Gottesdienst in St. Johannis am vorletzten Sonntag im Kirchenjahr - 19. November 2017

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St. Johannis

Predigt:
Diakon Günter Neidhardt

"Geld regiert die Welt"

Gruß / Stille 

Liebe Gemeinde! 

„Geld regiert die Welt“ – so sagt man. Und wenn wir uns die Welt anschauen, dann finden wir dieses Wort ja auch vielfach bestätigt. Mammon – so wird das Geld in der Bibel genannt. So viele Konflikte zwischen Menschen gibt es wegen des Geldes. Ich muss nur das Stichwort „Erbstreitigkeit“ nennen und findet das andere Sprichwort bestätigt: „Beim Geld da hört die Freundschaft auf. 

Die biblische Geschichte, um die es heute gehen soll, dreht sich um Geld. Mammon sagt die Bibel dazu. Und die Geschichte hat es in sich. Da begegnet uns Enttäuschung, Entlassung, Schulden, gefälschte Papiere, Betrug, kriminelle Energie – eine richtige Gaunergeschichte. Und am Ende steht der Gauner nicht am Pranger, sondern wird gelobt. 

Hören wir den Predigttext: Der Evangelist Lukas erzählt im 16. Kapitel die Verse 1 – 8: 

 Jesus sprach zu den Jüngern: Es war ein reicher Mann, der hatte einen Verwalter; der wurde bei ihm beschuldigt, er verschleudere ihm seinen Besitz. Und er ließ ihn rufen und sprach zu ihm: Was höre ich da von dir? Gib Rechenschaft über deine Verwaltung; denn du kannst hinfort nicht Verwalter sein. Der Verwalter sprach bei sich selbst: Was soll ich tun? Mein Herr nimmt mir das Amt; graben kann ich nicht, auch schäme ich mich zu betteln. Ich weiß, was ich tun will, damit sie mich in ihre Häuser aufnehmen, wenn ich von dem Amt abgesetzt werde. Und er rief zu sich die Schuldner seines Herrn, einen jeden für sich, und fragte den ersten: Wie viel bist du meinem Herrn schuldig? Er sprach: Hundert Eimer Öl. Und er sprach zu ihm: Nimm deinen Schuldschein, setz dich hin und schreib flugs fünfzig. Danach fragte er den zweiten: Du aber, wie viel bist du schuldig? Er sprach: Hundert Sack Weizen. Und er sprach zu ihm: Nimm deinen Schuldschein und schreib achtzig. Und der Herr lobte den ungetreuen Verwalter, weil er klug gehandelt hatte; denn die Kinder dieser Welt sind unter ihresgleichen klüger als die Kinder des Lichts. Vier Personen oder Personengruppen stehen im Mittelpunkt dieser Geschichte: Der reiche Mann, die Schuldner, der Verwalter und Jesus. 

Lassen wir sie nacheinander zu Wort kommen, ein bisschen wie in einer polizeilichen Untersuchung: 

Zunächst der reiche Mann: 

Ja, ich bin reich. Fragen Sie nicht, wie ich zu meinem Reichtum gekommen bin. Ich wohne weiter weg und mein Reichtum ist so groß, dass ich mich nicht selber um alles kümmern kann. Ich habe einen Geschäftsführer, einen Verwalter eingestellt, der für die Bewirtschaftung zuständig ist. Er verpachtet meine Äcker und Weinberge und treibt die Pacht ein. Das geschieht in Form von Geld, aber auch in Form von Naturalien. Öl, Weizen und solche Dinge. Er leitet dann den Erlös an mich weiter. Alles ganz normal. 

Nun habe ich aber Gerüchte gehört, dass er mein Geld schlecht verwaltet, ja meinen Besitz sogar verschleudert. Da muss ich doch einschreiten. Ich habe ihn einbestellt und zur Rede gestellt und ihn dann auch gleich rausgeschmissen. „Hire and fire“ – so ist das Leben. Schließlich muss ich schauen, wo ich bleibe. 

Aber was mein Verwalter dann gemacht hat, das schlägt dem Fass den Boden aus. In krimineller, betrügerischer Manier hat er mir einen riesigen Vermögensschaden zugefügt. Die einschlägigen Paragraphen im Strafgesetzbuch sind ja bekannt. 

Und dann sagt dieser Jesus auch noch: Gut so! 

Das ist der eigentliche Skandal. Das ist doch Anstiftung zu Betrug und Untreue, auch dafür gibt es doch Paragraphen. 

