Gottesdienst in St. Johannis am 1. Weihnachtstag - 25.12.2017

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St. Johannis 

Predigt:
Diakon Günter Neidhardt

"Die Herrlichkeit der
Gotteskindschaft"

Kanzelgruß 

Predigttext: 1. Johannes 3,1-6 "Die Herrlichkeit der Gotteskindschaft" 
Seht, welch eine Liebe hat uns der Vater erwiesen, dass wir Gottes Kinder heißen sollen – und wir sind es auch! Darum erkennt uns die Welt nicht; denn sie hat ihn nicht erkannt. Meine Lieben, wir sind schon Gottes Kinder; es ist aber noch nicht offenbar geworden, was wir sein werden. Wir wissen: Wenn es offenbar wird, werden wir ihm gleich sein; denn wir werden ihn sehen, wie er ist. Und jeder, der solche Hoffnung auf ihn hat, der reinigt sich, wie auch jener rein ist. Wer Sünde tut, der tut auch Unrecht, und die Sünde ist das Unrecht. Und ihr wisst, dass er erschienen ist, damit er die Sünden wegnehme, und in ihm ist keine Sünde. Wer in ihm bleibt, der sündigt nicht; wer sündigt, der hat ihn nicht gesehen noch erkannt. 

Stilles Gebet / Segensbitte 

Liebe Gemeinde, 

welcher Fernsehtyp sind Sie, über die Feiertage? Was sehen sie im TV an? Gehört für Sie Cedric, der liebenswerte, freundliche, gerade mal 8-jährige „Kleine Lord“ dazu, der seinen verknöcherten Großvater „Lord Fautleroy“ zu einem anderen, besseren Menschen macht? Der Film läuft über die Feiertage und Programme verteilt heuer 3 mal. 

Oder ist Ihnen das zu süßlich, kitschig. Sehen Sie lieber etwas Realistisches, politische Magazine, Heute Journal und Tagesthemen eingeschlossen. Die Probleme der Welt, die Ungerechtigkeit, Krieg und Zerstörung, Ausbeutung und Hass existieren doch real. Trotz Weihnachten. 

Oder verzichten sie ganz auf das Fernsehprogramm? Vielleicht kommt Besuch, vielleicht machen Sie einen Besuch. Und was sehen Sie dann? Eine heile (heilige) Familie, in der alles harmonisch miteinander läuft, in der man herzliche Freude und ausgesuchte, individuelle, Geschenke teilt? 

Oder sehen, merken Sie schon nach wenigen Stunden, dass Sie so ein Zusammensein in großer Runde gar nicht mehr gewöhnt sind und auch eigentlich gar nicht gewöhnt sein wollen? Dass da Spannungen in der Luft liegen, Konflikte mühsam unter dem Tisch gehalten werden oder gar offen ausbrechen? 

Hoffen Sie vielleicht sogar, dass die Feiertage bald vorübergehen? 

Und was sehen Sie, wenn Sie sich in diesen Tagen draußen umschauen? Sehen Sie das aufgehende Licht, das die Finsternis erhellt und unsere Herzen zum Leuchten bringt? Sehen Sie die Hoffnung in den Augen der Menschen, ihre Sehnsucht nach Liebe und Geborgenheit, gerade an Festen wie Weihnachten? 

Oder sehen Sie die Hetze und den Stress, die Kommerzialisierung und Banalisierung von Weihnachten, die Überflutung mit Lichterketten, die zum Teil schon an Lichtverschmutzung grenzt? 

Was sehen wir? 

Unser Predigttext beginnt mit der Aufforderung hinzuschauen: 

„Seht“. „Seht welch eine Liebe hat uns der Vater erwiesen, dass wir Gottes Kinder heißen sollen – und wir sind es auch!“ 

Und so lädt uns der Predigttext geradezu ein, zwingt uns regelrecht dazu hinzuschauen, er eröffnet uns eine neue Sicht. Seht, schaut hin, macht euch bewusst, macht es euch klar: Ihr heißt Gottes Kinder und, geradezu noch einmal verstärkend, und ihr seid es auch. 

Man spürt dem Briefeschreiber seine Leidenschaft geradezu ab. Seht, Schaut. 

