Gottesdienst in St. Johannis am 21. Sonntag nach Trinitatis - 21.10.2018

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St. Johannis

Predigt:
Pfarrer Jörg Mahler

"Jeremias Botschaften"

Predigttext: Jeremia 29,1.4-14

Gnade sei mit Euch und Friede von Gott unserm Vater und dem Herrn Jesus Christus. Amen. 

Liebe Gemeinde, 

eigentlich müsste ich den heutigen Predigttext nicht aus der Bibel vorlesen, sondern von einer Schriftrolle. Der Predigttext ist nämlich ein Brief, und wird mit folgenden Worten eingeleitet: Dies sind die Worte des Briefes, den der Prophet Jeremia von Jerusalem sandte an den Rest der Ältesten, die weggeführt waren, an die Priester und Propheten und an das ganze Volk, das Nebukadnezar von Jerusalem nach Babel weggeführt hatte. 

Schlimmes hatten sie hinter sich gebracht: eine jahrelange Belagerung, wo es nur das Nötigste zum Leben gab. Angst als täglicher Begleiter. Dann der Sieg der fremden Macht: In Jerusalem lassen die Babylonier unter ihrem Herrscher Nebukadnezar keinen Stein auf dem anderen. Und er lässt die ganze Elite deportieren, so wie es nach ihm noch viele taten. Israel sollte nicht mehr auf die Beine kommen. Und in Babel sollten sie als billige und gute Handwerker für einen wirtschaftlichen Aufschwung sorgen. 

Wie gings ihnen in der neuen Heimat? Arbeit hatten sie, zum Glück wurden sie nicht versklavt wie damals ihre Vorfahren in Ägypten unter dem Pharao. Und doch tragen sie die Heimat tief in ihren Herzen: ihre Stadt, ihr Haus, ihren Tempel. 

Der Prophet Jeremia, zurückgeblieben in Jerusalem, hatte den Verbannten etwas auszurichten. Er war mit Gott im Gespräch, und hat von ihm eine Botschaft empfangen. Und so holt Jeremia seinen Schreiber Baruch, lässt ihn Pergament oder Papyrus mitbringen und diktiert ihm einen Brief. Gerollt, in eine Lederhülle gestickt, hat er ihm einem Reisenden mitgegeben, der sich auf den Weg ins ferne Babel machte. 

Vier Botschaften hat der Prophet den Verbannten zu überbringen:  

1. Botschaft 

Ich lese den ersten Abschnitt aus dem Brief des Jeremja, die Verse 4 bis 6: 

So spricht der HERR Zebaoth, der Gott Israels, zu den Weggeführten, die ich von Jerusalem nach Babel habe wegführen lassen: Baut Häuser und wohnt darin; pflanzt Gärten und esst ihre Früchte; nehmt euch Frauen und zeugt Söhne und Töchter, nehmt für eure Söhne Frauen, und gebt eure Töchter Männern, dass sie Söhne und Töchter gebären; mehret euch dort, dass ihr nicht weniger werdet. 

Waren die Leute froh, das zu hören? Oder nicht? Baut euch Häuser und wohnt darin, das heißt doch zuerst einmal: So schnell werdet ihr nicht wieder zurück in die Heimat kommen. Wenn überhaupt. Also macht das Beste aus eurer Situation. Richtet euch hier ein, macht euch heimisch. Vielleicht war das ja für den ein- oder anderen ein erlösendes Wort: Ich darf mich heimisch machen, muss nicht mehr hin- und hergerissen sein zwischen dem was war und dem was ist. Ich darf mich auf das Neue einlassen, mit dem o.k. und der Hilfe Gottes. 

Baut Häuser und wohnt darin; pflanzt Gärten und esst ihre Früchte; nehmt euch Frauen und zeugt Söhne und Töchter. Nicht anders erging es vielen hier in Rödental, auch manchem von uns hier im Gottesdienst bzw. unseren Vorfahren. 

