Predigt im Gottesdienst am Heili-gen Abend (24. Dezember 2013)

Bildrechte beim Autor

St. Johannis, Rödental

Predigt:
Pfarrer Jörg Mahler

"Das Geheimnis des
Glaubens"

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus, und die Liebe Gottes, und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen. Amen.

Der biblische Text für die Weihnachtspredigt 2013 ist ein Satz des Apostels Paulus, den er an seinen Mitarbeiter Timotheus im 3.Kapitel des gleichnamigen Briefes schreibt, der 16.Vers. Dort heißt es:

Und groß ist, wie jedermann bekennen muss, das Geheimnis des Glaubens:

Er ist offenbart im Fleisch, gerechtfertigt im Geist,

erschienen den Engeln, gepredigt den Heiden,

geglaubt in der Welt, aufgenommen in die Herrlichkeit.

Soweit die Worte der Heiligen Schrift.

Lasst uns um den Segen für die Predigt bitten:

Herr, lass Dein Wort unseres Fußes Leuchte und ein Licht auf unserem Wege sein. Amen.

Liebe Gemeinde!

Weihnachten ist das Fest der Familie: Millionen von Menschen reisen durch Deutschland und die ganze Welt, um an Weihnachten zu Hause zu sein, um das Fest im Kreis der Lieben zu verbringen.

Unterm Christbaum, da sind sie oft alle versammelt: die Oma und die Enkelkinder, die Eltern und Geschwister. So Weihnachten zu feiern ist der Wunsch der meisten, auch der diensthabenden Schwestern im Krankenhaus, die nicht wegkönnen, aber dort zumindest ein O du fröhliche anstimmen. Es ist auch der Traum vom Nachbarn, der alleine feiert, weil seine Tochter weit weg wohnt  und er von der Frau getrennt ist. Der Schaffner freut sich, wenn um 23.30 Uhr heute Feierabend ist. Und unsere Soldaten in Afghanistan machen es sich um den kleinen Baum im Container gemütlich und denken beim Schein der Kerzen an zu Hause.

Nahezu jeder hat heute und nicht nur heute tief in sich die Sehnsucht nach Nähe, Geborgenheit und Frieden. Ganz egal, welche Herausforderung er mit sich herumträgt: Einmal den harten Job hinter sich lassen, und den Streit mit einem lieben Menschen, die Krankheit vergessen und den Ärger mit den Ämtern, in der Einsamkeit den Wunsch nach Gemeinschaft.

„Frohes Fest“ wünsche ich jedem gerne und von Herzen, und dann in einer Woche ein „gesegnetes neues Jahr“ - also das Beste an Weihnachten und im Leben – im Wissen, dass fast jeder, dem ich das wünsche vor seiner eigenen Herausforderungen steht.

Gott wünscht sich für seine Menschen auch nur das Beste.  Bei ihm bleibt es nicht beim Wunsch, er macht ihn wahr. Deshalb hat er den Entschluß getroffen: Ich komme zu meinen Menschen. Ich begegne ihnen auf Augenhöhe. Ich will sie stützen, ihnen auf und weiterhelfen. Für den Apostel Paulus ist das ein Wunder, er spricht vom großen Geheimnis des Glaubens: Gott ist offenbart im Fleisch. Der große Gott, Herr des Himmels und der Erde, kommt zu uns!

Und so geschah es also: Da wurde ein Kind geboren, in jenem armen Stall in Bethlehem. Vielleicht dort, wo heute die Geburtsgrotte zu finden ist, aus der das Bethlehemlicht stammt, das den langen Weg sogar bis in unsere Kirche zurückgelegt hat und heute auf dem Altar steht. Schon dieses Kind hat Heil und Frieden gebracht: Die Hirten, einfachste Menschen mit einem sehr harten Leben, waren die ersten, die die frohe Botschaft vom Engelschor erfuhren und dem Neugeborenen huldigten: In ihrer Nacht wurde es hell: Hoffnung auf eine gute Zukunft haben sie geschöpft, eine Freude hat sich in ihnen ausgebreitet, an der sie jedem teilhanen ließen. Und auch die Gelehrten aus dem Orient kamen. Der Stern hatte ihnen gezeigt: Der, der da geboren wird, ist der Friedenskönig, der auch die gesellschaftlichen Verhältnisse zum Guten führen kann. Diesem König schenkten sie Gold als Zeichen seiner Herrschaft, Weihrauch als Zeichen seiner Verbindung mit Gott, und bittere Myrre als Zeichen seines Leidenswegs, der die Folge seines Einsatzes für Frieden und Heil sein wird.

