Pfingstgottesdienste (8. und 9. Juni 2014)

Bildrechte beim Autor

St. Johannis,
AWO, OWB,
Curanum

Predigt:
Pfarrer Jörg Mahler

Predigttext: Der dritte Glaubensartikel

Ich glaube an den Heiligen Geist,
die heilige christliche Kirche,
Gemeinschaft der Heiligen,
Vergebung der Sünden,
Auferstehung der Toten
und das ewige Leben. Amen.

Predigt:

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus, und die Liebe Gottes, und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit Euch allen. Amen.

I.

Liebe Pfingstgemeinde!

 „Ich glaube an den Heiligen Geist“. Das bekennen wir im dritten Glaubensartikel. Dieser Heilige Geist ist nicht so bekannt, wie manch anderer Geist. Ich denke dabei nicht an einen selbstgebrannten Himbeergeist, sondern beispielsweise an den Fußballgeist, der ab dieser Woche von Brasilien aus die ganze Welt erfassen wird: Am 12.Juni startet die Fußball-WM mit dem Eröffnungsspiel in Sao Paulo. In den Stadien werden unzählige Fans mitfiebern, ihre Fangesänge anstimmen und ihre Spieler anfeuern. Und auch in Deutschland trifft man sich in der Kneipe oder im Biergarten zum Public viewing, und Autokorsos mit der Landesflagge werden bei den Deutschlandspielen durch die Städte fahren. Der Fußball zeigt uns, wie ein Geist Menschen begeistert und bewegt. Einen anderen, einen sanften und stillen Geist habe ich neulich im Seniorenheim wahrgenommen. Da war eine Frau, vielleicht schon etwas dement. Dichterin sei sie. Und sie hat mir eine Kostprobe von selbst gedichteten Gedichten gegeben, die sie auswendig rezitierte. In ihr wirkt der Geist der Poesie, der sie bis heute inspiriert.

Geist gibt’s also, mitten im Leben, in vielfältigen Formen. Den Geist des Fußballs, den Geist der Poesie, und viele andere. Und allen voran den Heiligen Geist, dem sich so manch anderer Geist verdankt.

Das Wörtlein „heilig“ heißt ja nichts anderes als: zu Gott gehörig. Der Heilige Geist ist also der Geist Gottes. Doch wer ist er genau? Wie soll ich mir ihn vorstellen? Dazu sagt die Bibel gar nichts. Was sie aber sagt, das ist, wie er wirkt und was er tut. Davon spricht sie vom ersten Buch der Bibel bis zum Letzten. Der Geist, das ist die Kraft Gottes, mit der er in uns und in unserer Welt wirkt, seine Energie, die auf uns überspringt.

Der Geist Gottes kommt im Alten Testament über die Könige Saul, David und Salomo, über Propheten wie den Elia, aber auch über Mose und die 70 Ältesten, die mit ihm das Volk leiten sollen, und über viele andere. Der Geist verleiht ihnen besondere Gaben und Fähigkeiten: dem Abraham die Zuversicht, die er braucht, um den Weg ins Unbekannte zu gehen, dem David Mut, um für das Volk zu streiten, dem Elia eine heilige Strenge, um sich gegen die Götzen für den rechten Glauben einzusetzen, dem Stephanus inneren Frieden mitten in der Todesangst. Paulus zählt im Galaterbief Gaben des Geistes auf, die auch viele von uns haben: Liebe, Freude, Friede, Geduld, Freundlichkeit, Güte und Treue. Und Jesus nennt den Geist einen Tröster, und einen, der uns in alle Wahrheit leitet.

Diesen Geist, der so vielfältig wirkt gibt, ihn Gott jedem von uns in der Taufe mit – so wie der Geist auch über Jesus in dessen Taufe am Jordan kam. Als Christinnen und Christen sind wir Geistträger. Der Geist ist es, der mir und Dir unsere je eigenen Begabungen und Fähigkeiten schenkt, so wie jener Frau im Heim die Poesie, mit der sie sich und anderen Wohlbefinden schenken kann. Dem einen von uns, dass er lecker kocht, der anderen, dass sie aus einem winzigen Samenkorn wunderbare Pflanzen heranzüchten kann, die dann leckeres Obst und Gemüse hervorbringen. Der eine kann gut verwalten und mit Akten umgehen, die andere ist kreativ. Der Geist ist aber auch der, der uns in besonderen Herausforderungen zur Seite steht, uns die nötige Kraft und die nötigen Fähigkeiten verleiht, sie zu bestehen. Er ist der, der uns eingibt, zur rechten Zeit das Rechte zu sagen oder zu tun. Paulus stellt fest: „Es sind verschiedene Gaben, aber es ist ein Geist!“ (1.Kor. 12,4). Ein Geist, der in uns und durch uns wirkt.

