Gottesdienst am Sonntag Laetare (30. März 2014)

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St. Johannis Rödental

Predigt:
Lektor Roland Dier

"Ein Kreuz mit dem Kreuz" 

Der Predigttext: 1 Kor. 1, 18-25

Denn das Wort vom Kreuz ist eine Torheit denen, die verloren werden; uns aber, die wir selig werden, ist's eine Gotteskraft.

Denn es steht geschrieben: »Ich will zunichte machen die Weisheit der Weisen, und den Verstand der Verständigen will ich verwerfen.«

Wo sind die Klugen? Wo sind die Schriftgelehrten? Wo sind die Weisen dieser Welt? Hat nicht Gott die Weisheit der Welt zur Torheit gemacht?

Denn weil die Welt, umgeben von der Weisheit Gottes, Gott durch ihre Weisheit nicht erkannte, gefiel es Gott wohl, durch die Torheit der Predigt selig zu machen, die daran glauben.

Denn die Juden fordern Zeichen und die Griechen fragen nach Weisheit,

wir aber predigen den gekreuzigten Christus, den Juden ein Ärgernis und den Griechen eine Torheit;

denen aber, die berufen sind, Juden und Griechen, predigen wir Christus als Gottes Kraft und Gottes Weisheit.

Denn die Torheit Gottes ist weiser, als die Menschen sind, und die Schwachheit Gottes ist stärker, als die Menschen sind.

Amen

Liebe Schwestern und Brüder,

es ist ein Kreuz mit dem Kreuz. Nicht nur damals in Korinth sondern auch heute. Hören wir was Menschen zu berichten haben, über ihr ganz persönliches Kreuz:

Der Patient ist operiert, die Geschwulst entfernt und in die Pathologie geschickt – nun heißt es warten. Warten auf das Ergebnis, das hoffentlich gut ausfällt, weil es Leben verspricht; auf keinen Fall die Qual von Chemo und Bestrahlung bzw. noch schlimmer, erst recht nicht das nahe Ende. Der ersehnte Tag kommt – auf dem Schreibtisch des Arztes liegt die Botschaft: Befund positiv, d.h. für den Patienten negativ, so widersprüchlich es klingen mag. Wie soll er es vermitteln? Einfach vorlesen, was da steht – die ganze Härte der Botschaft sagen? Oder noch von Hoffnung reden, obwohl wirklich kein Licht am Horizont ist? Mit dem Wörtchen »vielleicht« einen goldenen Mittelweg finden…

Es ist ein Kreuz mit der Wahrheit.

Ach, es ist ein Kreuz mit dem Kreuz.

Wochen hab’ ich gebetet, dem Herrgott so vieles versprochen und ich hätt’ es auch gehalten – aber nichts hat’s genutzt, Herr Pfarrer, gar nichts!  Da schreibt dieser Matthäus noch so schöne Sätze wie: »Bittet, dann wird euch gegeben« bzw. »Wer gibt seinem Sohn einen Stein, wenn er um Brot bittet« – alles gelogen. Noch nicht einmal eine Erklärung von »dem da oben«. Hätt’ er mir nicht im Traum einen Hinweis geben können – wie in der Bibel oft geschildert? Was soll ich davon halten – woran soll ich mich nun halten, jetzt, da unser Kind gestorben ist? Die Ärzte, klar, die können keine Wunder vollbringen – aber er, er hat doch dem Jaïrus die Tochter wiedergegeben. Und Sie, Herr Pfarrer, erzählen uns dann sonntags: »Alles wird gut!« Nichts wird gut, zumindest nicht für mich!

Es ist ein Kreuz mit dem lieben Gott.

Ach, es ist ein Kreuz mit dem Kreuz.

Als ich ihn zum ersten Mal gesehen habe, wusste ich: Das ist der Mann fürs Leben. Den will ich haben. Ich weiß, Menschen sind keine Gegenstände – nichts, was man sich so einfach unter den Nagel reißen kann. Also hab’ ich ihn umworben, uns Frauen hat der liebe Gott dafür eine Gabe geschenkt: den Charme. Und siehe, es hat geklappt: verliebt, verlobt, verheiratet. Und jetzt ist aus dem Liebespaar ein Leidenspaar geworden. Ich hab’s nie verstanden, warum es in einem Schlager heißt: »Ich wünsch’ dir Liebe ohne Leiden.« – Jetzt verstehe ich es. Wir haben uns auseinandergelebt, einfach so. Miteinander reden und nochmals reden, sich trennen, vorübergehend oder ganz? Aber: »Bis der Tod uns scheidet«, war versprochen. Und tot ist er nicht, nur für mich gestorben, aber ist das nicht dasselbe? Ein Kreuz mit dem Kreuz ist es jetzt für die Frau, auch für die Kinder. Das Kreuz tragen, auf irgendeinen Simon warten, der das Kreuz tragen hilft?

Es ist ein Kreuz mit dem ehelichen Miteinander.

Ach, es ist ein Kreuz mit dem Kreuz.

