Gottesdienst am Sonntag Estomihi (2. März 2014)

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St. Johannis Rödental

Predigt:
Diakon
Günter Neidhardt

"Gegen den Strom"

Gnade sei mit euch, und Friede vom dem der da ist, der da war und der da kommt. Bitten wir in der Stille um Gottes Segen für sein Wort. ----

Amen.

Liebe Gemeinde,

wenn wir heute den vielzitierten Mann (oder die Frau) auf der Straße fragen würden, was denn heute für ein Sonntag sei, so würden wir wohl mehrheitlich die Antwort bekommen:  Faschingssonntag. Ja, der Höhepunkt der närrischen Zeit naht (oder ist schon da) und am Mittwoch ist ja bekanntlich „Alles vorbei“.

Ich gestehe, da kommt so ein Prediger schon auch in Versuchung. Sollte ich heute nicht besser mal eine Narrenkappe aufsetzen und dann in Reimform vielleicht loslegen? Etwa so: „ Jetzt lassen wir es noch mal krachen, bald  derf mer eh nix mehr machen, wir holn uns  noch beim Grosch an Kasten, denn ab Mittwoch müss mer fasten". 

TäTä

Der kirchliche Kalender zählt aber etwas anders und die sogenannte 5. Jahreszeit, die haben wir da eigentlich nicht. Nicht dass wir Christenmenschen automatisch griesgrämige Spaßbremsen wären oder sein müssten. Nein, ganz und gar nicht (und beim Grosch gibt es ja auch einen Luthertrunk), Nein, wir sind keine Miesepeter aber: WIR SIND SO FREI, dass wir nicht alles immer mitmachen müssen. WIR SIND SO FREI, (So unabhängig von dem was gerade angesagt ist) das wir es uns erlauben können, ich sage sogar oftmals erlauben müssen, zum aktuellen Geschehen, zum Mainstream, zu dem was „alle“ machen,  auch mal einen Kontrapunkt zu setzen.

So ein Kontrapunkt ist der Predigttext der uns heute am Sonntag Estomihi, also  50 Tage vor Ostern, in den Predigttextplan geschrieben wurde. Der Text stammt aus Buch Jesaja, Kapitel 58, Verse 1-9a:

Jesaja 58,1-9a

So spricht Gott zum Propheten: Rufe getrost, halte nicht an dich!  Erhebe deine Stimme wie eine Posaune und verkündige meinem Volk seine Abtrünnigkeit und dem Hause Jakob seine Sünden!  Sie suchen mich täglich und begehren, meine Wege zu wissen, als wären sie ein Volk, das die Gerechtigkeit schon getan und das Recht seines Gottes nicht verlassen hätte.  Sie fordern von mir Recht, sie begehren, dass Gott sich nahe.  «Warum fasten wir, und du siehst es nicht an?  Warum kasteien wir unseren Leib, und du willst's nicht wissen?» -Siehe, an dem Tag, da ihr fastet, geht ihr doch euren Geschäften nach und bedrückt alle eure Arbeiter.  Siehe, wenn ihr fastet, hadert und zankt ihr und schlagt mit gottloser Faust drein.  Ihr sollt nicht so fasten, wie ihr jetzt tut, wenn eure Stimme in der Höhe gehört werden soll. Soll das ein Fasten sein, an dem ich Gefallen habe, ein Tag, an dem man sich kasteit, wenn ein Mensch seinen Kopf hängen lässt wie Schilf und in Sack und Asche sich bettet? Wollt ihr das ein Fasten nennen und einen Tag, an dem der Herr Wohlgefallen hat?  Das aber ist ein Fasten, an dem ich Gefallen habe:  Lass los, die du mit Unrecht gebunden hast, lass ledig, auf die du das Joch gelegt hast! Gib frei, die du bedrückst, reiß jedes Joch weg! Brich dem Hungrigen dein Brot, und die im Elend ohne Obdach sind, führe ins Haus! Wenn du einen nackt siehst, so kleide ihn, und entzieh dich nicht deinem Fleisch und Blut! Dann wird dein Licht hervorbrechen wie die Morgenröte, und deine Heilung wird schnell voranschreiten, und deine Gerechtigkeit wird vor dir hergehen, und die Herrlichkeit des Herrn wird deinen Zug beschließen. Dann wirst du rufen, und der Herr wird dir antworten. Wenn du schreist, wird er sagen: Siehe, hier bin ich.

Nein, eine lustige Büttenrede ist dieser Text wirklich nicht. Ganz im Gegenteil, da werden den Zuhörern gewaltig die Leviten gelesen, da bricht sich Gottes heiliger Zorn Bahn.

Was bildet Ihr Euch ein, dass ihr mich Gott fordern könnt, dass ihr tatsächlich meint, ich bin zufrieden oder zufriedenzustellen mit ein paar eingehaltenen Ritualen. Ihr meint ihr habt ein Recht auf meine Antwort, nur weil ihr nach ein paar Regeln lebt.