Seht – die Offenbarung Gottes, als Kind im Stall von Bethlehem verändert uns radikal. Hat uns radikal verändert bewirkt: Wir sind Gottes Kinder! 

Seht – die Welt hat es nicht erkannt. Der Briefschreiber kämpft mit aller Macht gegen die Blindheit an. 

Seht – die Offenbarung Gottes, die Geburt des Heilands, ist ein Ereignis, das unseren Blick verändert. 

Eine neue Sicht auf uns selbst, auf unsere Mitmenschen, ja auf die Welt und das Weltgeschehen wird möglich. 

Wir sind Gottes Kinder. Natürlich beutet das nicht, dass jetzt einfach alle Problem gelöst sind und dass Gottes ewiges Friedensreich vollendet ist. Das weiß Johannes auch, wenn er schreibt: 

Meine Lieben, wir sind schon Gottes Kinder; es ist aber noch nicht offenbar geworden, was wir sein werden. Wir wissen: Wenn es offenbar wird, werden wir ihm gleich sein; denn wir werden ihn sehen, wie er ist. 

Diese Spannung gilt es auszuhalten. Wir sind Gottes Kinder, aber unter den Bedingungen dieser Welt. 

Dennoch: Augen auf, „Seht“, Gott ist schon jetzt in unserer Welt. Überall da, wo die Liebe sich Bahn bricht. Da wo Menschen wieder aufeinander zugehen. Da wo Menschen über ihren Schatten springen und die Hand zur Versöhnung ausstrecken. Da, wo wir einen, unseren Beitrag leisten, dass Gerechtigkeit entsteht und Friede. 

Seht, erkennt, Sünde und Unrecht, Leid und Unfriede in der Welt, in der Wirklichkeit die uns umgibt. Sie sind doch nicht einfach schicksalhaft entstanden. Sie sind durch uns selbst gemacht. Durch unseren Egoismus, unsere Gier. 

Unser Handeln macht aber auch sichtbar, inwieweit wir uns als Kinder Gottes verstehen. Johannes, der Briefschreiber fordert uns geradezu heraus, unseren Glauben zu leben. Ihr seid Gotteskinder. Und das soll sichtbar werden. Lebt euren Glauben und zeigt, macht offenbar welch Geistes Kind wir sind. Der Bruder und die Schwester des Gotteskindes, Gottes in der Krippe. 

„Seht, welch eine Liebe hat uns der Vater erwiesen, dass wir Gottes Kinder heißen sollen – und wir sind es auch!"

Auch wenn es ein bisschen unziemlich klingt, füge ich hinzu: 

„und wir sind es auch“ verdammt noch mal. Tut doch nicht so, als ob das alles irgendwie beliebig wäre. 

Ihr Lieben, wir feiern heute Weihnachten. Und unseren Predigttext können wir tatsächlich als eine Sehhilfe betrachten. Als Brille. Nicht rosarot, nur Hirten – und Stallidylle, und Heidschi Bumbeitschi….sondern als Sehhilfe für das Leben. Und da kommt eben beides vor. Liebe und Getrenntheit von Gott, Sünde. 

Es kommt eben auf den Blickwinkel an, so wie diese Brille geschliffen ist. Die Weihnachtsbrille, der Weihnachtsschliff zeigt uns: Liebe verändert Menschen. Ein kleines Kind verändert den Lauf der Geschichte. Im Kleinen und im Großen. Und das ist auch so! Auch wenn wir wissen, dass wir Menschen die gefährlichste Erdpopulation sind, die sich gegenseitig und ihre Umwelt zerstören. 

Weihnachten ist die Brille, die uns hinter die Realität sehen lässt, die uns auf eine Veränderung weist, die längst geschehen ist. Sie macht einen Zuspruch sichtbar, der uns längst gesagt ist, den Menschen aber immer wieder neu zugesagt brauchen, damit sie ihn gerade in Krisenzeiten nicht vergessen, sondern neue Kraft aus ihm schöpfen können, zum Leben und zum Handeln. Es ist der Zuspruch, der uns in den Augen eines kleinen Kindes in der Krippe entgegenleuchtet. „Seht, welch eine Liebe hat uns der Vater erwiesen, dass wir Gottes Kinder heißen sollen – und wir sind es auch!“ Verdammt noch mal! 

Amen 

Segen

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