Das ist heute am Pfingstfest wirklich ein Grund, zu feiern: Gott ehrt uns, indem er uns zu Geistträgerinnen und Geistträgern macht.

II.

Der Geist Gottes war schon immer in der Welt, längst vor Pfingsten. Was ist aber dann das Besondere seines Wirkens am Pfingsttag? Wir haben vorhin die Pfingstgeschichte gehört: Die Jünger saßen nach Jesu Himmelfahrt ängstlich zu Hause. 10 Tage lang, bis zum Schavuotfest, das die Jerusalemer mit vielen Pilgern von weit her feierten. Und da geschah es: Der von Jesus versprochene Geist Gottes kam vom Himmel herab. Er hat den Jüngern Mut gegeben, hinauszugehen, und von dem zu erzählen, was sie mit Jesus erlebt haben, die Frohe Botschaft weiterzugeben. Mit Feuerzungen und mit Wind wird das Wirken des Geistes verglichen: die Herzen der Hörer hat er entflammt, und die Seelen der Jerusalemer und ihrer Gäste geistlich erfrischt wie der Meereswind den Körper.

Der Pfingstgeist hat Menschen zusammengerufen, Jesus Christus zu folgen. Und so ist die Kirche entstanden. Denn nichts anderes bedeutet das Wort Kirche, griechisch ekklesia: die Herausgerufenen. Die, die eine Gemeinschaft um Jesus Christus bilden. Und darum ist das Pfingstfest auch ein Geburtstagsfest: Die Kirche wird heute gerechnet vom Jahr 33 an 1981 Jahre alt. Dort in Jerusalem geschah damals der Anfang. (1981 Jahre sind das, in denen der Geist immer wieder neu Menschen hinzuruft.) Deshalb ordnet unser Glaubensbekenntnis die Kirche auch dem Wirken des Geistes zu:

Ich glaube an den Heiligen Geist,

die heilige christliche Kirche,

die Gemeinschaft der Heiligen.

Im Religionsunterricht werde ich ab und zu gefragt, wer denn diese Heiligen sind, von denen da die Rede ist. Heilig, wir wissen es bereits, heißt „zu Gott gehörig“. Heilige, das sind nicht nur die, die der Papst in Rom heilig spricht, sondern heilig sind alle, die zu Gott gehören, also alle Christen. Die Kirche ist die Gemeinschaft der Gläubigen. Durch die Taufe werden wir ihr Mitglied. Und wir sind und bleiben es, ob wir in den Gottesdienst gehen oder nicht. Aber gleichzeitig muss diese Gemeinschaft auch gelebt werden, nicht anders als beim Fußball: Kaum ein Fußballfan sitzt zu hause allein vor dem Fernseher. Die meisten laden sich gegenseitig ein, schaun gemeinsam, stimmen in die Fangesänge ein, feuern die Mannschaft an. Fußball ist ein Teamspiel, und auch die Fans bilden eine Gemeinschaft. Ganz ähnlich ist das mit dem Christsein. Auch Christsein kann ich nicht für mich alleine, weil ich immer schon in einer Gemeinschaft stehe. Und Jesus selbst sagt: Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen. So wie die Fußballfans ihre eigenen Bräche haben, wie sie ihre Gemeinschaft mit Leben erfüllen und ihren Fußball feiern, so gibt es auch in der Kirche seit Anfang an bestimmte Formen, in denen sich diese Gemeinschaft ausdrückt. Zuerst der gemeinsame Gottesdienst. Was für Fußballer das Stadion ist, das ist für den gläubigen Christen die Kirche. Hier wird die Gemeinschaft sichtbar, hier feiern wir unsern Gott, wie heute in unserem Pfingstgottesdienst. Hier fragen wir, welches Wort er für unser Leben hat. Das zweite Kennzeichen der kirchlichen Gemeinschaft ist die tätige Nächstenliebe. Christen stehen füreinander ein und helfen sich in den praktischen Dingen des Lebens. Das war übrigens ein Grund, weshalb die ersten Gemeinden im Mittelmeerraum sehr schnell gewachsen sind: Viele hat das soziale Engagement für Witwen, Waisen und andere Benachteiligte angesprochen. Und bis heute ist das so: Sozial engagiert sind wir als Gemeinde mit einigen unserer Angebote, ein Blick in den Gemeindebrief genügt. Aber auch viele unserer Gemeinde sind für andere in Not da.

Der Pfingstgeist begeistert die Menschen von Gott und führt sie in der Kirche zusammen. Wenn ich das so feststelle, dann frage ich mich aber zugleich auch: Warum sind dann manche nicht begeistert von Gott, obwohl sie doch zur Kirche gehören? Ist das wie im Fußball, wo manche auch kopfschüttelnd sagen: Ich verstehe nicht, warum diese 20 Leute bei der größten Hitze einem Ball hinterherrennen, und andere jubelnd danebenstehen.

