Gottesdienst (Kirche am Abend) am 25. Oktober 2015 -21. Sonntag nach Trinitatis- in St. Johannis

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St. Johannis, Curanum

Predigt:
Pfarrer Jörg Mahler

"Von Flaschen und dem
Heiligen Geist"

 

Wisst ihr nicht, dass ihr Gottes Tempel seid und der Geist Gottes in euch wohnt?

Wer den Tempel Gottes verdirbt, den wird Gott verderben. Denn Gottes Tempel ist heilig, und der seid ihr.

1. Kor 2,16-17

Friede sei mit euch von dem, der da ist, der da war, und der da kommt, Christus, unserem Herrn. Amen.

 I.

Liebe Schwestern und Brüder!

 Ganz verschiedene Flaschen stehen hier vor uns. Ganz verschieden sind sie gefüllt. Ich finde es zunächst einmal spannend, sich selbst zu fragen: Womit bin ich gefüllt?

-       Bin ich mit Wasser gefüllt, mit Langeweile, fließt meine Zeit einfach so dahin?

-       Oder bin ich mit Essig gefüllt: Denke ich meistens an die sauren Situationen, an die Menschen, die mir das Leben schwer machen, oder muss ich mich jetzt gerade irgendwo durchbeißen?

-       Bin ich mit Wein gefüllt: Freue ich mich meines Lebens, bin gerne auf der Arbeit, in der Familie und in der Kirchengemeinde, bin ich gerne mit vielen verschiedenen Menschen zusammen?

-       Bin ich kaputt, so wie die zerbrochene Flasche? Leide ich unter zerbrochenen Beziehungen oder unter anderem Ärger? Fehlt mir manchmal einfach die Kraft, weiterzumachen? Bin ich traurig?

-       Oder bin ich mit Parfüm gefüllt: Bin ich erfüllt von vielen tollen und duftenden Zeiten?

Wenn ich auf mich selber schaue, dann merke ich: Ein Flascheninhalt allein passt gar nicht zu mir. In verschiedenen Momenten fühle ich mich verschieden. Mal fühle ich mich mehr wie die Weinflasche, mal mehr wie die Essigflasche.

Womit bin ich gefüllt?

Wir haben in der Lesung gehört, von welcher Füllung der Apostel Paulus schreibt. Von einer ganz besonderen Füllung, mit der Christen gefüllt sind, ob sie es wissen oder nicht, ob sie diese Füllung wahrnehmen oder nicht. Erinnern Sie sich? Er fragt in seinem Brief die Korinther: „Wisst ihr nicht, dass der Geist Gottes in Euch wohnt?“.

Hätten sie es gewusst, dass der Geist Gottes in uns wohnt? Auch die Korinther scheinen es nicht alle gewusst zu haben, deshalb weißt Paulus sie darauf hin. Wir sind neben vielem anderen auch mit dem Heiligen Geist gefüllt. - Aber wie kommt der denn in uns rein?

Die Bibel erzählt immer wieder, wie bei der Taufe einem Menschen der Heilige Geist geschenkt wird, so wie er auch auf Jesus in dessen Taufe herabkam.

Jeder, der getauft ist, hat den Heiligen Geist in sich. Die Flaschen stehen um den Taufstein herum. Das ist ein Zeichen dafür, dass wir mit dem Geist gefüllt sind, ganz egal, nach was sich unsere Füllung gerade anfühlt. Und wer nicht getauft ist, der lebt trotzdem in der Gegenwart des Geistes, denn Gottes Geist erfüllt die ganze Welt, jedes noch so kleine Eckchen. Schon in der Schöpfungsgeschichte heißt es ja: Der Geist Gottes schwebte über den Wassern.

Und diese Füllung, der Geist Gottes, was bringt der uns eigentlich oder was macht der?

Er ist ein ganz besonderes Geschenk. Die Bibel erzählt sehr viel über sein Wirken, und sie lässt mich staunen über das, was er alles tut: Er ist der, der dir deine Gaben und Fähigkeiten geschenkt hat, und dir hilft, sie zu entdecken und zu entfalten. Er ist der, der dir vieles immer wieder gelingen lässt, im Beruf und im Privaten.

