Gottesdienst zum Dorffest in Oberwohlsbach - 16. Juli 2017

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Dorffest 
Oberwohlsbach

Predigt:
Pfarrer Jörg Mahler

"Kommt und seht"

Predigttext: Johannes 1,35-42:

Am nächsten Tag stand Johannes abermals da und zwei seiner Jünger; und als er Jesus vorübergehen sah, sprach er: Siehe, das ist Gottes Lamm! Und die zwei Jünger hörten ihn reden und folgten Jesus nach. Jesus aber wandte sich um und sah sie nachfolgen und sprach zu ihnen: Was sucht ihr? Sie aber sprachen zu ihm: Rabbi - das heißt übersetzt: Meister -, wo ist deine Herberge? Er sprach zu ihnen: Kommt und seht! Sie kamen und sahen's und blieben diesen Tag bei ihm. Es war aber um die zehnte Stunde. Einer von den zweien, die Johannes gehört hatten und Jesus nachgefolgt waren, war Andreas, der Bruder des Simon Petrus. Der findet zuerst seinen Bruder Simon und spricht zu ihm: Wir haben den Messias gefunden, das heißt übersetzt: der Gesalbte. Und er führte ihn zu Jesus. Als Jesus ihn sah, sprach er: Du bist Simon, der Sohn des Johannes; du sollst Kephas heißen, das heißt übersetzt: Fels. 

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus, und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen. Amen. 

Liebe Schwestern und Brüder! 

Als ich noch ein kleines Kind war, hat mein Vater jeden Abend mit mir ein Gebet gesprochen. Ich lag schon im Bett, warm eingepackt, und er hat mit mir gebetet: „Lieber Gott, mach mich fromm, dass ich in den Himmel komm!“. 

Und so habe ich von Anfang an beten gelernt. Irgendwann war dieses Gebet dann zu kurz für mich. Ich wollte Gott mehr sagen. Ich wollte ihm danken für all das Schöne. Und ich wollte ihn bitten, dass er meine Eltern und meine Oma und Tante beschützt. Und so habe ich dann, nachdem der Vater schon weg war, noch weiter gebetet. So ist bei mir eine Beziehung zu Gott gewachsen. Durch regelmäßigen Kontakt zu ihm. 

Bei anderen entsteht der Glaube anders. Ein Bekannter von mir war lange Atheist. Dann hatte er eine schwere Zeit durchzustehen, und hat sich in seinen Sorgen auch Gedanken über Gott gemacht. Er kam zu mir, wollte mehr über Gott wissen und sich schließlich taufen lassen. Ein Erlebnis mitten in seinem Leben hat ihn zu Gott geführt. 

Und dann gibt es diejenigen Menschen, die zwar glauben, dass dort oben im Himmel irgendwo ein Gott sitzt, aber die keine persönliche Beziehung zu ihm haben. Das ist aber kein wirklicher Glaube. Denn Glaube heißt nicht, dass man etwas für wahr hält. Im griechischen Originaltext der Bibel steht für Glaube das Wort Pistis, und das heißt wörtlich übersetzt „Vertrauen“: Ich glaube, d.h. ich vertraue auf Gott, ich vertraue mich ihm an, ich habe zu ihm eine persönliche Beziehung. Aber auch bei denen, die noch denken, dass es Gott gibt, die aber keine Beziehung zu ihm haben, kommt es vor, dass sie irgendwann durch irgendetwas oder irgendjemanden Impulse bekommen, und dass so eine lebendige Beziehung zu Gott wächst. 

Glaube entsteht also ganz unterschiedlich. Auf verschiedenen Wegen und in unterschiedlichen Lebenszeiten finden die Menschen zu Jesus. In unserem heutigen Bibelwort finden auch mehrere Menschen zu Christus. Wir begleiten sie heute in der Predigt auf ihrem Weg. 

1. Station: Johannes der Täufer: „Aufmachen“ 

Andreas und ein weiterer Mann sind bei Johannes dem Täufer – an den wir übrigens vor zwei Wochen bei unserem 500-jährigen Kirchenjubiläum ganz besonders gedacht haben. Die beiden sind weggegangen aus ihren Dörfern, um diesen Prediger zu hören. Warum haben sie ihren Alltag verlassen? Ich vermute: Sie sind auf der Suche, auch wenn sie selbst noch nicht genau wissen wonach. Sie haben die Sehnsucht nach einer Tiefe im Leben. Sie wollen weg von den Oberflächlichkeiten des Alltags. Jeden Tag ist alles gleich, das kann doch nicht alles im Leben sein… Sie wollen Gott näherkommen, sein Licht spüren, in sein Heil und seinen Frieden eintauchen, weil es in ihrem Leben nicht so hell und friedlich ist. 