Ein Riesenfest: Der Sohn wurde achtzehn – endlich haben wir ihn groß gekriegt. Schön waren die 18 Jahre: sein erstes Schreien, das Brabbeln seines kleinen Mundes, der erste Zahn, das erste Laufen, die holprige Sprache und dieses dankbare Lachen für ein Stückchen Schokolade. Dazwischen Kummer: Sorgen um gute Noten, um die richtigen Freunde. Die Pubertät mit ersten Mädchenkontakten – geht das gut? Weiß er, was er tun und lassen soll? Alles vorbei – es kann so schön werden mit einem erwachsenen Kind. Aber: Er hat uns mit Tränen in den Augen gesagt: »Ich ziehe aus.« Und das tut weh, ein Kind hergeben. Muss es denn sein? Könnte er nicht bleiben – als ständiger Gast? Nicht vorgesehen: Er will, nein, er muss seinen Weg ohne uns finden.

Es ist ein Kreuz mit der Ablösung vom Elternhaus.

Ach, es ist ein Kreuz mit dem Kreuz.

Wir Menschen tun uns schwer mit dem Kreuz. Warum ist das so? Warum mutet Gott uns Menschen überhaupt Leiden zu? Was soll das Ganze?

Wir werden es immer schwer haben - das liegt an diesem Symbol selbst, das so viele Gegensätze in sich birgt: Ja und Nein, Liebe und Gewalt, Nähe und Ferne, Einsamkeit und Gemeinschaft, Himmel und Erde, Gott und Mensch.

Das Kreuz entzieht sich uns und gibt uns doch Halt. Am Kreuz kommen wir mit all unseren Gegensätzen mit Gott zusammen. Wir sind nie ohne Gott. Denn Gott sagt Nein zu den Maßstäben unserer Welt, aber Ja zu uns.  Wir sind mit unseren Fehlern und Schwächen und mit unserer Schuld angenommen.
Am Kreuz Jesu zeigt sich die Liebe Gottes zu uns, bedingungslos bis zur eigenen Hingabe liebt er die Menschen. So leidenschaftlich liebt er sie, dass er das Leiden auf sich nimmt. Das Opfer das Christus am Kreuz gebracht hat, ist Befreiung von allem: "Du musst..."  Wir leiden weniger unter einem religiösen Gesetz als vielmehr unter dem Gesetz des Erfolgs und der Leistung. Im Kreuz sagt uns Gott: "Du bist mein geliebtes und für Wert geachtetes Geschöpf, ohne alle Vorbehalte. Ich liebe dich, du musst dich nicht erst beweisen. Entfalte deine Gaben, so gut du kannst. Aber sei gewiss. Ich bin mit dir, auch wenn du versagst."
Das Kreuz ist deshalb Gottes Kraft zum Leben, weil ich mich angenommen weiß mit meinen Fehlern und Schwächen, mit Schuld und Sünde und in meinem Leid. Gott ermöglicht Leben mit Schuld und Unvollkommenheit. Ich bin frei vom: 'Du-musst-dich-erst-beweisen.' Ich bin geliebt auch so.

Im Kreuz zeigt sich Gott solidarisch mit allen Leidenden. Er zeigt wo er steht: auf der Seite der Schwachen. Im Kreuz zeigt Gott, wer er ist und wie er gesehen sein will: nicht als ferner Gott der allmächtig über allem herrscht, sondern als naher Gott, als Gott der hineingeht in unser Leiden. Da, wo ein Mensch nur noch daliegt wie ein Häuflein Elend, da ist Gott. Da, wo ein Mensch nicht mehr kann und am Ende ist, da ist Gott. Da, wo ein Mensch nicht mehr aus noch ein weiß, soll er wissen: Gott ist da. Im Leiden und Sterben Jesu zeigt Gott, dass er da ist bei den Leidenden.

So sind wir unterwegs. Unterwegs auf dem Weg unseres Lebens, auf dem Weg durch die Zeit. Nicht immer ist es eine Wanderschaft auf ebener Straße und bei Sonnenschein. Manchmal sind die Tage trüb, es geht steil bergauf und die Last, die wir tragen müssen scheint unendlich schwer. Die Frage nach dem Warum - warum ich, warum der Mensch den ich liebe, warum jetzt - bestimmt immer mehr unser Denken und Hoffnungslosigkeit, Trauer oder gar Verzweiflung schleicht sich in unser Leben.

Antworten werden wir wahrscheinlich keine finden, aber und das wünsche ich von ganzem Herzen - Trost, Zuspruch und Mut.

Ich möchte den Mut zur Freude haben, Gott, in dieser Zeit, den Mut zur Freundlichkeit inmitten von Hetze und Erschöpfung, den Mut zum Lächeln angesichts von Sorgen und Enttäuschung, ja, den Mut, der oftmals bedrückenden Realität befreit und hoffnungsfroh ins Gesicht zu lachen! Denn ich weiß: du bist da, Gott, und deine Verheißungen erfüllst du gewiss. Eine tiefe Freude erfüllt mein Herz und beseelt meinen Alltag. Komm, Gott, und gib mir den Mut, diese Freude groß werden zu lassen!

Amen

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