Er ist der, der dich stärkt in Herausforderungen, so dass du deinen Weg weitergehen kannst.

Er ist der, der bei dir ist, wenn du dich alleine fühlst, Helfer und Tröster (Paraklet) nennt ihn Jesus. Er ist der, der dich antreibt Gutes zu tun, nicht nur für die Deinen, sondern auch für die Gesellschaft und die Welt. Er ist der, der dich zum Segen für andere werden lässt.

All das schenkt und bewirkt der Geist Gottes.

Der Geist ist ein ganz besonderes, großartiges und wertvolles Geschenk. Auf sein Wirken möchte ich nicht verzichten. Und bestimmt auch kaum einer von Ihnen, denn all das, was er tut, brauchen wir im Leben.

Aber ich frage mich: Spüre ich diesen Geist auch? Merke ich dieses sein Wirken, von dem die Bibel erzählt, wirklich auch in meinem Leben? Ich weiß, dass viele unter uns immer wieder Erfahrungen mit Gott machen, und diese Fragen mit „Ja“ beantworten könnten, und Geschichten dazu erzählen könnten, wie z.B.: Dieses hat mir Gott geschenkt! Oder: Dort hat er mich bewahrt! Da hat er mich auf den rechten Weg zurückgebracht. Oder: Damals hat er mir die Kraft gegeben, diese schwere Zeit durchzuhalten.

Und doch bleibt dieses Wahrnehmen des Geistes oft auf wenige besondere Momente begrenzt. Warum? Warum spüren wir nicht mehr von seinem Wirken?

Johannes Tauler, ein Dominikaner aus dem 14.Jhd., hat sich viel damit beschäftigt, wie der Geist in uns zur Wirkung kommt und spürbar wird. Er bringt uns auf einen interessanten Gedanken:

„Die Entleerung ist die erste und größte Vorbereitung für den Empfang des Heiligen Geistes. Denn ganz so weit und ebensoviel der Mensch entleert ist, so viel mehr wird er auch fähig, den Heiligen Geist zu empfangen. Denn will man ein Fass füllen, so muss zuvor heraus, was drinnen ist. Soll Wein hinein, so muss zuerst das Wasser heraus, denn zwei stoffliche Dinge können nicht zugleich an einem (und dem seIben) Ort sein. Soll Feuer hinein, so muss das Wasser heraus, denn sie sind einander feindlich. Soll Göttliches (in den Menschen) hinein, so muss notwendigerweise das Geschöpfliche (zuerst) den Menschen verlassen. Alles Geschöpfliche muss heraus, es sei von welcher Art auch immer.“.

Tauler sagt auch, was er mit dem Geschöpflichen meint: nicht unsere Identität, denn die aufzugeben würde heißen, uns selbst zu verleugnen, sondern er zählt auf: die Eitelkeiten der Welt, die Gewohnheiten, die äußeren Beschäftigungen, persönliche Vorhaben, (eigenes) Gutdünken.

Ich staune. Was Johannes Tauler im 14.Jhd. schreibt, könnte genauso heute noch geschrieben sein: Mit dem, was er aufzählt, ist auch der heutige Mensch angefüllt. Und all das hat auch sein Recht – unsere Pläne, unsere Beschäftigungen in Beruf, Familie und Freizeit. Aber wenn uns all diese Dinge ganz ausfüllen, unseren Tag, unser Denken und Handeln, dann ist da kein Platz mehr für den Geist Gottes. Und viele spüren dieses Defizit, dass da was fehlt im Leben, was nochmal eine ganz andere Dimension eröffnen würde. Viele haben eine Art spiritueller Sehnsucht. Das Wort „spirituell“ aus dem Lateinischen übersetzt heißt übrigens „geistlich“: Sie haben also eine geistliche Sehnsucht, nach Erfahrungen mit der kraft Gottes und einem tragenden Grund im Leben.