Nach dem Krieg kamen die Ostpreußen, Balten, Sudeten und Schlesier hier. Später dann die Siebenbürger und Banater. Dann türkische Gastarbeiter und Gastarbeiter vom Balkan. Nach der Wende Ostdeutsche und Russlanddeutsche. Jetzt Flüchtlinge aus verschiedenen Ländern. Die letzten hundert Jahre waren sehr stark vom Kommen geprägt. Dadurch ist Rödental so gewachsen. Es wurde für viele zur Heimat, die zwar noch die Erinnerung an die alte Heimat bewahren, die sich aber ganz auf das Neue eingelassen haben, und hier beruflich und familiär verwurzelt und glücklich geworden sind. Auch ich als Pfarrer bin dazugekommen, habe mich eingerichtet und v.a. meine Frau hat den Garten angelegt und bepflanzt. Und es wird so weitergehen: Die Bundesregierung plant ein Zuwanderungsgesetz. In bestimmten Berufen mit großem Bedarf wie im Bau und in der Pflege soll kommen können, wer ausgebildet ist und die Sprache kann, mit der Perspektive dauerhaft bleiben zu dürfen. 

Geistlich lässt sich mit Jeremja zu all diesen Wanderungsbewegungen in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft sagen, dass Menschen auch in der Fremde heimischwerden dürfen, so dass die Fremde zu einer neuen Heimat wird. Gott legt seinen Segen drauf, wenn jemand neu anfängt. Und er wünscht sich, dass das Zusammenleben mit den Einheimischen gelingt, würde er sonst sagen: Nehmt euch dort Frauen und Männer? Auch wenn man sich in Herkunft, Religion und Tradition unterscheidet, muss ein friedliches Zusammenleben mit gegenseitigem Respekt zum Wohle aller möglich sein. Viele von uns haben eine ähnliche Zuwanderungsgeschichte wie das Gottesvolk in Babylon hinter sich, und sind gefordert, selbst andere willkommen zu heißen. Auch unsere Kinder ziehen oft in fremde Städte, leben ihr Leben in einer neuen Heimat. Auch sie mögen dort gerne leben und willkommen sein. 

Jeremias zweite Botschaft 

Ich lese den zweiten Abschnitt aus dem Brief des Jeremja, Vers 7: 

Suchet der Stadt Bestes, dahin ich euch habe wegführen lassen, und betet für sie zum HERRN; denn wenn's ihr wohlgeht, so geht's auch euch wohl. 

„Suchet der Stadt Bestes“, fordert der Prophet die Menschen im Namen Gottes auf. Ein Motto, dass wir in Rödental auch von politischer Seite ab und an hören. Suchet der Stadt Bestes, d.h. bringt euch ein, damit es eurem Ort gut geht, damit hier das Leben lebenswert ist. Eigentlich logisch: Wenns der Stadt wohlgeht, so geht’s auch denen wohl, die darin leben. 

In Rödental gibt es viele Vereine, Organisationen und Menschen, die sich einbringen, damit es sich hier gut leben lässt. Auch wir als Kirchengemeinde gehören dazu. In dieser Woche kommt der neue Gemeindebrief von unserer St. Johannisgemeinde heraus. Dort stehen auf den letzten Seiten die Gruppen und Kreise, die sich versammeln, in denen sich Menschen wohlfühlen und sich gegenseitig stärken: … 

Dazu kommen natürlich unsere drei Kindergärten mit Kinderkrippen: der St. Johanniskindergarten, der Fritz-Anke-Kindergarten und das Kinderhaus Tigerente in Oberwohlsbach. Hier nehmen wir uns der Jüngsten an, begleiten sie auf ihren ersten Schritten ins Leben. In Oberwohlsbach haben wir sogar eine integrative Gruppe. Kindergärten unterstützen Familien und die Kinder, suchen ihr Bestes und sie tragen ungemein dazu bei, dass eine Stadt lebenswert ist. 