Sie haben erkannt, dass es im Leben nicht nur die Dimension des Sichtbaren gibt. All das Sichtbare, die Natur, die Familie, die Arbeit, das verweist auf eine unsichtbare Wirklichkeit, von der alles herkommt. Sie wissen: Es gibt noch eine geistliche Dimension im Leben. Nur wer sich auf das Sichtbare und das Unsichtbare einlässt, der lebt ganzheitlich. 

Deshalb hat ihr Weg sie zu Johannes geführt, zu dem großen Prediger. Von ihm erwarten sie Antworten, hoffen, dass er ihre Sehnsucht stillt und ihnen die geistliche Dimension im Leben aufschließen kann. 

Sie haben sich aufgemacht. Wenn ich die beiden so sehe, dann wünsche ich mir, dass sich auch heute mehr Menschen aufmachen. Dass mehr Menschen sich öffnen für ihre Sehnsüchte und Träume, für die unsichtbare Dimension im Leben. Dass sie nach Antworten, nach der Tiefe im Leben suchen, wie Andreas und sein Gefährte. 

2. Damals: Gezeigtbekommen des Lammes – Mitgehen mit Jesus - Erkennen und Bekennen 

Johannes der Täufer steht mit den beiden zusammen. Da sieht er, wie Jesus vorübergeht. Und er weist seine Jünger auf ihn hin: „Seht, das ist Gottes Lamm!“. 

Die beiden wussten sofort, was das zu bedeuten hat, zumindest so ungefähr. In der jüdischen Tradition ist es das Lamm, das im Tempel geschlachtet und geopfert wird, damit das Volk frei von Sünde wird. „Das ist Gottes Lamm“, das heißt also: „Das ist der, der euch von all dem, was euch von Gott trennt, befreien wird!“. Wie jeder Mensch werden auch die beiden fühlen, dass sie keine perfekten Menschen sind. Dass sie immer wieder Fehler machen, Schuld auf sich laden, sich ab und an mit einem schlechten Gewissen quälen. Das ist also der, der die Schuld fortnehmen kann, der den Graben zwischen mir, dem Sünder, und dem heiligen Gott überbrückt. Sollten sich bei ihm ihre Hoffnungen und Sehnsüchte nach einer Tiefe im Leben erfüllen? Die beiden folgen dem Wink des 

Johannes. Sie gehen zu Jesus. 

Ich lese weiter: 

Jesus aber wandte sich um und sah sie nachfolgen und sprach zu ihnen: Was sucht ihr? Sie aber sprachen zu ihm: Rabbi - das heißt übersetzt: Meister -, wo ist deine Herberge? 39 Er sprach zu ihnen: Kommt und seht! Sie kamen und sahen's und blieben diesen Tag bei ihm. 

Wo ist deine Herberge? Etwas unbeholfen sind sie, weil sie nicht konkret formulieren können, was ihr Anliegen ist. „Kommt und seht“, sagt Jesus. Und sie blieben diesen Tag bei ihm und sahen. Was sahen, hörten, erlebten sie? Wie Jesus Geschichten erzählte, in deren Folge sich Zerstrittene wieder versöhnten? Wie er von der Gegenwart Gottes so erzählte, dass Menschen Trost und Hoffnung für ihre Zukunft fanden? Wie er Menschen von Krankheit heilte? Jedenfalls muss das, 

was sie bei Jesus erlebt haben, ihr Herz angerührt haben, denn Andreas bekennt kurz darauf: Wir haben den Messias gefunden! 

Messias, das ist der Titel für den, der den Menschen Frieden bringt. Das Volk erwartete den Friedenskönig, der die politischen Verhältnisse zum Guten verwandelt. Sie fanden den Herzenskönig, der den aufgewühlten Herzen Frieden schenkt und unsere Beziehungen untereinander zu erneuern vermag. Sie fanden das, was sie gesucht hatten. 

3. Heute: Jesus gezeigt bekommen – Mitgehen - Erkennen und Bekennen 

Andreas und sein Gefährte fanden durch Johannes den Täufer zu Jesus. Wie finden heute Menschen Kontakt zu Jesus? Diejenigen, die nicht an Gott glauben, und diejenigen, die glauben, dass es ihn gibt, aber keine Beziehung zu ihm haben? 

Manchmal passiert es, dass jemand direkt zu Jesus eingeladen wird: Komm mal mit zu uns in den Gottesdienst, und sieh Dir an, ob es Dir neue Impulse bringt. Es geschieht immer wieder, dass genau so Menschen in den Gottesdienst kommen und ihn liebgewinnen. Komm, lies dieses Buch. Es erzählt davon, wer und wie Jesus ist. Komm und sieh! 

Vielleicht sind es die Eltern, die mit ihrem kleinen Kind beten und ihm biblische Geschichten erzählen. 