Gott ist offenbart im Fleisch: Die Freude und Hoffnung von Hirten und Weisen sind gleichsam die Ouvertüre dessen, was dann folgt, als dieses Jesuskind im Alter von 30 Jahren beginnt zu predigen, Kranke gesund zu machen, zu den Ausgegrenzten und Ausgestoßenen zu gehen. Schnell merkten die Menschen: In diesem jungen Mann begegnet uns Gott selbst. Durch ihn wirkt Gottes Geist. Darauf blickt Paulus, wenn er dem „Er ist offenbart im Fleisch“ hinzusetzt: „Er ist „gerechtfertigt im Geist“, oder in anderen Worten: Jesus „wurde als Sohn Gottes beglaubigt durch den Geist Gottes.“ (Jörg Zink). Dass Gott in Jesus Christus Mensch geworden ist,  das ist erkennbar im Geist, der durch und in ihm wirkt. Nichts anderes als das meint auch das „geboren von der Jungfrau Maria und empfangen vom Heiligen Geist“: Gottes Geist ist untrennbar mit ihm verbunden. Dieser  göttliche Mensch und menschliche Gott, der im Alter von 33 Jahren starb und auferstand, hat unzähligen Menschen Frieden und Heil gebracht. Nicht nur denen, die ihm damals in Palästina persönlich begegnet sind.

Paulus stellt staunend fest: „Er wurde gepredigt den Heiden und geglaubt in der Welt.“. Wer diesen Frieden und dieses Heil erlebt hat, der trug und trägt das weiter wie die Hirten in der Weihnachtsnacht oder der Apostel Paulus, der unermüdlich die großen Städte des römischen Reichs bereiste. Und immer mehr Leute ließen sich ein auf diesen Jesus, und machten die gleiche Erfahrung wie die Hirten und die Könige durch die Zeiten hindurch: Wo sein Name genannt wird, da wird Zerbrochenes heil, da zieht Friede ein. Er wurde gepredigt den Heiden und geglaubt in der Welt. Und so sind heute am Weihnachtsfest überall um die Welt Christinnen und Christen versammelt, auch in unserer Partnergemeinde Lupatingatinga, und sie feiern das Geheimnis der Heiligen Nacht, den menschgewordenen Gott. Und überall wird er auch heute Nacht neu gepredigt, und hier und da wird es geschehen, dass er wieder ins Leben von Menschen hinein Frieden und Heil bringt.

Frieden und Heil breiten sich nicht erst vom erwachsenen Jesus her aus, sondern schon von der Krippe. Diese Ouvertüre des Kommenden entfaltet ihren eigenen Zauber und hat ihre eigene Macht, in der das Wirken Gottes sichtbar wird. Auch heute.

Zum Beispiel bei jenem Mann, der letztes Jahr einsam zu Hause gefeiert hat: Schon letztes Jahr hat er gehört, dass es eine Weihnachtsfeier für Alleinstehende im Gemeindezentrum gibt. Aber er wusste nicht so recht, ob das was für ihn ist, und welche Leute da wohl so kommen. Dieses Jahr hat er wieder die Einladung vernommen: nicht in den Abkündigungen im Gottesdienst, denn in der Kirche ist er nicht sooft. Aber im Gemeindebrief, und von einer Bekannten. Und da hat er sich getraut: Er ist gekommen und hat mitgefeiert. Die Gemeinschaft dort hat ihm bestimmt gutgetan. Und er wird unsere Weihnachtskrippe im Blick gehabt haben: Die Figuren, die sich bei diesem Kindlein an der Krippe versammeln, diese Gemeinschaft von Hirten und Gelehrten aus dem Orient. Und er gehört nun zu dieser großen Gemeinschaft dazu, mit all den anderen, die feiern. Das Christuskind führt Menschen zusammen.