In unserer heutigen Zeit besteht allerdings das Problem, dass viele Institutionen wie Vereine oder Kirchengemeinden schrumpfen. Menschen brauchen vielleicht gerade keinen Verein, keine Kirche, und kehren beiden den Rücken zu. So aber werden nach und nach wichtige Stabilitätsfaktoren unserer Gesellschaft ausgehöhlt, eben jene Institutionen, die das Zusammenleben prägen und tragen. Wenn etwas einmal verlorengegangen ist, lässt es sich nur sehr mühsam wiederbeleben. Suchet der Stadt bestes, das heißt auch: Unterstützt die, die sich einbringen, und wenns mit eurem Beitrag zum Marienverein, zum VdK, zur Awo oder zur Kirche ist. Damits auch unseren Kindern hier gutgeht und zum Besten dient. 

„Suchet der Stadt Bestes und betet für sie zum Herrn“. Tun wir das? Für die Stadt beten? Beten für die Menschen am Ort, für menschengerechte politische Entscheidungen und für ein gutes Zusammenleben. Heute werden wir es tun, für unseren Ort beten - im Vertrauen darauf, dass Gott unsere Gebete hört und Dinge zum Guten wendet. 

Die dritte Botschaft 

Ich lese den dritten Abschnitt des Briefs von Jeremja: V8.9: 

Denn so spricht der HERR Zebaoth, der Gott Israels: Lasst euch durch die Propheten, die bei euch sind, und durch die Wahrsager nicht betrügen, und hört nicht auf die Träume, die sie träumen! Denn sie weissagen euch Lüge in meinem Namen. Ich habe sie nicht gesandt, spricht der HERR. 

Falsche Propheten und Wahrsager. Damit meint Jeremja wohl nicht die modernen Horoskopeschreiber, die mit ihren psychologischen Kenntnissen geschickte vieldeutige Prognosen erfinden. 

Jeremja meint eher die Leute, die unsere Gegenwart und Zukunft in falsches Licht zu hüllen suchen, um uns vom guten Weg abzubringen. 

Stimmen, die sagen: Die prognostizierte Erderwärmung ist doch nur eine Erfindung der Umweltlobby. Ihr könnt weiter eure dicken Autos fahren. 

Leute, die in ihre Rhetorik wieder gehäuft die Worte Kampf und Sieg verwenden, um für ihre Ziele zu werben. 

Leute, die bestimmte menschengruppen im In- oder Ausland abwerten: ob Flüchtlinge, Frauen, Juden, Homosexuelle oder andere. 

Stimmen, die die absolut freie Marktwirtschaft ohne Regulativ vertreten. 

Stimmen, die nicht differenzieren können und von Vorurteilen geprägt sind. 

Stimmen, die das Wort christlich für etwas verwenden, was längst unchristlich geworden ist. 

Es gibt sie, diese falschen Propheten, die versuchen, Einfluss zu gewinnen, die uns aber auf einen Weg ziehen wollen, bei dem alles nur schlechter wird. 

Lasst euch durch die Propheten, die bei euch sind, nicht betrügen. Sie weissagen euch Lüge. Jeremia fällt ein ganz klares Urteil, und warnt uns vor der Gefahr. Ja, es liegt auch an uns, ob bestimmte Ideen und Gedankensysteme salonfähig werden. Denn nur, wenn sie sich in der Masse verwurzeln, haben sie Wirkung. Darum gilt für uns mit Jeremja: Seht euch alles im Licht Gottes an, auf dem Hintergrund unseres christlichen Menschenbildes und der Heiligen Schrift. Prüft alles, und das Gute behaltet! 