Vielleicht ist es die Großmutter. Sie sagt nicht viel. Aber immer, wenn sie aus dem Gottesdienst kommt, merkt man ihr an, wie gelassen und fröhlich sie ist, wie sie die Gegenwart Gottes verwandelt. Und vielleicht sagt uns eine innere Stimme: Komm, und sieh dir das auch an! 

Vielleicht ist es der Nachbar, der schon seit Jahren mit seiner Familie zerstritten ist und keinen Kontakt mehr hatte. Der plötzlich anfängt, Kontakt zu suchen, zu vergeben, um Vergebung zu bitten. Und der auf die Frage: Warum tust Du das so plötzlich, antwortet: Ich habe viel die Bibel gelesen. Jesu hat mir gezeigt, dass ich diesen Weg gehen kann, und dass Gott mir dabei hilft. Komm und sieh! 

Vielleicht ist es die Verwandte im Krankenhaus, die ihr Leben in Gottes Hand legt, und trotz der schlimmen Diagnosen und trotz dass sie immer wieder weinen muss, sagt: Gott wird’s gut machen! Er schenkt mir Kraft. Komm und sieh! 

Vielleicht ist es der Freund, der immer allen anderen hilft. Weil er sich Christus zum Vorbild nimmt. Komm und sieh! 

Vielleicht sind es die Jugendlichen aus der Gemeinde, die sich als Konfi-Teamer engagieren, und an denen andere sehen, dass Glaube auch viel mit Lebensfreude zu tun hat. Komm und sieh! 

Die Begegnung mit solchen Menschen kann uns ergreifen. Wir spüren: Sie kennen den, der dem Leben eine Tiefe gibt. Sie wecken Neugier. Wir kommen und sehen! 

Es gibt viele solche Leute wie Johannes, die durch ihre Worte und Taten auf Christus weisen. Und es gibt sie, die Menschen wie Andreas und seinen Gefährten, die nicht zu Hause bleiben, die aufbrechen, die mit Christus mitkommen und sehen, die ihre eigenen Erlebnisse mit ihm haben. Die von ihm ergriffen sind. So auch jeder, der mit Jesus geht, ob schon immer seit seiner Kindheit, oder ob er erst später zu ihm gefunden hat. Jesus wird keinen enttäuschen. 

„Er ist der Messias“, bekennt Andreas. Wir sagen das wohl anders, in unseren eigenen Worten: „Er ist der, der mir im Leben Kraft gibt. Der mir eine gute Richtung zeigt. Der alles neu machen kann, egal wie verfahren mein Leben ist.“. 

4. Anderen Christus zeigen 

Andreas muss das, was Jesus für ihn bedeutet, sofort weitererzählen. Anders geht es nicht. Das, was mich im Herzen bewegt, muss raus, muss hin zu anderen. Meine Freude und Begeisterung muss ich teilen. In der Bibel heißt es: Er „findet“ seinen Bruder Simon und bekennt ihm: Wir haben Christus gefunden. 

Finden – das heißt Menschen werden durch Gott gefunden. Gott sendet ihnen seine Boten, die sie auf Christus hinweisen. So ein Bote ist jeder Christ. Denn jeder, der Christus im Herzen trägt, der gibt in der Regel wie Johannes der Täufer oder Andreas das Licht des Glaubens weiter. Bewusst oder unbewusst, durch Worte, durch das alltägliche Verhalten, durch die Ausstrahlung. 

Den letzten Satz unseres Predigttextes lese ich auch noch einmal vor: 

Und er (Andreas) führte ihn (Petrus) zu Jesus. Als Jesus ihn sah, sprach er: Du bist Simon, der Sohn des Johannes; du sollst Kephas heißen, das heißt übersetzt: Fels. 

Christus kennt den Simon längst. „Kephas, Fels sollst du heißen“. Spielt Jesus auf den Charakter des Simon an, der sturköpfig sein kann? Oder macht Jesus ihn mit diesem Worten zum Fundament der Kirche? Du wirst die Stütze der Urgemeinde in Jerusalem sein! 

Wie auch immer, Jesus kennt den Simon, Jesus heißt ihn willkommen, und Jesus hat noch viel mit ihm vor. Auch Simon 

hat ein zu Hause bei Jesus gefunden, wie zuvor Andreas und sein Gefährte, und wie nach ihnen Millionen von Menschen, bis zu uns. 

Drei Wünsche habe ich für uns: 

Erstens: Ich wünsche uns, dass wir von Menschen gefunden werden, die unsere Neugierde und unser Vertrauen auf Gott stärken. 

Zweitens: Ich wünsche uns, dass wir uns immer wieder aufmachen zu Jesus, dass wir kommen und sehen, was er an anderen und uns tut: dass er Trost, Hoffnung, Freude, Heilung, Kraft, Orientierung und vieles mehr schenkt. 

Und drittens wünsche ich mir, dass wir durch unsere eigenen Worte und Taten andere zum Glauben einladen: Kommt und seht! Amen. 

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus.

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