Oh weh o weh, ich sehe die Hörer der Predigt des Jesaja, damals in Jerusalem, schon zusammenzucken, Kopf einziehen, sich wegducken…..

Wie aber kam es dazu, dass sich die Israeliten damals, vor 2 ½ tausend Jahren meinten das Recht zu haben, Gott anzuklagen, weil wohl nicht alles so läuft wie sie es sich erträumt haben, damals.

Damals? Ja, damals, als die meisten Israeliten nach Babylon verschleppt wurden, Sklaven waren, als sie, wie es im  137   Psalm heißt: An den Wassern von Babylon saßen wir und weinten, wenn wir an Zion ( an unsere Heimat, an Jerusalem dachten….“ Ihre Religion war ihr Halt, damals, ihre Gottesdiente Ausdruck einer Sehnsucht Gott nahe zu sein, Gemeinschaft zu stärken, gemeinsam die Hoffnung auf eine Rückkehr zum Tempel, ins Land in dem „Milch und Honig fließen“, ja da hatte der Glaube Kraft.

Und dann kommen sie tatsächlich zurück in die (alte) Heimat, zum Berg Zion, ins gelobte Land, Land der Sehnsucht. Jetzt wird alles besser….

Und dann sind sie zurück und die erste Euphorie schwindet schnell.

Die großen Ideen, treten zurück hinter das tägliche Klein Klein, die Euphorie weicht der Ernüchterung, die Landschaften, die man sich an den Wassern von Babylon so blühend ausgemalt hat, sind halt in Realität oft genug karg und trocken, und im Land in dem angeblich Milch und Honig fließen hat man genug Mühe wenigstens genug sauberes Wasser zu haben. Ernüchterung, so nennt man das wohl. Ja selbst die Gottesdienste, da damals noch so viel Kraft gaben, uns am Leben hielten, die Gottesdienste sind inzwischen nur noch eine Abfolge leerer Riten, toter Rituale, Stagnation. Das macht unzufrieden und manchmal  hadert man dann mit Gott. Hey Gott, ich mache doch alles, ich gehe in die Kirche, ich lese das Bibelwort für den Tag, ich lerne meinen Konfirmandenstoff, und trotzdem geht nichts voran.

Wir verzichten doch auf vieles, gerade wenn jetzt die Fastenzeit wieder angeht. Zumindest Freitags kein Fleisch, und keine Tanzveranstaltung am Karfreitag.  Trotzdem…..

Unser Predigttext heute, fordert uns auf, unseren Blickwinkel zu verändern. Es kommt nicht in erster Linie auf deinen Verzicht an, sondern es kommt darauf an, den Blick für die zu schärfen, die bisher schon verzichten müssen und das ganz und gar nicht Freiwillig. Gott will nicht Minderung des Lebens, er will Mehrung des Lebens, für alle. Nicht unsere fromme Übung zählt, sondern das was daraus resultiert. Wir erinnern uns an den Bibeltext:

Siehe, an dem Tag, da ihr fastet, geht ihr doch euren Geschäften nach und bedrückt alle eure Arbeiter. Siehe, wenn ihr fastet, hadert und zankt ihr und schlagt mit gottloser Faust drein.

Alles wie immer, nur eben fromm angestrichen.  So kann es, soll es nicht weitergehen. So haben weder die, die unter Euch leiden ein erfülltes Leben, so habt auch Ihr ein erfülltes Leben.

Erfülltes, sinnvolles Leben, entsteht durch teilen. Wer teilt wird reicher.

Bei der Vorbereitung auf diese Predigt bin ich auf einen kleinen Bericht, ein kleines Beispiel gestoßen, das mich,  als jemand der als Weißer in Afrika gelebt hat besonders angesprochen hat.

Hans de Boer, arbeitete in den 50-ger Jahren für die Firma seines Vaters in Namibia. Er kündigte die Mitarbeit auf und schrieb: „ Je mehr ich über das Land erfuhr,  umso weniger konnte ich weitermachen wie bisher. Als weißer Kaufmann habe ich von Montag bis Samstag die Schwarzen betrogen, und sonntags bin ich in die Kirche gegangen……“

Es gibt diese Kölner Faschingslied „Da simmer dabei, das ist prima….“ Da können wir gerne mitsingen, wenn es um Fasching geht. Wenn es um Ungerechtigkeit, Ausbeutung, Unterdrückung, Gewalt, geht , dann kann unser Lied als Christenmenschen nur heißen: „ Da simmer nicht dabei, das ist nicht prima, da machen wir nicht mit….“ Wie schon gesagt, gerade als Kirche und als Christen haben wir die Freiheit nicht überall mitzumachen zum müssen. Wir müssen nicht nach Gewinnmaximierung schielen, den Share Holder Value als Maxime unseres Lebens ansehen. , das „mein Haus mein Auto, meine Yacht Prinzip“ hochhalten.