Oft lassen sich Menschen nicht begeistern, weil sie einfach voll sind: In sie passt nichts mehr hinein, auch kein Geist. Familie, Arbeit, Sport, Hobby oder die Lasten des Lebens füllen sie aus. Die sind einfach satt. Ein Sprichwort sagt: „Ein hungriger Student ist ein guter Student!“. Und das stimmt: Wer vollgegessen ist, der kann sich kaum aufs Lernen und Denken konzentrieren. Wer dagegen nüchtern ist, der ist zu geistigen Höchstleistungen fähig. Wachheit, Nüchternheit ist auch nötig, damit der Geist Platz hat und in uns einziehen kann. Wachheit für das, was in unserer Welt und Gesellschaft vor sich geht. Wachheit für die Menschen an unserer Seite. Wachheit für das eigene Leben. Wachheit für Gottes Wirken und seinen Geist.

III.

Ich glaube an den Heiligen Geist,

die heilige christliche Kirche,

die Gemeinschaft der Heiligen,

und, so fährt der 3.Artikel des Glaubensbekenntnisses fort: an die Vergebung der Sünden.

Vergebung unserer Schuld, das schenkt uns Christi Tod am Kreuz. Wozu ist da der Heilige Geist nötig? Er ist nötig, liebe Gemeinde, denn er eignet uns diese Vergebung zu. Er macht das, was damals vor 1981 Jahren am Kreuz geschah, für uns heute real.

Der Geist öffnet uns die Augen für das, was wir falsch machen. Er hilft uns, den rechten Weg zu erkennen und umzukehren. Er bringt uns also dazu, Gott zu bitten: Herr, sei mir Sünden gnädig. Und ganz besonders wirkt er dann, in dem er uns die Vergebung Gottes schenkt.

Nach dem Gottesdienst am Gründonnerstag hat eine Frau zu mir gesagt: „Ich bin jedesmal ganz gerührt bei der Beichte, mir steigen die Tränen ins Gesicht.“. Für sie ist es ein ganz besonderer Moment, die Wort zu hören: „Dir sind deine Sünden vergeben“, die Gewißheit ganz tief drinnen zu spüren: ja, die Schuld ist wirklich weg. Gott nimmt mich an, ich kann befreit meine Straße weiterziehen. In ihr wirkt der Geist Gottes.

IV.

Ich glaube an die Auferstehung der Toten und das ewige Leben.

Die Auferstehung aller Toten zum Gericht wird hier auch als Wirken des Geistes gesehen, genauso wie das Geschenk des ewigen Lebens. Im allerersten Buch der Bibel, als Himmel und Erde geschaffen wurden, da schwebte der Geist Gottes über den Wassern. Es ist der Geist des Lebens, den unser Schöpfer dann dem Adam eingehaucht und ihm so das Leben geschenkt hat. Dieser Lebensgeist ist es auch, der uns im Tod wieder lebendig macht. Paulus ist davon überzeugt, wenn er im Römerbrief schreibt: Wenn nun der Geist dessen, der Jesus von den Toten auferweckt hat, in euch wohnt, so wird er, der Christus von den Toten auferweckt hat, auch eure sterblichen Leiber lebendig machen durch seinen Geist, der in euch wohnt (Röm 8,11). Und das ist überhaupt das größte Geschenk, welches der Geist uns machen kann: nicht nur, dass er uns so viele Begabungen schenkt und uns in unseren Herausforderungen zur Seite steht. Nicht nur, dass er uns in die Gemeinschaft der Kirche stellt und uns unsere Schuld vergibt. Er nimmt auch den letzten Schrecken von uns, den Tod. Er führt uns in den Himmel. Und darin unterscheidet sich der Heilige Geist auch vom Fußballgeist: Dort geht’s um Spaß, Wettkampf und Spannung. Hier geht’s um Schuld und Vergebung, um Tod und Leben.

Wer ist also der Heilige Geist? Er ist der, der solche großen Dinge tut in unserem leben und für uns und die Gemeinde.  Er ist neben dem Vater und dem Sohn die dritte Weise, in der sich uns Gott offenbart und nahe ist. Er ist der, wie es im großen Glaubensbekenntnis von Nicäa heißt, der aus dem Vater und dem Sohn hervorgeht, der mit dem Vater und dem Sohn angebetet und verherrlicht wird.

Und genau das wollen wir heute am Pfingstfest tun: Gottes Geist anbeten und ihn verherrlichen. Amen.

Gottes Geist erhalte uns in der Gemeinschaft der Kirche und bewahre unsere Herzen und Sinne im rechten Glauben. Amen.

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