Als zweitens sind da die Schuldner, die kleinen Bauern. Lassen wir sie auch zu Wort kommen: 

Ja, Sie müssen wissen – bei uns im alten Israel, da gab es nach dem Gesetz des Alten Testaments das Verbot, Zinsen zu verlangen oder zu zahlen. Wenn einer von uns Bauern eine schlechte Ernte hatte, konnten wir uns Geld leihen, um die Pacht zu bezahlen. So aber häuften sich Schulden an. Es gab Verwalter, die das ahnten. Darum rechneten sie von vorneherein eine Summe in die Pacht ein. Die Pacht wurde ungerecht hoch, und viele von uns Bauern hatten Mühe, sie zu bezahlen. Viele mussten noch mehr Schulden machen, und der Schuldenberg wuchs und wuchs. Wir waren also ausgeliefert – man kann sagen leibeigen, wenn Verpflichtungen nicht bedient werden konnten. Es war die reine Ausbeutung ohne Aussicht aus der Schuldenfalle wieder herauszukommen. 

Schauen wir zum Beispiel die Olivenbäume an. 100 Fässer Olivenöl – das ist der Gesamtertrag von 140 Ölbäumen, oder 100 Sack Weizen –da. Wie soll denn das zu schaffen sein. 

Und deshalb war dieses Erlassen von Schulden durch den Verwalter für uns ein Akt der Gnade. Ein kleiner Hoffnungsschimmer auf dem Weg heraus aus der Schuldenfalle. Klar hat der Verwalter das auch getan, um seine eigene Haut zu retten und gut bei uns dazustehen. Aber vielleicht hat er auch gemerkt, dass das ganze System ungerecht war und hat in seiner Notsituation auch noch etwas Gutes getan. 

Wenn Jesus den Verwalter lobt, auch wenn er gegen weltliche Gesetzte verstoßen hat, dann sagt Jesus doch auch: Solche ausbeuterischen Verhältnisse, dieses gefangen sein in der Schuldenfalle, das ist ungerecht, moralisch nicht zu vertreten. Belastungen sind ungerecht. 

Die göttlichen Gesetze sind anders. Gott sei Dank. Die göttlichen Maßstäbe unterscheiden sich von den weltlichen. 

Ich würde den Verwalter nicht als ungerecht bezeichnen. Ungerecht sind doch die Verhältnisse unter denen wir existieren. Ich denke er hat richtige gehandelt, weil er endlich etwas getan hat gegen die Ungerechtigkeit. 

Dann wäre da noch der Verwalter selbst. Lassen wir ihn auch zu Wort kommen: Jahrelang war ich teil dieses Systems. Wir haben die Kleinbauern ausgebeutet, haben dafür gesorgt, dass sie ihre Pacht nicht bezahlen können, und dann Schulden machen mussten. So lief das System. Und so läuft es doch immer noch. Ich war zwar nur ein kleines Rad im großen System, aber ich habe mitgemacht. Und es ging mir dabei gut. 

Irgendwie war es so, dass mein Unrechtsbewusstsein immer geringer wurde und je länger ich das Spiel mitgespielt hatte, desto mehr fand ich Wege auch für mich persönlich das Beste herauszuholen. Machen doch Alle so. Die Chancen muss man nutzen. 

Und dann fliegt alles auf. Keine Ahnung, Panamapapers oder Pardiespapers. 

Mein Chef feuert mich. Ich hatte gar keine Chance mich groß zu erklären. Gib Rechenschaft über deine Verwaltung, hat er gesagt. Können Sie sich das vorstellen. Vor dem Chef zu stehen, fertig gemacht zu werden. Mit einem Schlag ist alles weg. Zuerst bin i9ch über mich selbst erschrocken, so zur Rechenschaft gezogen wurde ich noch nie. Und dann kam Panik. Pure Existenzangst. Wie soll es weitergehen? Wovon soll ich leben, meine Familie ernähren, gar meinen Lebensstandard halten? 

Ja, wenn ich so darüber nachdenke waren da wohl zwei Gefühle in mir: Einmal das schlechte Gewissen, wie wir die Bauern ausgebeutet, ausgepresst haben. Und das andere war die Angst um meine Zukunft. 

Der Schaden, den mein ehemaliger Chef durch meine Aktion hatte, war gering. Glauben sie mir, der hat mehr als genug. Aber den kleinen Bauern hat es gut getan. Und es hat sich richtig gut angefühlt, als ich das Strahlen in den Augen der Bauern gesehen habe, diesen Hoffnungsschimmer in ihren Blicken. 

Ich weiß, dass es nicht richtig war, was ich getan habe, wenn man es aus dem Blickwinkel von Recht und Gesetz betrachtet. Ich würde das auch nicht unbedingt zum Nachahmen empfehlen. Aber in meiner Situation wusste ich sonst keinen Ausweg. Und irgendwie hat es sich gut angefühlt. 

