, aber wir wollen nicht nur nach ihm heißen, sondern ihn als Losung, als Motto verwenden, bewusst, als Losung einsetzen.

Ich frage mich und uns deshalb heute Abend: Entdecke ich mit diesem Losungswort auch Geheimnisse wie Ali Baba? Rettet ähnlich wie beim Rumpelstilzchen auch diese Losung vor irgendetwas? Zahlt es sich aus, gerade dieses Losungswort fürs eigene Leben auszuwählen?

Machen wir uns auf, Antworten zu finden und singen miteinander die dritte und die vierte Strophe:

3. Unsre Wege wollen wir
nun in Jesu Namen gehen.
Geht uns dieser Leitstern für,
so wird alles wohl bestehen
und durch seinen Gnadenschein
alles voller Segen sein.

4. Alle Sorgen, alles Leid
soll der Name uns versüßen;
so wird alle Bitterkeit
uns zur Freude werden müssen.
Jesu Nam sei Sonn und Schild,
welcher allen Kummer stillt.

Jesus soll die Losung sein.

Ein kleines Wörtlein, ein Name – so wenig, und doch sehr viel.

Jesus – bei diesem Namen schimmert soviel mit. An was denken Sie, wenn Sie Jesus hören?

An Weihnachten, als er geboren wurde: ein Mensch, wie wir alle, doch zugleich Gottes Sohn.

An sein Leben: wie er Kranke geheilt, Matten Kraft gegeben, Müden das rechte Wort zu rechten Zeit gesagt, Menschen einfühlsam zur Einsicht und Umkehr geführt hat, wie er vom Verzeihen, von der Gottes- und Nächstenliebe sprach.

Daran, dass er einen bitteren Weg gehen musste und schließlich am Kreuz gestorben ist.

Daran, dass er den Tod besieht hat, dass er auferstand und zur rechten Gottes sitzt.

Jesus, das ist mehr als ein Wort oder eine Parole. Jesus – hinter diesem Namen steht eine Geschichte, in der der Himmel in die Erde einbricht.

Es ist gut, diese Parole in verschiedenen Lebenssituationen parat zu haben, Jesus dabeizuhaben:

I.

Geht uns dieser Leitstern für,
so wird alles wohl bestehen

Jesus ist ein Leitstern, der mich durch verschiedene Herausforderungen sicher leitet: Ich habe gerade erst aus dem Leben Jesu erzählt. Ich kann mich und meine jeweilige Situation häufig in Menschen widerfinden, die Jesus begegnet sind. Jesu Worte an diese Menschen sind dann auch Worte an mich. Worte, die mich aufbauen, die einen Perspektivwechsel ermöglichen, die mir den Spiegel vorhalten. Worte, die mich leiten.

Geht uns dieser Leitstern für,
so wird alles wohl bestehen

Sich immer wieder fragen: Was würde Jesus in dieser oder jener Situation tun, das ist sehr hilfreich.

„Jesus“ als ein Lebensmotto haben, das inspiriert. Dahinter verbirgt sich eine Sicht auf unsere Wirklichkeit, die mit Gott rechnet, und die auch dazu führt in Verantwortung vor ihm in der Welt zu leben.

II.

Mit Jesus werden wir aber auch Geheimnisse und Schätze entdecken, so wie die Ali Baba die Schätze der Höhle:

a.

und durch seinen Gnadenschein
wird alles voller Segen sein

Gott ist der, der uns segnet: der uns reichlich versorgt mit allem, was wir zum Leben brauchen, mit dem täglichen Brot, aber auch mit Liebe und Geborgenheit. Sein Segen lässt uns vieles gelingen. Sein Segen hinterlässt viele Spuren. Die ein oder andere Segensspur ist ihnen bestimmt vorhin schon ins Gedächtnis gekommen, als sie auf das zurückgeblickt haben, was in diesem Jahr schön und gut war. All das sind Schätze, die uns Jesus schenkt.

b.

Aber zum Leben gehören auch die anderen Seiten. Aber auch da lässt sich mit Jesus als Losung ein Geheimnis entdecken:

Alle Sorgen, alles Leid
soll der Name uns versüßen;
so wird alle Bitterkeit
uns zur Freude werden müssen.

Benjamin Schmolck dichtet in einer sehr verblümten Sprache. Ich weiß nicht, ob unsere Sorgen und unser Leid immer zur Freude wird, wie er sagt. Schlimmes leid bleibt Leid, und da klage ich auch. Was aber stimmt ist das, dass wir in unseren Sorgen und unserem Leid nicht fern von Jesus sind. Er hat selbst gelitten und ist einen schweren Weg gegangen. Er weiß, wie es uns in solchen Momenten geht. Und gerade dadurch schenkt er Kraft, macht er Mut, den schweren Weg weiterzugehen, wie er ihn ging. Gerade da erleben wir, wie er uns trägt. Er hilft, durchzuhalten und zu überwinden. Und dass er das tut, das ist dann vielleicht jene Freude in allem Leide, die wir als Christen haben. Es ist ein Geheimnis, das uns dieses Losungswort „Jesus“ auftut: dass wir eben nicht am Leiden zerbrechen müssen, sondern dass uns Gott da mitten hindurch eine Zukunft auftut.