Und auch für die fleißige Mutter in jener Familie wird es wieder Friede werden, so wie schon im letzten Jahr: Der Trubel der Vorbereitungen wird jetzt unterbrochen. Die bösen Worte zwischen ihr und ihrem Mann, die es wegen Kleinigkeit gab, weil er in ihren Augen eben nicht so mithilft, wie er sollte, sind spätestens jetzt im Gottesdienst verstummt und tun beiden leid: Beide wollen sie ja den Weihnachsfrieden, der die Hirten erfüllt hat, auch in ihrer Familie haben. Sie nehmen ihn mit aus dem Gottesdienst, wollen ihn bewahren. Und sie freut sich auf schon auf die Nacht, wenn die Kinder und der Mann längst ins Bett sind: Denn da hört sie noch im Radio Weihnachtslieder, und sie spürt dabei, dass Gott nun auch bei ihr angekommen ist. Der Friede von Bethlehem prägt sich ganz tief in ihr ein.

Aber kann dieser Gott in Menschengestalt, das Kind in der Krippe, auch die großen Probleme der Welt lösen?

Sicherlich nicht ohne uns. Aber sein Geist  will uns dazu bewegen. Beeindruckend war, was da 1914 an der Westfront geschah: Es kam am 24. Dezember 1914 und an den folgenden Tagen zu einer von der Befehlsebene nicht autorisierten Waffenruhe an einigen Frontabschnitten, und zu spontanen Verbrüderungen von Deutschen  und Briten. Gemeinsam hat man Weihnachtslieder in den jeweiligen Sprachen gesungen, mitten im Schützengraben.  Und man hat Geschenke ausgetauscht. Es kam dazu, weil es auf beiden Seiten noch ein Bewusstsein von Weihnachten als Fest der Geburt des Gottessohns und Fest der Versöhnung gab. Als „Weihnachtsfriede“ ging das in die Geschichtsbücher ein.

Christen müssten es schaffen können, Konflikte gewaltfrei zu lösen. Zumindest dann, wenn sie ihren Glauben bewußt leben. Daher wünsche ich mir, dass das auch weiter geschieht, was Paulus uns heute schreibt: dass Christus nicht nur gepredigt wird, sondern auch mehr und mehr sich auf ihn und seine Botschaft von Frieden und Liebe einlassen, gerade auch bei uns in Westeuropa, wo leider die Verwurzelung im Glauben mehr und mehr abnimmt. Nur mit der Menschenliebe im Herzen läßt sich ein gerechtes Gemeinwesen bauen und Frieden schaffen. In den heutigen militärischen Konflikten sind nicht alle christlichen Glaubens. Aber alle großen Religionen tragen die Ehrfurcht vor dem Leben und den Frieden in sich. Die Friedensbotschaft und das Friedenspotential aller Religionen müssen freigelegt und genutzt werden, alle müssen sich auf diesen Kern von Toleranz und Mitgefühl besinnen, sich an einen Tisch setzen und Kompromisse schließen können. Das ist eine große Bitte in meinem Weihnachtsgebet an den Herrn des Friedens. Jeder von uns, den die Weihnachtsbotschaft nicht unangerührt zurückgelassen hat, er wird wieder neu damit anfangen, sich  in diese Menschenliebe in Wort und Tat einzuüben.

Gott sei Dank, dass Maria und Joseph dieses Kind in die Krippe gelegt haben, in die Welt voller Stacheln: Mitten im Krieg ist das Christuskind ein Wegweiser zum Frieden. Mitten in allen Ungerechtigkeiten zeigt uns das Christuskind die bedingungslose Liebe Gottes und so den Weg zur Gerechtigkeit. Mitten in aller Abgestumpftheit zeigt es uns das Neue, steckt es uns an mit Begeisterung für die Menschen und unsere Welt. Mitten in den Verstrickungen der Schuld und angesichts der Macht des Todes vergibt er und schenkt Zukunft.

Ja, Paulus, Du hast Recht:

Groß ist das Geheimnis des Glaubens:

Gott ist offenbart im Fleisch, beglaubigt im Geist,

erschienen den Engeln, gepredigt den Heiden,

geglaubt in der Welt, aufgenommen in die Herrlichkeit.

Darauf bleibt uns nur in den Chor der Engel einzustimmen und zu antworten: „Ehre sei Gott in der Höhe!“. Amen.

nach oben