Und schließlich hören wir, was Jesus zu sagen hat: Ja, ich habe den Verwalter gelobt. Nicht wegen seines Betrugs, aber wegen seiner Klugheit. 

Der Verwalter hat den Ernst der Lage begriffen, er hat erkannt, dass er Rechenschaft ablegen muss. Deshalb habe ich dieses Gleichnis erzählt. Zu erkennen, dass alle Menschen Rechenschaft ablegen müssen. DAS gilt auch für den reichen Chef! Wir alle sind Verwalter dessen, was uns anvertraut wurde. Unser Leben, unsere Gaben und Talente, ja auch unser Geld. Gib Rechenschaft, was hast du daraus gemacht? 

Ist es nicht gut zu wissen, dass Unrecht und Ungerechtigkeit nicht ohne Konsequenz bleibt, sondern dass auch die Schurken und Diktatoren der Menschheitsgeschichte und die Wirtschaftsbosse die nur die Profitmaximierung im Blick haben, Rechenschaft ablegen müssen. 

Das zu erkennen, ist klug! 

Der Verwalter ist außerdem klug, weil er an die Zukunft denkt. Er weiß, dass er jemanden braucht, der ihm die Tür öffnet, ihn aufnimmt, wieder aufnimmt. 

Es ist wohl kein Zufall, dass die die Geschichte vom verlorenen Sohn direkt vor unserem heutigen Predigttext in der Bibel zu finden ist. Dort steht ja auch die Tür offen für den heimkehrenden Sohn. Die Arme sind offen, der Rettungsschirm ist gespannt. Schuld erlassen. Nach menschlichen Gesetzen war das wohl auch ungerecht. Nach Gottes Gesetzen nicht. 

Ja, liebe Gemeinde, so oder ähnlich könnten die Beteiligten der Geschichte sprechen. 

Heute, an diesem Sonntag wird auch der Volkstrauertag in unserem Land begangen. Eine Erinnerung an großes Leid, Schuld und die Schattenseiten der Menschheitsgeschichte. Gib Rechenschaft wird der Verwalter aufgefordert. Im Wochenspruch sagt der Apostel Paulus: 

Wir müssen alle offenbar werden vor dem Richterstuhl Christi. Das gilt für das Ende des Lebens, aber eben auch schon für heute. 

Wenn wir uns unsere Gesellschaft so anschauen, dann sind die Themen Leistung und Konsum ganz groß. Alles muss schnell, effizienter funktionieren. Profit steht im Mittelpunkt. Und wenn wir heute der Opfer von Krieg und Gewalt gedenken, dann wissen wir doch auch, dass hinter allem Krieg und hinter aller Gewalt, Mascht- und Geldinteressen stehen. 

Gib Rechenschaft! – so werden wir aufgefordert unsere Ansprüche zu überprüfen. Streich hundert, schreib achtzig. Lerne auch deine eigenen Grenzen anzunehmen. Denk an die biblische Geschichte vor dem heutigen Predigttext: Der verlorene Sohn – er ist geliebt und angenommen auch nachdem er so richtig versagt hat. 

Und unser Konsum – wir kaufen und kaufen, möglichst billig. Warum flicken, wenn der Neukauf fast billiger ist als ein Waschgang? Ein Shirt für 3,50 kann nicht fair produziert sein. Wegwerfen und dann geht man wieder shoppen. 

Gib Rechenschaft über deine Verwaltung. Wer muss eigentlich dafür bezahlen, wenn wir nicht bereit sind für gute Arbeit faires Geld zu bezahlen? Vielleicht die 12jährige Näherin aus Bangladesch? 

So kann das Gleichnis von Jesus auch ein Appell sein für einen verantwortungsbewussten Umgang mit Ressourcen – mit den eigenen und mit fremden. Gib Rechenschaft! 

Der Verwalter hat Misswirtschaft betrieben, aber durch den Aufruf Rechenschaft abzulegen, ist er zum Wohltäter für kleine Leute geworden. 

Vielleicht hat er sich an die alte biblische Tradition des Erlassjahres erinnert und deswegen einen Teil der Schulden erlassen. Denn das war schon programmatisch in der ersten Predigt Jesu: 

Der Geist des Herrn ist auf mir, weil er mich gesalbt hat, zu verkünden die Frohe Botschaft den Armen, zu predigen den Schuldsklaven, dass sie frei sein sollen, ausrufen das Erlassjahr des Herrn. Amen.

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