Erinnern Sie sich an die Lesung? Dort wurden die Apostel verhört, weil sie einen Kranken geheilt hatten:

„Aus welcher Kraft oder in welchem Namen habt ihr das getan?“

Es gibt diese besondere Kraft, die Menschen überkommt, Außergewöhnliches zu tun und Außergewöhnliches auszuhalten:

Petrus antwortete den Anklägern: Im Namen Jesu Christi von Nazareth, den ihr gekreuzigt habt, den Gott von den Toten auferweckt hat; durch ihn steht dieser hier gesund vor euch.

11 Das ist der Stein, von euch Bauleuten verworfen, der zum Eckstein geworden ist.

12 Und in keinem andern ist das Heil, auch ist kein andrer Name unter dem Himmel den Menschen gegeben, durch den wir sollen selig werden.

III.

„Ach wie gut dass niemand weiß, dass ich Rumpelstielzchen heiß!“

Die Prinzessin hat diesen Namen trotzdem herausgefunden und nennt ihm im letzten entscheidenden Augenblick. Und – ihr Kind ist gerettet.

Auch der Name Jesu ist, wie gerade vom Apostel Petrus gehört, so ein Rettungsname.

Jesu Nam sei Sonn und Schild,
welcher allen Kummer stillt.

Der größte Kummer, den wir als Menschen haben, das ist der Tod. Einen lieben Menschen müssen wir hergeben, oder wir ringen selber damit, dass unser Glaube stärker ist als alle Angst und alle Zweifel an dem, was da einmal auf uns zukommen mag.

Ein Name rettet: Jesus. Er ist der, der unsere Schuld am Kreuz überwand. Er ist der, der den Tod besieht hat. Christ, der Retter ist da! Wer wollte diese Parole nicht kennen, die Zukunft schenkt und selbst im Sterben rettet?

Noch einen letzten Aspekt bringt unser Lied in unser Nachdenken heute Abend ein:

Wir haben am Anfang des Gottesdienstes auch auf unser gesellschaftliches Leben zurückgeblickt. Auch dafür ist der Name Jesu eine gute Losung. Das meine nicht nur ich, sondern auch die 5.Strophe unseres Lieds, die wir nun noch gemeinsam singen:

5. Jesus, aller Bürger (Völker) Heil,
und der Stadt (unserm Land) ein Gnadenzeichen,
auch des Landes (unsres Ortes) bestes Teil,
dem kein Kleinod zu vergleichen,
Jesus, unser Schutz uind Hort,
sei die Losung fort und fort.

Jesus hat auf dem Hintergrund seines jüdischen Glaubens durch sein Leben, durch seine Worte und Taten die Werte unserer Gesellschaft entscheidend mitgeprägt. Diese Werte ermöglichen Leben in Freiheit und sie unterstützen die Schwachen. Diese Werte haben viele Gesetze geprägt und wie wir uns in der Gesellschaft benehmen. Diese Werte sind aber gefährdet. Besonders absurd ist es, wenn sich bestimmte Gruppierungen auf unsere christlich-abendländische Tradition berufen, ihre ausländerfeindlichen Parolen aber genau entgegengesetzt zu dem sind, was uns sowohl das Alte als auch das Neue Testament lehrt. Besonders absurd ist es, wenn ein Erzbischof von Mitchristen mit dem Tod bedroht wird. Die Werte schützen Menschen, sie ermöglichen Freiheit und Gerechtigkeit. Aber wir müssen scheinbar in Zukunft noch stärker für sie eintreten und sie leben. Nur so bleibt Jesus auch der Schutz und Hort der Gemeinschaft, in der wir leben.

Liebe Gemeinde!

Jesus – ein Lebensmotto, das uns und unsere Welt gut leitet; eine Losung, die uns Lebensschätze und Geheimnisse auftut; eine Parole, mit der wir vor Sünd und Tod gerettet werden.

Wer wollte da noch anderer Meinung sein?

Ja, Jesus soll die Losung sein!

Und deshalb muss ich Schmolcke auch widersprechen: Er empfiehlt diese Losung für das neue Jahr. Ich meine, sie taugt für ein ganzes Leben. Und er engt den Kreis derer, denen er diese Losung empfiehlt, auf die getauften Christen ein, die mit ihrem Herrn leben. Aber eigentlich wäre das doch eine Losung für alle Menschen.

Aber heute Abend ist dieses Lied an uns gerichtet. Ich möchte mit Benjamin Schmolcke einladen, dass wir uns vielleicht jetzt, heute Abend, wieder neu und ganz bewusst für Jesus entscheiden.

Eingangs habe ich von jener Internetseite erzählt, auf der man sich ein Lebensmotto aussuchen kann. Ja, es stimmt, das ist manch guter Spruch dabei, der der einen oder anderen Situation hilfreich sein kann. Aber kann so ein Motto ein ganzes lang Leben tragen? In all den Herausforderungen, die das Leben und auch einmal das Sterben mit sich bringen? Ich jedenfalls gebe Benjamin Schmolck recht:

Jesus unser Schutz und Hort,

sei die Losung fort und fort. Amen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als all unsere Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.

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