Jeremias vierte Botschaft nach Babylon 

Ich lese den letzten Abschnitt seines Briefs an die Verbannten: 

Denn so spricht der HERR: Wenn für Babel siebzig Jahre voll sind, so will ich euch heimsuchen und will mein gnädiges Wort an euch erfüllen, dass ich euch wieder an diesen Ort bringe. Denn ich weiß wohl, was ich für Gedanken über euch habe, spricht der HERR: Gedanken des Friedens und nicht des Leides, dass ich euch gebe das Ende, des ihr wartet. Und ihr werdet mich anrufen und hingehen und mich bitten, und ich will euch erhören. Ihr werdet mich suchen und finden; denn wenn ihr mich von ganzem Herzen suchen werdet, so will ich mich von euch finden lassen, spricht der HERR, und will eure Gefangenschaft wenden und euch sammeln aus allen Völkern und von allen Orten, wohin ich euch verstoßen habe, spricht der HERR, und will euch wieder an diesen Ort bringen, von wo ich euch habe wegführen lassen. 

Das sind Worte voller Verheißung, voller Zukunft, voller Hoffnung. Die Vision einer guten Zukunft. Warum darf Jeremja so hoffnungsfroh schreiben? Ganz einfach: Weil Gott sich für die gute Zukunft verbürgt. Ich will euch zurückbringen, habe Gedanken des Friedens über euch, werde die Gefangenschaft wenden und mich von Euch finden lassen. All das hängt zusammen und umschreibt das Wirken Gottes in der Welt 

Natürlich wird nicht immer alles so werden, wir von uns erträumt und erbeten. Aber doch handelt Gott im Leben von uns Menschen: Viele Gemeindemitglieder erzählen immer wieder, wie sie durchs Gebet Wegweisung und Kraft bekommen, und wie sich auch Not wenden kann, wenn auch manchmal anders als zuvor gedacht. 

Und Gott handelt nicht nur im Leben Einzelner, sondern auch in der Geschichte: Sein Volk hatte er aus Ägypten gerettet, und einige Zeit nachdem Jeremja seinen Brief geschrieben hatte, hat Gott die Rückkehr möglich gemacht, und ein Teil der Verbannten ist von Babylon wieder zurück ins Heilige Land gezogen. Andere sind geblieben, weil sie sich längst, wie es Jeremia gefordert hatte, heimisch gemacht haben. 

Wir sind nicht das Volk Israel: Nicht jeder will und wird dahin zurückkehren, woher die Familie einst kam. Die Verheißung, die Jeremja weitergibt, ist für mich aber ein Zeichen der Treue Gottes: Gottes lässt uns nicht allein, er lässt sich finden, wenn wir ihn suchen, er begleitet uns mit seinem Segen, er hat die Macht, Not zu wenden. 

Wie war das 1989? Lichterprozessionen und Gebete, die von der Leipziger Nicolaikirche ausgingen, hatten an der Wende nicht unerheblichen Anteil. Vielleicht eines der Beispiele, wie Gott auch in der Geschichte handelt. Wird er so auch in Syrien und anderswo handeln, endlich die Mächtigen dazu bewegen, Frieden herzustellen? So dass die, die sich nach danach sehnen, wieder in ihrer Heimat wohlbehalten zu leben, zurückkehren können? 

Gott handelt in der Geschichte und an einzelnen Menschen, weltweit und auch in unserer Mitte. 

Das schenkt Hoffnung: Hoffnung angesichts aller gesellschaftlicher Sorgen, angesichts von besorgniserregenden Nachrichten, angesichts von Umweltzerstörung und Krieg, angesichts von Leid, Schuld, Trauer, finanziellen Nöten und anderen großen Sorgen: Gott lässt seine Welt nicht im Stich. Er schickt nicht noch eine Sintflut: „Ich will mein gnädiges Wort an euch erfüllen“ sagt er. Gott sei Dank. 

Was Gott tut, das ist wohlgetan, für uns und die ganze Welt. Amen. 

Und der Friede Gottes, der höher ist als all unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.

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