Es ist modern, Gott in der Fremde zu suchen: auf Pilgerwegen oder in buddhistischen Tempeln. Tauler als einer der Hauptvertreter der mittelalterlichen Mystik geht einen anderen Weg. Er sagt wie Paulus: Der Geist wohnt schon in uns. Wer eine spirituelle Erfahrung sucht, also ein geistliches Erlebnis, der braucht nur den Geist Gottes und sein Wirken im eigenen Leben zu entdecken: Indem wir die Dinge, die mit uns geschehen, auch auf Gott beziehen und im Licht des Glaubens sehen.

Unser Tun besteht darin, dass wir dem Heiligen Geist eine Stätte und einen Platz geben, damit er sein Werk vollbringen kann. Aber wenn ich probiere, mich für ihn leer zu machen, dann, so schreibt Tauler:, erfüllt uns der Heilige Geist: Er „stürmt in unsere Seelen, er gießt all seinen Reichtum über uns aus, überschüttet uns mit seinem Schatz, den inneren wie den äußeren Menschen.“.

II.

Ich komme zu einem zweiten Gedankengang, von der Füllung zur Flasche. Also von dem, was in uns ist, zu uns selbst.

Ab und an frage ich Kinder: Wo wohnt denn Gott? Viele antworten: in der Kirche. Und wer die Geschichten aus dem Alten Testament gut kennt, antwortet: im Tempel.

Wenn aber Gottes Geist in uns ist, dann wohnt Gott ja auch in uns, dann ist unser Körper wie ein Tempel. Genauso sagt das Paulus in unserem Bibelwort: Gottes Tempel ist heilig, und Gottes Tempel, das seid – ihr!

Du und ich – ein Tempel Gottes. Wir sind also keine Flaschen. Und wer zu uns sagt: „Du Flasche“, der hat nichts verstanden von dem, was zwischen Himmel und Erde geschieht. Nicht nur eine besondere Füllung haben wir, wir sind auch jemand ganz Besonderes. Jeder von uns.

Alle kennen wir die Bilder von klassischen Tempeln, ob in Griechenland oder jetzt aus Syrien. Ein Tempel hat hohe stolze Säulen, große Portale, wo Menschen ein- und ausgehen, selbstbewusst und stark steht er da. So sind wir Menschen: aufrecht und selbstbewusst darfst du durchs Leben gehen, denn: Du bist wer! Gott bringt dir eine ungeheure Wertschätzung entgegen! Du musst dich nicht verstecken, nicht aus Angst vor anderen zurückziehen. Du darfst deine Meinung vertreten, zu dem stehen, was dir wichtig ist. Du bist wertvoll.

Genauso aber ist der andere wer - der Mitschüler und der Lehrer, der Kollege und der Chef, der Ehepartner und die Kinder, der Nachbar und der zu uns Geflohene. Jeder ist wertvoll. Deshalb ist es nur logisch, auch den anderen zu akzeptieren und zu achten. Ganz praktisch heißt das: die Meinung des anderen anzuhören und gelten zu lassen, bei Konflikten nach Kompromissen zu suchen. Auch einmal auf einen, der am Rande steht, zugehen. Du bist unheimlich wertvoll, und der andere auch. Alle sind wir ein Tempel des Heiligen Geistes.

Auch für Johannes Tauler bedeutet das sich- Leermachen für den Geist keinen Rückzug in ein rein kontemplatives Leben. Auch für ihn bilden tätiges und beschauliches Leben eine unauflösliche Einheit. Und zum tätigen Leben gehört nicht nur unsere Arbeit, sondern auch der Einsatz füreinander.

Lassen wir es zu, dass der Geist auch in uns wirkt, nehmen wir den Geist, den Gott uns in unserer Taufe geschenkt hat, mitten in unser Leben hinein.

Dann werden wir erleben, wie er all seinen Reichtum über uns ausgießt, unseren inneren wie den äußeren Menschen mit seinem Schatz überschüttet (Tauler). Dann werden wir merken, wie der Geist wirkt und uns Gutes tut und durch uns anderen – ganz egal, ob wir uns gerade nach Essig oder Wasser oder Wein anfühlen. Amen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als all unsere Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.

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