Als Christen werden wir das ernst nehmen, was der Prophet so formuliert:

Das aber ist ein Fasten, an dem ich Gefallen habe:

Lass los, die du mit Unrecht gebunden hast, lass ledig, auf die du das Joch gelegt hast! Gib frei, die du bedrückst, reiß jedes Joch weg! Brich dem Hungrigen dein Brot, und die im Elend ohne Obdach sind, führe ins Haus! Wenn du einen nackt siehst, so kleide ihn, und entzieh dich nicht deinem Fleisch und Blut!

Im Neuen Testament (Math. 25) finden wir diese Forderung noch mal, fast identisch in den sogenannten  Werke der Barmherzigkeit , Ein Textabschnitt, der nicht nur einem Diakon oder dem Diakonischen Werk ganz besonders nahe kommt: „Kranke heilen, Gefangene besuchen, Nackte kleiden, Fremde beherbergen, Tote bestatten, Hungrige speisen, Durstigen zu trinken geben, ….

Die Arbeit in unseren Kindertagesstätten schließe ich da ganz ausdrücklich mit ein! 

Ich weiß nicht, was der Vater von Hans de Boer auf dessen ‚Kündigungsschreiben‘ geantwortet hat, was seine Reaktion war.

Vielleicht so: „Der ist närrisch geworden…..“ sie merken schon,  närrisch / Narr, das ist schon wieder ein Faschingsbegriff  Aber so lasse ich mir das gerne eingehen. Ein Narr ist einer der gegen den Strom schwimmt, der Dinge gegen den Strich bürstet, der seine Verantwortung für die Welt die Schöpfung und die Menschen erkennt und wahrnimmt (selbst wenn wir dann auch außerhalb der 5. Jahreszeit als Narren bezeichnet werden). Einer der, besonders in unserem reichen Land erkennt: Ja, ich bin Teil des Problems aber auch teil der Lösung.

Ich bin jetzt seit knapp vier Wochen als Gemeidediakon in Rödental St. Johannis tätig. Mit großer Freude und habe ich hier schon viele von diesen Narren und Närrinnen treffen können:

Da gibt es die, Menschen zu Geburtstagen besuchen einen Gruß der Kirchengemeinde bringen und sich Zeit nehmen für die Sorgen und Nöte unserer Mitmenschen, Freud und Leid teilen.. Da gibt es die, die sich für einen fairen Welthandel und gerechte Löhne in der einen Welt engagieren und mit dem  Eine Welt Laden dazu konkret beitragen. Da gibt es die Mitarbeiterinnen in unseren Kindertageseinrichtungen, die jederzeit ein offenes Ohr für die Menschen haben und nicht selten als erste mit Rat und Tat und Trost bei den Menschen sind. Ich denke an die Woche für Woche als Konfiteamer dabei sind. Da haben wir diese Narren, die Menschen, denen es nicht so gut geht, regelmäßig ein Mittagessen kochen und zum gemeinsamen Mahl einladen. Ja selbst am Heilig Abendehaben wir diese Ver-rückten, die Einsame zum gemeinsamen Essen einladen. Andachten im Seniorenheim, Nachbarschaftshilfe und und und. (Bitte seht mir nach, ganz gewiss habe ich noch viel viel vergessen).

Verrückte, Narren im positiven Sinn, so verrückt wie es auf den ersten Blick sein kann und das sagt unser Bibeltext nämlich auch:

Fasten, das kann heißen, mit anderen zu essen. Das ist ein bisschen paradox, oder?

Ich komme so langsam zum Schluss und möchte noch einmal auf die Werke der Barmherzigkeit aus dem Matthäusevangelium zurückkommen:

Beschrieben wird dort, dass die Menschen am Ende der Zeit vor Gott treten und der Herr als Weltenrichter zu den einen sagt:

Ihr habt mir zu trinken gegeben, als ich durstig war, ihr habt mir Speise gegeben als ich hungrig mich gepflegt als ich krank war, mich gekleidet als ich fror, mich besucht als ich einsam war, …….

Und dann sagen diese Menschen: „ Herr, wann haben wir dich nackt oder hungrig oder einsam oder krank oder durstig gesehen und dir geholfen“  ?

Und da antwortet Gott etwas Erstaunliches:

„Das was ihr getan habt einem von diesen meinen geringsten Brüdern (und Schwester) das habt ihr mir getan.

Das habt ihr mir getan.  Im Kontakt mit denen die auf uns angewiesen sind,  im Einsatz für Gerechtigkeit, Frieden  und Bewahrung der Schöpfung, begegnen wir Gott.

Begegnung mit Gott, das ist Gottesdienst, rechter Gottesdienst.

Verrückt, Oder?

AMEN

Und der Friede Gottes, der höher ist als all unsere Vernunft, der bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus.

AMEN

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